Ich möchte nicht damit prahlen, aber meine Reaktionen sind im Allgemeinen nicht schlecht. Im Tennis beispielsweise habe ich hervorragende Reaktionen. Aber selbst mein schneller Griff zur umfallenden Flasche kann das Unausweichliche nicht verhindern.
Das Wasser tränkt die Tischdecke und ein Teil läuft mir auf die Oberschenkel.
„Verflucht!" Ich springe auf und wende mich augenblicklich von den anderen ab. Ich will unseren Kunden keine Steilvorlage dafür geben, dass ich wohl noch nicht trocken hinter den Ohren wäre, weil ich momentan so aussehe wie ein Dreijähriger, der sich eingenässt hat.
„Oh, Gott! Das tut mir so leid!" Das Gesicht von meiner Bedienung hat mittlerweile die Farbe einer Tomate angenommen. „Das wollte ich nicht." Schnell greift sie nach einer Serviette, hält dann aber inne. Zu Recht würde ich meinen. Sie wird mir ja wohl kaum vor allen mit der Serviette im Schritt herumreiben, oder?
Ich nehme sie ihr ab und mache es selbst. „Ich komme selbstverständlich für die Reinigung auf.", redet sie weiter. „Es ist nur Wasser. Das trocknet wieder." Und zwar hoffentlich so schnell, bis ich das Restaurant wieder verlasse.
„Sie sind ganz schön ungeschickt für eine Bedienung.", merke ich an. Sie schlägt beschämt die Augen nieder. „Entschuldigung."
Mein Blick fällt auf ihr Namensschild. Jessica Schwarz. Noch nie gehört.
„Na wenigstens war es kein Rotwein.", sage ich und spiele auf ihren Patzer von vor ein paar Tagen an.
Überrascht sieht sie auf. Vermutlich hat sie mich neulich nicht gesehen.
„Worauf warten Sie? Machen Sie die Sauerei weg.", sage ich etwas unfreundlicher als gewollt und deute auf das Geschirr. Sie macht sich direkt an die Arbeit. Vielleicht sollte ich Pierre mal fragen, warum er solch ein inkompetentes Personal eingestellt hat.
Genervt lasse ich mich wieder auf den Stuhl sinken. Dieser hat von dem Malheur nichts abbekommen.
Mein Vater betrachtet mich mit einem missbilligenden Blick und nach Kurzem merke ich auch warum. Es liegt nicht daran, dass ich mit dem Vorfall ein wichtiges Gespräch unterbrochen habe, sondern an einem viel banaleren Grund: hätte ich die Serviette auf dem Schoß ausgebreitet, so wie es sich gehört, hätte ich nun keine nasse Hose und die Szene wäre nicht so ausgeartet.
Ich fühle mich wie ein Zwölfjähriger, der noch nicht begriffen hat, die Etikette einzuhalten.
Mein Vater lenkt das Gespräch wieder auf das Geschäftliche und ich gebe mir in den folgenden Minuten Mühe, mich mit seriösen Beiträgen daran zu beteiligen. Er hat mich schließlich nicht umsonst mitgenommen.
Ich trommle nervös auf meinem Oberschenkel herum, als das Treffen sich endlos in die Länge zieht. Wieso können die zwei alten Säcke uns das Bauland nicht einfach zu dem vereinbarten Preis überlassen? Natürlich feilschen sie darauf, mehr dafür zu bekommen, aber jeder, der meinen Vater auch nur ansatzweise kennt, weiß, dass man ihn schlecht von seiner Position abbringen kann.
Letztlich legt mein Vater schlappe 2% obendrauf. Für die anderen scheint es sich wie ein Sieg anzufühlen, aber ich bin mir sicher, dass mein Vater das nur getan hat, weil er die Schnauze voll hat und sich nicht weiter mit den Zweien abgeben möchte.
Als wir aufstehen und uns voneinander verabschieden ist meine Hose nur noch leicht feucht und da sie sowieso schwarz ist, hat man von dem nassen Fleck eh nicht viel gesehen.
Als ich mich umdrehe, laufe ich doch fast wieder in Jessica Schwarz rein und verursache um Haaresbreite eine Kollision.
„Entschuldigung.", sagt sie mit gesenktem Kopf. Da habe ich sie wohl mit meinem herrischen Ton vorhin etwas eingeschüchtert.
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Herbststurm - Zurrenberg Romance
RomanceSie kämpft um das tägliche Überleben und hängt ihren Träumen nach. Er ist mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und buhlt um die Anerkennung seines Vaters. Jessica und Alexander führen ein Leben aus zwei verschiedene Welten und treffen durch Zuf...