Kapitel 92

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Aus Joanas Perspektive

Ich bin sehr froh, dass Sophie mich aus der Praxis führt und sehe es ihr hoch an, dass sie sich zwischen mich und ihren Bruder stellt. 

"Keine Sorge, der regt sich schon wieder ab!" sagt sie leise. Wir betreten das Häuschen. Ich setze mich aufs Sofa. Sophie bringt mir ein Glas Cola, dass ich schnell zu mir nehme. Gleich darauf stellt Sophie eine Flasche Wasser vor mich. "Trinken!" befiehlt sie mir strenger Stimme. Ich lächle ihr zu und schließe kurz erschöpft für einen Moment die Augen. 

"Weißt du, das war alles auch ein  bisschen viel in den letzten Tagen und Wochen...." beginne ich. 

"So wie du es erzählst, eher in den letzten Jahren!" Sophie schaut bedeutungsvoll auf mich herab. 

"Wann war dein letzter Urlaub?"

Ich überlege.

"Okay, definitiv zu lange her, wenn du solange überlegen musst. Joana, so geht das nicht weiter. Du kannst nicht gleichzeitig Schichten, ein Kind aufziehen und auch noch die Hotelpraxis hier schmeißen. Das funktioniert nicht. Deine Verspannungen und Blockaden sind doch nur ein Hilfeschrei deines Körpers. "

Ich senke den Blick. Tränen steigen in mir auf. Sophie hat Recht, so recht. 

"Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht dein einziges Symptom ist. " Sophie sucht meinen Blick. "Kopfschmerzen?" Ich nicke, nach wie vor mit gesenktem Blick, "Herzrhythmusstörungen", wieder nicke ich. Verdammt. Ich balle meine Fäuste. "Wann warst du das letzte Mal beim Arzt? Vorsorge? Großes Blutbild?" 

"Ich weiß es nicht", flüstere ich leise. "In der Schwangerschaft?" Ich höre, wie Sophie laut die Luft einzieht. 

"Joana, dass ist Jahre her."  Ich zucke mit den Schultern. Ich fühle mich leer, ausgebrannt. Es ist so, als ob Leon mit seinen Händen einfach einen Schalter umgelegt hätte und das nicht zum Positiven. Warum habe ich mich bloß auf ihn eingelassen, verdammt. 

"Nathan würde dich sicher liebend gerne durchchecken." Sophie hebt sanft mein Gesicht an. "Er könnte das auch hier in deiner Praxis machen!" Ich schaue in ihre blauen Augen, die mich so lieb anschauen. Wieder kullern mir Tränen übers Gesicht. 

"Vielleicht, ich überlege es mir, okay?" 

"Tu das!"sagt Sophie mit fester Stimme. Sie nimmt mein Handgelenk in meine Hand und misst stumm meinen Puls. "Das fühlt sich wieder besser an. Bereit für die Jungs?" 

"Kann man dafür bereit sein?" Ich schenke Sophie ein halbes Lächeln. Sie grinst. 

"Nein, wahrscheinlich nicht, aber aus dem Weg gehen können wir ihnen eben auch nicht."

Aus Sophies Perspektive

Dass Joana so gar nicht nach sich schaut, bedrückt mich. Ich meine ich selbst bin auch nicht so viel anders, aber immerhin habe ich mit Nathan jemand an meiner Seite, der sich um mich kümmert und meine Gesundheit im Blick hat, so nervig das auch manchmal ist. 

"Sophie?" 

Ich schaue Joana an, als wir langsam zum Haupthaus laufen um uns etwas zu Essen zu organisieren. Früher oder später werden wir bestimmt auf die Männer treffen. Ich bin schon etwas angespannt, hoffe aber, dass sie es einigermaßen gut aufnehmen. 

"Sag Leon und Nathan bitte nichts von unserem Gespräch. Ich muss mir das wirklich gut überlegen." 

"Joana, sehr ungern. Ich würde zumindest gerne Nathan bescheid geben, oder hast du jemand anderen zur Hand, von dem du dich untersuchen lassen würdest? Es braucht nicht mehr wirklich lange und du klappst zusammen. Dann kannst du es dir nicht aussuchen. Oder möchtest du von einem deiner Kollegen untersucht werden?

"Nein." Antwortet sie kurz. 

"Nein zu was?" ich lächle sie an. 

"Zu allem!" gibt sie zurück. Hm eine ganz schön harte Nuss. Da wird Leon noch ordentlich was zu Knabbern haben, falls sich aus dem Urlaub heraus noch etwas aus den beiden ergibt. "So und jetzt lass uns die gemeinsame Zeit genießen!" sie lächelt mich strahlend an, ich schlucke etwas und überlege wie viel von dem Strahlen wohl echt ist. 

Teil 4 Herzergreifend - Nathans und Sophies GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt