Kapitel 12
*** Eine unüberwindbare Hürde? ***
Ich konnte es erst nicht glauben, doch sie zog mich hinter sich her in ihr Arbeitszimmer und fischte aus ihrer gesicherten Truhe eine Mappe heraus. Dann reichte sie mir ein Blatt und ich konnte es nicht fassen!
Es sah aus, als wäre es aus einer der Chroniken gerissen, doch es war, wie Alex erklärte nur eine Kopie!
Mrs. Frederickson sei aufgrund ihrer Taten und ihrer Erscheinung nicht vertrauenswürdig und nicht erwünscht. Man solle sich vor dieser Person in Acht nehmen, sie bringe Unheil und würde den Orden in Gefahr bringen. So ging die Predigt noch einige Zeilen weiter und ich starrte auf dieses Papier und wusste im ersten Moment überhaupt nicht wie ich reagieren sollte.
Mein erster Gedanke war, wie sie bitte an solche Unterlagen kam, wenn sie doch nicht mit dem britischen Ritus konspirierte!
„Wie bitte? DAS ist das einzige, was dir einfällt dazu?" ungläubig schüttelte sie den Kopf und resigniert kam dann „Also schön, da ich, wie du weißt, eine Einigung mit einigen Ordensteilen in Frankreich, Spanien und Deutschland erreicht hatte, hatte ich auch entsprechende Unterstützung. Und diese Hilfe übergab mir dann diese Kopien. Aber es ist gut zu wissen, dass es dich nicht interessiert, wie es sich für mich anfühlt, so etwas über sich lesen zu müssen." ich kam mir völlig dumm und ignorant vor in diesem Moment. Doch das waren Ordensinterna! Verstand sie das nicht?
Alex riss mir das Papier aus der Hand und verstaute es wieder in der Mappe, aber ich packte ihren Arm.
Ich versuchte eine Erklärung, dass es eben diese Barriere gab und ich einfach nicht darüber hinwegsehen konnte. Sie hatte Einblick in Dinge, die nicht für sie bestimmt waren!
„Ja, das weiß ich, aber wenn du mir gerade zugehört hättest, dann hättest du verstanden, warum ich eigentlich so weit gekommen bin, wie ich es jetzt bin. Und das obwohl ich noch der Bruderschaft angehöre!"
Ich spürte, dass Alex ungehaltener wurde und sich schwer zusammenreißen musste, doch... es war mir egal. Es ging hier um mehr!
Plötzlich kam mir aber der Gedanke, wenn sie doch diesen Anfang erreicht hatte, könnte man es nicht auch hier versuchen? Vermutlich war gerade jetzt ein extrem schlechter Zeitpunkt das Ganze anzuschneiden, doch es klang immer noch wie ein Märchen für mich, dass man einen Waffenstillstand erreichen konnte zwischen Bruderschaft und Orden.
„Das sich das völlig fantastisch anhört und man es kaum glauben kann, ist verständlich. Doch ich wollte es und hatte ein Ziel vor Augen, welches mich angetrieben hat. Und ich war hartnäckig..." und genau DAS wäre es, was wir auch hier bräuchten! Hartnäckigkeit und Durchhaltevermögen!
Leider würden wir hier aber nie mit Faiths Großmutter im Einklang sein, das wäre unmöglich.
„Ist mir bewusst und ehrlich gesagt, will ich das auch gar nicht mehr. Und ich brauche ihren Zuspruch auch nicht. Solange sie mir einfach nicht zu nahe kommt, ist alles in Ordnung!"
Aber auch das ließe sich nicht auf Dauer vermeiden, das war Alex mehr als bewusst.
„Weißt du, Haytham, was erschreckend ist? Das diese Frau bis in meine Zeit eine gewisse Macht auf den Orden hat, besser auf den britischen Ritus. Es klingt schon fast wie eine Legende!"
In diesem Moment brachte ich nur ein „Damit liegst du nicht ganz falsch!" hervor und bereute diese Worte, jetzt war Alex angestachelt und wusste, dass dort noch mehr war, als sie alle angenommen hatten.
Sie bestätigte es mit den zynischen Worten, dass ich wohl mehr wüsste und es für mich behalten würde, ohne sie einzuweihen, obwohl sie mir gegenüber offener war, als jede andere Person.
Es tat mir im Grunde auch leid, aber ich konnte nicht... es ging nicht!
„Schon in Ordnung, uns war ja beiden klar, dass es diese Hindernisse geben wird!" und prompt war ihre trotzige Art wieder da und sie verschloss sich mir!
