Kapitel 19 - Jessica

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Mit schnellen Schritten laufe ich nach Hause. Gestern habe ich eine Nachricht von Carlos bekommen. Heute sind die ersten Fünfhundert Euro fällig. Wenn ich es mir noch mal anders überlegt hätte, solle ich doch zu ihm ins Büro kommen. Es sei schade, dass es mit uns auf diese Weise enden muss.

Ich habe ihn zu seinen Entscheidungen nicht gezwungen.

Ich nehme extra den Aufzug, um schneller oben in der Wohnung zu sein, aber ich bin die Letzte. Ich bete, dass sie meiner Mutter nicht wehgetan haben.

In der Küche sitzt meine Mutter mit hängenden Schultern. Ihr gegenüber sitzt Mark, er war mal mit mir in derselben Klasse.

So weit hat er es also gepackt? Er ist Carlos Schoßhündchen.

„Jessy. Endlich." Er steht auf, aber jemand anders kommt ihm zuvor. „Da bist du ja." Ein Typ mit kurzgeschorenen Haaren und einem Tattoo am Hals kommt auf mich zu. „Wo ist das Geld?", bellt er mich an.

Ich runzle die Stirn. „Und du bist?" Bevor ich reagieren kann hat er mich an die Wand gedrückt und legt mir die Hand um die Kehle, sodass ich schwerer Luft bekomme. Ich suche mit dem Blick nach meiner Mutter, aber Mark hat sich vor sie gestellt, damit sie nichts sieht. Er senkt den Blick, als ich ihn Hilfe suchend ansehe.

Feigling.

„Ich bin Rico, Schlampe. Und ich will jetzt das Geld!" Er drückt mit seiner Hand einmal fest zu, so dass ich röcheln muss, als er mich loslässt. Hustend lege ich meine Hand schützend an den Hals. Ich habe Angst.

Er schubst mich gegen die Wand. „Also?" „Meinst du, ich laufe mit Fünfhundert Euro in der Gegend herum?", würge ich ärgerlich hervor. „Ich habe es im Zimmer. Ich gehe es jetzt holen, okay?"

So schnell wie jetzt bin ich noch nie durch die kleine Wohnung gehetzt. In weniger als einer Minute halte ich ihm das Geld entgegen. Ich will, dass er von hier verschwindet.

In aller Seelenruhe zählt er das Geld und mit jeder Sekunde geht mein Puls schneller. Als er wieder auf mich zukommt, zucke ich zurück und bleibe an der Wand stehen. Die Küche ist für vier Personen einfach viel zu klein!

„Geht doch." Ein gefährliches Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. Er legt mir die Hand in den Nacken, zieht mich zu sich hin und küsst mich hart. Er riecht nach Rauch.

„Wie sehen uns nächste Woche, Schätzchen." Rico und Mark verlassen wortlos die Küche, die Wohnungstür lassen sie offenstehen. Machtdemonstration.

Ich wische mir mit dem Ärmel über den Mund und schließe mit brennenden Augen die Tür. Zurück in der Küche muss ich mich erstmal hinsetzen.

Zitternd hole ich Luft. „Nächste Woche wieder?", flüstert meine Mutter vor sich her. Ich nicke vor mich hin. „Nächste Woche wieder.", bestätige ich. Ich höre meine Mutter leise aufschluchzen. Aber in diesem Moment kann und will ich sie nicht trösten. Ich muss raus aus dieser dunklen und engen Wohnung.

Ich mache mich auf den Weg ins Jugendzentrum. Dort bin ich in Sicherheit, dort sind meine Probleme weit weg. Draußen an der frischen Luft beruhige ich mich langsam. Die ganze Aktion hat weniger als fünf Minuten gedauert, aber dafür hat sie mich ganz schön mitgenommen.

Aber Rico ist doch nicht so dumm und würde mir was antun? Wenn er mich so schwer verletzen würde, dass ich nicht zur Arbeit kann, dann wird Carlos sein Geld erst recht nicht sehen.

Um meiner Wut Platz zu machen, schreibe ich Carlos.

Halte Rico an der Leine! Wenn ich nicht in der Lage bin zu arbeiten, bleibst du auf dem Trockenen sitzen!

Seine Antwort kommt umgehend.

Eine angemessene Portion Einschüchterung gehört immer dazu. Du kannst dich noch immer umentscheiden.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt