Kapitel 8 - Alexander

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Ich haue gehetzt auf meine Computertastatur ein. Das für heute angesetzte Meeting von meinem Vater hat länger gedauert als gedacht, somit muss ich jetzt noch den angesammelten Papierstapel fertig abarbeiten.

Ich kann es nicht leiden, wenn Dinge unplanmäßig verlaufen, denn mein Tagesplan gerät dadurch durcheinander.

Ich werfe einen Blick auf die Uhr über der Tür. Schon nach Fünf. Ich seufze auf. Um halb Sechs will ich mich endlich mal mit Viktoria treffen. Ihre letzte Prüfung ist nun vorbei, aber an ihrer gestressten Stimme hörte ich, als wir miteinander telefoniert hatten, dass sie sich schon jetzt auf das nächste Semester vorbereitet und einen Sommerkurs in der Uni belegt.

Ich schreibe ihr eine Nachricht, dass ich etwas später kommen werde. Die noch zu erledigende Arbeit auf Morgen zu verschieben ist nicht meine Art.

Mein Handy vibriert, aber es nicht Vikis Antwort, sondern eine süße Nachricht von Anna, in der steht, dass sie für heute Abend einen Tisch im Miko's reserviert hat. Ich schicke ihr ein Herzchen zurück, auch wenn ich überhaupt nicht in der Laune bin heute Abend auswärts essen zu gehen, vor allem weil heute Dienstag ist und eine lange Woche noch vor mir liegt. Aber ich sage nichts dagegen, weil es seit unserer Versöhnung echt gut zwischen uns läuft. Am Samstagabend war ich mit Anna bei Freunden von ihr eingeladen, ein hochkonservatives Pärchen, dass ein langweiliges, geschniegeltes Essen für die größte Party hielt.

Mein Cousin Max und Cousine Isabelle hätten daran ihre reinste Freude gehabt, denke ich abfällig und verziehe das Gesicht. Die zwei sind einfach im falschen Jahrhundert geboren worden.

Viki antwortet mir, es sei kein Problem, wenn ich später käme.

Sie ist die Beste.

Schnell, aber sorgfältig arbeite ich weiter und schalte erschöpft nach einer halben Stunde den Computer herunter. In den Fluren und in den Büros sind vereinzelnd noch Leute zu sehen und allen, denen ich begegne, nicke ich zu. Ihre Reaktion mir gegenüber fällt um einiges freundlicher aus, als wenn sie meinem Vater begegnen würden.

Auf dem Weg zu Viktoria mache ich mir Gedanken darüber, was ich alles ansprechen will. Ich will nicht nur ihr Studium ansprechen, Viki kann mir vor allem ein Bild darüber geben, wie es im Hause von Zurrenberg familiär aussieht. Seit ich nicht mehr dort wohne, bekomme ich von den Streitigkeiten meiner Eltern nicht mehr so viel mit.

Ich erkenne ihren Haarschopf schon von Weitem. Ihre Haare sind im Gegensatz zu Bastis und meinen eine Nuance dunkler, während Luise noch hellere Haare wie ich habe, die schon fast blond sind. Meine Haarfarbe habe ich wohl von meinem Vater, denn die Haare meiner Mutter sind kastanienbraun.

Warum Luise als Einzige von uns so helle Haare hat war mir jahrelang ein Rätsel. Bis ich beobachtet habe, wie meine Mutter mit ihrem Schwager Ernst August, jüngerer Bruder meines Vaters, umgeht. Ernst August hat blonde Haare.

Ich rede mir ein, dass das Blonde Gen von meiner Großmutter bei Viki, Basti und mir einfach nicht gegriffen hat, bei Luise aber umso mehr.

Zu groß wäre der Schock, dass meine Mutter meinem Vater auf diese Weise untreu war.

„Hey.", begrüße ich Viki und nehme sie kurz in den Arm. „Warum sitzt du nicht drin?" „Ich saß den ganzen Vormittag in Räumen. Ein bisschen frische Luft tut uns beiden gut." „Du hättest dir doch schon was bestellen können.", sage ich, als ich den kleinen runden Tisch betrachte und nichts anders sehe als Aufzeichnungen von ihr. Sie zuckt die Schultern. „Ich wolle einfach warten."

Die Bedienung, ein schmaler Typ in meinem Alter nimmt unsere Bestellung auf. Meine sowieso gereizten Nerven werden noch einmal überstrapaziert, als mir der Kerl die verschiedenen Arten von Kaffee aufzählt, die das Café zu bieten hat.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt