The Terror

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_____"Because I'm trying to forgive, and now I'm trying to forget."_____


16. Juli 2014

Alaska:


Ich blicke hinaus in die langsam eintretende Dämmerung, die unerbittlich an uns vorbeizieht und den Himmel zusehens verschleiert. Obwohl es erst früher Abend ist, würde ich am liebsten den Kopf an die kühle Scheibe des Taxis lehnen und einfach die Augen schließen, um diesem unendlich langen Tag zu entkommen. Wenn auch nur kurz.

Doch ich zwinge mich, wach zu bleiben und weiter hinauszustarren. Zuzusehen, wie die Welt an uns vorbeizieht. Wie die Sonne langsam ihr blendendes Haupt zum Schoße des Horizonts neigt, der es zärtlich in seine Obhut nimmt. Weiches, stetig schwächer werdendes Licht flutet sanft das Innere des Wagens und lässt es kurz aufleuchten, während die ersten, noch blassen Sterne auf die langsam müde werdende Welt hinablächeln. Es ist, als würde die Nacht den Tag in den Schlaf wiegen wollen. Das alles geschieht so sanft und doch unaufhaltsam. Mir war die Vergänglichkeit dieses täglichen Schauspiels nie so bewusst, doch plötzlich spüre ich das Ticken meiner Uhr. Dieser Sog, der unweigerlich auf das Ende zuzieht. Ich fühle Wehmut in mir aufsteigen, als ich den Himmel ansehe.

Dieses Farbenspiel des Horizontes und die schüchterne Schönheit, die beinahe in meinem Magen schmerzt, weil es vielleicht nie wieder so sein wird. Es ist, als würde mir die Natur damit ein letztes Geschenk machen wollen.

Denn vielleicht ist das hier das allerletzte Mal, dass ich so etwas schönes sehe. Das letzte Mal. Es könnte für viele Dinge das letzte Mal sein. Das letzte Mal, dass meine Finger über das steife Leder eines Taxisitzes gleiten. Das letzte Mal, dass ich Musik höre, die träge aus dem Radio zu uns nach hinten dringt. „Fix you" von Coldplay.

Das letzte Mal, das ich jemanden neben mir habe, der kein absolut Fremder für mich ist. Denn Zayns Geruch und sein ruhiger Atem sind mir so vertraut in dieser unendlichen Fremde. Der leichte Geruch nach Zigarettenrauch, der in seinen Klamotten haftet, das starke Männerparfum, der weiche, saubere Duft seines Pullovers und sein Haargel. Ich schließe kurz die Augen, um all das in mich aufzunehmen und es mir so genau einzuprägen, dass ich mich später daran erinnere. Falls... es ein Später geben wird.

Langsam neige ich den Kopf, um ihn anzusehen. Auch er starrt gedankenverloren aus dem Fenster und nimmt die vorbeihuschende Landschaft in sich auf, als wüsste er ebenfalls genau, was auf dem Spiel steht. Ich kann nicht fassen, dass er hier neben mir ist. So hätte es nicht sein dürfen und das wissen wir beide.

Langsam werden die Häuser, die den Straßenrand säumen weniger und die Umgebung karger und ländlicher. Doch er wirkt immer noch sehr gefasst. Irgendwie seltsam entschlossen. Ein Teil von mir hatte gehofft, meine Geschichte würde ihn abschrecken. Dass er freiwillig gehen würde und mich meinen Weg gehenlassen würde, angeekelt von den bitterbösen Wahrheiten meiner düsteren Vergangenheit und enttäuscht darüber, dass ich ihn angelogen und ihm eine völlig andere Person vorgespielt habe. Aber nichts davon war der Fall. Statt seinen Weg zu gehen, begleitet er nun meinen. Fest verankert, wie die Wurzeln eines Baumes scheint unser Herzschlag nun auf das Ende hinzurasen.

Er war es, der dem Taxifahrer ein kleines Vermögen zahlte, um uns bis an den Rand der Stadt zu fahren. Trotzdem- ich hoffe immer noch, dass er mich dort vielleicht nur absetzt und wieder zurückfährt, auch wenn ich bereits weiß, dass dieses Wunschdenken völliger Schwachsinn ist.

Ich rufe mir den Inhalt der Nachricht in Erinnerung: „Wenn du jemandem davon erzählst, wirst du es bitter bereuen."

Immer wieder klingt diese Drohung in meinen Gedanken nach und ich weiß, dass ich Zayn irgendwie loswerden muss. Er darf nicht mal in die Nähe dieses Ortes kommen, der mit all seinen Schatten auf mich wartet.

Your Voice in My Head (H.S.)Where stories live. Discover now