Umgekehrt tat ich nichts anderes, es war nur zum Schutz des Ordens.
Sie hing in der Luft! Weder Assassinen noch Templer standen Alex hier bei und was jetzt? Herr Gott... es war zum verrückt werden. Diese Barriere war wirklich vorhanden, ich wollte sie nur nicht wahrhaben, musste mir aber diesen tiefen Graben zwischen uns dann doch eingestehen.
Diesen versuchte ich bildlich ein wenig zu überbrücken, indem ich sie in den Arm nahm!
„Wir müssen eine Lösung finden, dass geht so nicht." meinte ich völlig frustriert und hoffte, dass auch sie so dachte.
„... und ich habe keine Verbündeten hier, ich bin eigentlich alleine!" mir brach eigentlich in diesem Moment das Herz, weil sie recht hatte. Alex stand auf verlorenem Posten und wir mussten eine Lösung finden!
Meine Verlobte begann mir zögerlich zu erzählen, dass sie eigentlich schon mit der Bruderschaft abgeschlossen hatte, jedoch einfach keinen Weg gefunden hatte, sich zu lösen.
Darum ging es aber nicht wirklich, es war dieser Gedanke und das tief verwurzelte Misstrauen gegenüber den Assassinen, welches mich und meine Brüder und Schwestern immer noch daran hinderte, über den Tellerrand zu schauen.
Wenn es nur um mich ginge, wäre das vermutlich kein Thema mehr, doch ich hatte eine Bürde als Großmeister, eine Verpflichtung und musste als Vorbild fungieren!
Ich löste mich von Alex und stand dann am Fenster und starrte hinaus, ich musste zu einer Lösung für uns beide kommen!
„Selbst wenn ihr mir irgendwelche Dinge anvertrauen würdet, WEM sollte ich davon erzählen? Diese Frage habe ich mir schon oft gestellt, Haytham."
Was sollte ich bitte darauf sagen? Sie würde es niemandem erzählen können, doch das war es nicht, was ich meinte... sie war Assassine! Punkt! Und ich schwieg!
Ehe ich mich versah, verschwand Alex und ich sah nur, wie sie in Richtung Stall über den Vorplatz lief. Ich stand einfach da und konnte mich nicht rühren.
Sollte ich ihr hinterher gehen, oder brauchten wir beide ein bisschen Zeit um die Gedanken zu ordnen?
In den letzten Tagen hatte ich gespürt, dass meine Verlobte, genau wie ich auch, ab und an die Zeit brauchten, alleine alles zu verpacken wie Einsiedler!
Also ging ich hinunter in mein Arbeitszimmer und eigentlich wollte ich mich den Angelegenheiten des Ordens und dem kolonialen Ritus weiter widmen, doch meine Konzentration ließ es nicht zu.
Dann hörte ich die Eingangstür ins Schloss fallen und wartete mit angehaltenem Atem, ob Alex mich aufsuchen würde. Dem war nicht so, ich hörte nur noch ihre leisen Schritte, welche sich nach oben aufmachten. Verdammt!
Haytham, verstehst du nicht, dass du deiner zukünftigen Frau wesentlich mehr vertrauen solltest? Sie ist keine daher gelaufene unwichtige Persönlichkeit, sondern der Mensch, der dir zur Seite steht. Diese Frau liebt dich, mehr als alles andere! Sie würde für dich, genau wie du für sie, durch die Hölle gehen. Und wenn du ehrlich zu dir selber bist, ist sie bereits durch ihre eigene Hölle gegangen. Sie hat für DICH alles zurückgelassen! Ich weiß, ich habe es so gewünscht, dennoch hat Alexandra einen großen Bonus an Vertrauen verdient., hörte ich plötzlich die Stimme meines Vaters in meinem Kopf.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich sie voll und ganz an meiner Seite haben will!
Es war an der Zeit, dass wir offiziell zusammengehörten, wir mussten es öffentlich machen!
Ich setzte einen Brief auf, welcher an William gerichtet war, er wäre in der Lage uns zu trauen, wenn auch nicht ganz offiziell, das würden wir dann nachholen. Ich machte jetzt Pläne... wir würden Silvester diesen Jahres heiraten, Alex würde in den Orden aufgenommen werden und unsere angestrebte Vereinigung wäre somit ein ganzes Stück weiter fortgeschritten. Der Rest würde sich dann ergeben.
Als ich den Brief an Master Johnson versiegelte, hatte ich für einen Moment ein schlechtes Gewissen, ich entschied über Alex' Kopf hinweg, doch ich musste sie vor vollendete Tatsachen stellen. Anders war es mir nicht mehr möglich und ich vertraute auf meinen Instinkt, dass es das Richtige war.
Das ist es, Haytham. Sie wird dir nicht grollen, im Gegenteil. Auch ich werde Alexandra die Absichten dann darlegen, mach dir keine Sorgen! Ihr gehört zusammen, daran halte immer fest, mein Sohn! Für einen Moment musste ich tief durchatmen, mein Vater hatte recht, aber gleichzeitig spürte ich diese Trauer um seinen Verlust wieder in mir.
Haytham, ich habe einiges versäumt, ich war nicht immer da! Doch ich will es jetzt für dich sein!
Dann herrschte absolute Stille in meinem Kopf.
Ich ging langsam hinauf, Richtung Alex' Arbeitszimmer, dort sah ich noch Kerzenschein aus der offenen Tür.
Für einen Moment lehnte ich am Türrahmen und sah sie auf dieses ... wie hieß es noch gleich? ... ach ja, Handy starren, doch sie hatte Tränen in den Augen und ich konnte ihr Heimweh spüren und auch in ihren Augen sehen!
Mein Klopfen registrierte sie und wischte sich erschrocken die Tränen aus dem Gesicht. Ich ging um den Schreibtisch herum und lehnte mich neben ihr mit dem Rücken daran.
„Was jetzt, Haytham?" Zu meinem Entsetzen klangen diese Worte wie ein Abschied und völlig desillusioniert und in mir keimte die Angst, Alex würde auf der Stelle wieder gehen!
Ich atmete tief durch und fragte, auch wenn es sich plump anhört, ob sie dem Orden beitreten wolle.
Natürlich wolle sie es, doch sie könne nicht und deutete auf ihren linken Ringfinger. Ich wusste, dort war das Assassinen-Symbol tätowiert und eben dieser moralische Aspekt, welchen sie ignorieren lernen musste.
Diese Bruderschaft gehörte zu ihrem Leben, genauso wie der Orden zu meinem gehörte. Und da wären wir an einem Meilenstein angelangt, einer Einigung im kleinen Rahmen. Moralisch ist nichts verwerflich an ihrer Entscheidung, sondern es ist eine reine Kopfsache. Auch Shay hatte diesen Konflikt erlebt, ebenso meine kleine Schwester. War es aber etwas anderes gewesen als bei Alex?
Kurzerhand teilte ich ihr meinen Entschluss mit, dass ich, wenn wir in New York sind, mich mit Shay beraten würde, ebenso mit Master Williams, damit wir eine Lösung fänden. Ich wollte Alex im Orden haben und ich würde es auch durchsetzen. Lucius müsste nicht zwingend einbezogen werden, weil ich nicht mehr offiziell dem britischen Ritus angehörte, doch auch er sollte Kenntnis von meinem Vorhaben bekommen.
Alex Reaktion war pragmatisch und es kam nur ein „Was soll das bringen? Gerade Lucius wird sicherlich nicht glücklich sein, mich zu sehen. Und was Shay angeht, nun, das ist noch etwas anderes. Haytham, ich bin völlig durcheinander! Das ist einfach gerade zu viel für meine Nerven und ich kann keinen klaren Gedanken fassen!"
Ich entschied, dass wir eine Nacht darüber schlafen sollten, der Tag war ereignisreich genug und nachdem wir hier alle Kerzen gelöscht hatten gingen wir hinüber. Alex saß, besser sie lag schon halb schlafend auf dem Bett, als ich sie daran erinnerte, sich noch auszuziehen. Langsam half ich ihr dabei, doch ich hatte keine lüsternen Gedanken dabei, sondern ich wollte, dass sie sich wohlfühlte und wir beide zur Ruhe kamen. Als sie mit dem Rücken mir zugewandt lag, strich ich vorsichtig mit meinen Fingern über die weiche warme Haut und hörte ein wohliges Seufzen, bis sie in den Schlaf glitt.
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3. Dezember 1762
Natürlich wurde ich wach durch die Bewegungen neben mir, welche immer noch ein wenig ungewohnt waren.
Langsam formte mein Verstand wieder die Welt um mich und ich sah meine schlafende Verlobte an. Entweder spürte sie wirklich, dass man sie beobachtete oder sie hatte einen ebenso leichten Schlaf wie ich, das konnte ich nicht beurteilen.
„Du bist schon wieder so früh wach, mi amor!" und damit schlang sie ihr Bein um mich, was ich durchaus begrüßte.
