Kapitel 2 - Alexander

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„Anna, jetzt mach schon!" Wie ich Unpünktlichkeit hasse. „Soll ich die schwarzen Pumps zum dem Kleid anziehen, oder lieber die Silbernen? Sie hält zwei Paar Schuhe hoch.

Ist mir doch egal.

„Die, die besser zum Kleid passen?", rate ich und ziehe die Schultern hoch. Anna verzieht den Mund. „Die Schwarzen passen besser zum Kleid, aber in den anderen kann ich besser laufen."

Ich raste gleich aus. Immer wieder die gleiche Tortur. Weil ich sie nicht anschreien möchte, atme ich ein paar Mal tief ein und wieder aus und versuche eine andere Strategie. Ich setze mein unwiderstehliches Lächeln auf und schmeichle ihr. „In den silbernen Schuhen gefällst du mir besser. Da komme ich direkt auf andere Gedanken."

Sie strahlt mich an. Damit ist die Schuhentscheidung gefallen. „Und jetzt auf, mein Vater mag keine Unpünktlichkeit." Ich scheuche sie aus der Wohnung. Mit dem Aufzug geht es direkt in die Tiergarage. „Müssen wir denn zum Familienessen? Es fühlt sich immer wie eine Prüfung an." Anna schmiegt sich schmollend an meine Seite.

Wie recht sie hat. Jedes Essen, jedes Treffen mit meiner Familie ist eine Prüfung. „Es ist doch nur einmal im Monat.", versuche ich sie zu beruhigen.

Jeden ersten Sonntag im Monat lädt mein Vater zum Mittagessen ein. Es sei eine Möglichkeit über Familienangelegenheiten zu sprechen, weil die ganze Familie anwesend sein wird. Vor allem ist es für mich eine Gelegenheit meine drei jüngeren Geschwister zu sehen. Nicht selten plagt mich das schlechte Gewissen, weil ich ausgezogen bin.

Aber ich brauchte meine eigenen vier Wände, in denen ich nicht jede Sekunde beobachtet und getestet werde. Wo es keine lauten Streitereien und Diskussionen gibt. Die anderen drei haben ja noch sich selbst.

„Vielleicht kannst du mir nachher zeigen, welche Fantasien du hast." Anna wirft mir ein sexy Lächeln zu. Sie weiß, wie man einen Mann um den Verstand bringt. Ich drücke sie gegen die Betonwand und küsse sie stürmisch. „Wenn wir die Zeit hätten, würde ich jetzt damit beginnen." Ich lasse von ihr ab und ziehe sie zu meinem BMW. Sie seufzt und steigt ein. „Du bist immer so diszipliniert."

Wenn die Erziehung streng ist, wird man halt diszipliniert. Wenn ich auf Salem gewesen wäre, wäre ich vermutlich noch disziplinierter. Mein Vater und sein Bruder waren auf Salem, aber irgendwas scheint meinen Vater an dem Internat gestört zu haben, denn er hat seine Kinder lediglich auf die teuerste Privatschule der Stadt geschickt.

Ein kleiner Teil von mir hofft, dass er durch diese Handlung gezeigt hat, dass ihm seine Kinder nicht vollkommen egal sind.

Während der Fahrt zum Anwesen, bereite ich mich emotional auf das Treffen vor. In ein paar Stunden ist es ja wieder vorbei und ich kann mich gemütlich mit Anna im Bett wälzen. Ich muss einfach nur für eine Weile die Zähne zusammenbeißen. Vorbild sein. Großer Bruder sein.

Das eiserne Tor wird automatisch geöffnet, weil das Nummernschild des Autos erkannt wird und dann fahre ich die Auffahrt entlang, während der Weg links und rechts von Linden gesäumt wird. Die weiße Fassade der Villa erscheint schon nach Kurzem und ich komme schlitternd im Kies zum Stehen. Anna wirft mir einen tadelnden Blick zu, bevor sie aussteigt. „Spaßbremse.", murmle ich und steige ebenfalls aus.

Meine Stimmung hellt sich augenblicklich auf, als Juliette die Tür öffnet. Sie ist ehemaliges Au-Pair-Mädchen und hilft nun Berta in der Küche und im Haushalt. Meine Eltern hielten es für schlau, eine Französin einzustellen, damit wir Kinder schon früh die Sprache lernen. Nur kam ihnen die Idee ein bisschen spät. Luise war sechs, Basti neun, Viki 12 und ich 15. Juliette war zu dieser Zeit 18 Jahre alt. Wir haben alle bei ihr französisch gelernt, nur hat sie mir französisch auch auf eine ganz andere Weise beigebracht. „Bonjour Juliette. Ca va?" „Alexandre." Oh, ich liebe es, wie sie meinen Namen auf Französisch ausspricht. Sie lächelt Anna an und tritt zurück, damit wir eintreten können.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt