The Passion

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______"You sat down next to me and I think I forgot how to breathe."______


14. Mai 2014

Alaska:


Hellwach starre ich an die Decke meines stockdunklen Hotelzimmers. Die Ziffern meines digitalen Weckers verraten mir, dass es erst kurz vor Mitternacht ist, aber ich weiß, dass ich auch um drei Uhr nicht werde einschlafen können. Oder um vier. Es spielt keine Rolle, wann ich mich hinlege, an Schlaf ist nicht zu denken.

Immer wieder sehe ich mich selbst auf der hell beleuchteten Bühne stehen, Millionen Blicke im Rücken, die jeden meiner Schritte genauestens überwachen- bereit, mich in eine Schublade zu stecken.
Immer wieder spüre ich Zayns Lippen auf meinen. Obwohl ich zweimal Zähne geputzt habe, bilde ich mir ein, ihn immer noch schmecken zu können. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, weshalb er mich überhaupt geküsst hat, auch wenn ich mir vormache, dass es eigentlich egal ist, weil ich es sowieso nicht wissen will.
Aber das ist eine Lüge, denn ich will es wissen. Ich will wissen, was einen Menschen wie Zayn dazu bewegt, einen Menschen wie mich in der Öffentlichkeit zu küssen, ohne ein Skript dafür zu haben, oder zumindest den Auftrag.

Hat er es getan, weil er Mitleid mit mir hatte? Oder, weil er seinen Job besonders gut machen wollte?
Wieso auch immer er es getan hat, es war bestimmt nicht aus dem Grund, um ein paar Pluspunkte bei Eileen zu sammeln...

Am liebsten würde ich Logan oder Finn anrufen, um mit ihnen darüber zu reden, aber ich bin in Indianapolis und in Lodon ist es erst fünf Uhr morgens, was darauf schließen lässt, dass die beiden wohl kaum erfreut über einen Anruf meinerseits sein würden.

Gequält wälze ich mich von einer Seite zur anderen, bis ich es schließlich nicht mehr aushalte und mich schwitzend aus den klebenden Bettlacken befreie. Ich muss hier raus.

Wie ein Geist durchwandere ich die leeren Gänge des Hotels, die wie ausgestorben vor mir liegen. Unsere Zimmer befinden sich im obersten Stockwerck, worauf sich schließen lässt, dass dieses Hotel hier wohl keine Dachterasse hat.
Ein klammes Gefühl macht meinen Brustkorb eng, als mich die plötzliche Sehnsucht nach Freiheit durchfährt. Es ist ein so mächtiger Drang, dass er mich voller Verzweiflung in die unteren Stockwerke treibt- nach irgendeinem unauffälligen Ausgang suchend.

Als ich tatsächlich eine verlassene Hintertür finde, die in den kleinen, künstlich angelegten Garten des Hotels führt, halte ich inne. Denn dort hockt bereits jemand. Gebückt im schwachen Licht des Flures, zwischen Tür und Angel, provisorisch auf den schmalen Betontreppen ausgebreitet.

Vorsichtig mustere ich seinen Rücken. Er scheint mich nicht zu bemerken.
Seine hochgewachsene Gestalt hockt zusammengekrümmt im schwachen Lichtpegel des Hinterausgangs.
Lässig lümmelt die Silhouette des Jungen mit den gelockten, braunen Haaren auf der untersten Stufe, die Beine eng an den Oberkörper gezogen, eine Kippe zwischen den schmalen Fingern, deren grauer Rauch sich langsam, beinahe schüchtern in der klammen Nachtluft verliert.
Er hat den Kopf in den Nacken gelegt und schaut in den dunklen Hinterhof hinaus, der verräterisch ruhig vor ihm liegt. Er wirkt entspannt, doch die Muskeln seiner tätowierten Oberarme sind angespannt.

Unschlüssig stehe ich hinter ihm, den Blick auf das gigantische Schiff, das seinen Oberarm ziert gesenkt.
Und obwohl ich mir wirklich Mühe gebe, unbemerkt zu bleiben, weiß ich, dass er mich längst gehört hat. Mein Atem verrät mich. Er ist viel zu laut für die Stille, die ihm wie ein Mantel um die Schultern liegt.

„Hau ab.", faucht er feindselig, ohne aufzusehen, als ich nach einigem Zögern doch langsam näher an ihn herantrete.
„Harry...", setze ich an, aber er unterbricht mich barsch. „Verpiss dich einfach, okay?"
Bei seinem bitteren Tonfall zieht sich mein Magen unangenehm zusammen.
Ich hasse es, wenn er so verschlossen ist.
Vielleicht auch- und das ist wirklich schwer zuzugeben- weil er mich dann ziemlich an mich selbst erinnert.

Your Voice in My Head (H.S.)Where stories live. Discover now