Ich hielt mich nicht lange mit meinen Gedanken, welche in der Nacht noch weiter gereift waren, zurück, sondern sprach sie aus! Ich wollte Alex GANZ in meinem Leben haben, keine faulen Kompromisse!
Also fragte ich sie, ob sie mich heiraten wolle, im März, das war mein Gedanke für eine offizielle Hochzeit, dass wir vorher schon in New York eine Trauung haben würde, behielt ich erst einmal für mich. Ich wollte ihre Reaktion sehen.
Und die bekam ich und sie machte mir Angst, es schien, als hätte sie plötzlich vor diesem Schritt Panik! Ihre Erklärung war aber wieder beruhigend und auch verständlich, daran hatte ich nämlich nicht wirklich gedacht.
So aus dem Schlaf gerissen, gefragt zu werden WANN man heiraten will, ist durchaus etwas vorschnell und überrumpelt einen mitunter!
„Entschuldige, ich hatte es nicht so gemeint, aber... ich bin doch noch gar nicht richtig wach und... Bei Odin... natürlich will ich dich heiraten. Das WANN wäre mir sogar egal, von mir aus könnten wir gleich heute..."
DAS war es, was ich hören wollte und ich warf mich über Alex und bedeckte sie mit Küssen, in mir tobte eine Flut aus Erleichterung und auch, für mich eher untypisch, Vorfreude!
Als ich dann noch ankündigte, dass wir theoretisch am 31. Dezember heiraten könnten, verfiel Alex in ihre praktische Art und überlegte, wie man einen Friedensrichter zu so einer Zeit bekommen sollte.
Also erklärte ich ihr, dass ich schon wüsste wer uns trauen könnte und dass alles andere auch geregelt werden würde. Master Johnson würde uns an diesem Tag trauen, da er und seine Gattin gerade in New York zu der Zeit sein werden.
„Haytham, so hätte ich dich gar nicht eingeschätzt. Aber... ich weiß nicht, was ich sagen soll!"
Ihre Hände legten sich auf meine Wangen und dieser Kuss war das, was ich brauchte! Zumal sie nicht viel sagen müsste, Hauptsache sie sagte einfach JA!
Bei diesen Worten verdunkelten sich ihre grünen Augen und ich spürte, wie Alex sich mir öffnete. In ihrem Geist konnte ich sehen, dass sie mehr als bereit war, mir das Ja-Wort zu geben, sie wollte mehr und ich gab ihr mehr. Ihre Hände legten sich wie befohlen über ihren Kopf und wir hatten uns im Stillen wieder!
Eine Lektion musste ich dieser Frau aber noch geben, sie legte mitunter ein ziemlich ungehöriges Verhalten an den Tag. Ich sah, wie sie wie ausgehungert danach bettelte und ich genoss diese Momente wieder in vollen Zügen. Als wir beide langsam wieder ins Hier und Jetzt drifteten, hörte ich eine atemlose Liebesbekundung und erntete einen vorsichtigen Kuss.
Plötzlich fuhr Alex hoch und sah mich erschrocken an.
„Aber... ich... das geht... so schnell... und ich hab doch gar kein Kleid und... du auch nicht!"
Nunja, ich bräuchte wohl auch keines, ein Anzug würde bei mir reichen, lachte ich nur.
„Du... man, du weißt was ich meine." dabei stupste sie mir in die Seite und ich erinnerte sie mit meiner flachen Hand auf ihrem Hintern daran, sich zu zügeln.
„Verzeiht, Master Kenway, aber... ich glaube, ihr solltet euren Unterricht dahingehend noch ein wenig verbessern und ausbauen!" in diesen Worten lag schon wieder so ein Verlangen, welchem ich gerne nachgegeben hätte, doch wir hatten noch einiges zu erledigen.
Aber ich ließ es mir nicht nehmen, Alex daran zu erinnern, dass ich sie beim Wort nehmen werde und dann Gnade ihr Gott! Meine Worte verfehlten ihre Wirkung nicht, wie ich mit einem zufriedenen Grinsen feststellen durfte, in ihr Gesicht stieg eine dezente Röte!
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Das Tagebuch des Haytham E. Kenway - Die verlorenen Seiten Part 3
Fanfiction*** Wer konnte schon erahnen, was für Auswirkungen das Auftauchen von Mrs. Frederickson noch haben sollte. Wir beginnen unser gemeinsames Leben hier in Virginia im November 1762. Doch etwas in meinem Unterbewusstsein schürt eine Skepsis bezüglich un...