Kapitel 9 - Jessica

114 8 0
                                    

Die Wohnung hat einen Wasserschaden. Als ich am Dienstagnachmittag nach Hause komme, steht die halbe Wohnung unter Wasser. Auch das noch. Meine Mutter rennt wie eine Irre zwischen der Küche und dem kleinen Badezimmer hin und her.

„Wie ist das denn passiert?" Ich wate durch die Pfützen in mein Zimmer und hoffe, dass sich das Wasser seinen Weg noch nicht bis hierher gesucht hat. An der Tür ist es etwas feucht, aber sonst scheint mein Zimmer verschont worden zu sein.

Von meiner Mutter erhalte ich keine Antwort, sie ist viel zu sehr damit beschäftigt die Wasserleitungen zu verfluchen.

Ich schließe meine Zimmertür und lege vorsichtshalber alte Handtücher auf den Boden vor die Tür, damit nicht noch mehr Wasser in das Zimmer läuft.

„Bernie hat das Wasser abgedreht.", informiert mich meine Mutter. Bernie ist der Küster/Hausmeister des gesamten Hauses.

„Haben wir jetzt nur kein Wasser oder die gesamte Etage?", frage ich, aber natürlich bekomme ich keine Antwort. Steven von nebenan erscheint in der noch immer offenstehenden Tür. „Man kann für jede Wohnung einzeln das Wasser abdrehen.", sagt er und lässt seinen Blick über die Wohnung gleiten. „Ganz schöne Scheiße, was?" „Ja, ganz schöne Scheiße.", presse ich aus zusammengebissenen Zähnen heraus. Erschöpft lasse ich mich auf einen Stuhl fallen und suche die Nummer des Vermieters aus meinem Kontakten heraus. Ich bin mir sicher, dass meine Mutter ihn noch nicht angerufen hat.

Sobald ich ihn am Hörer habe, beruhigt er meine flatternden Nerven sofort. Schon in den nächsten Tagen würden die kaputten Leitungen repariert werden. Er würde für die Kosten aufkommen, schließlich gehöre ihm das Haus.

Es wäre meine größte Angst gewesen, die Rechnung für die Reparatur zu bezahlen.

„Verdammte Scheiße!" Meine Mutter kommt mit einem feuchten Päckchen an mir vorbeigesaust. „Was für eine Scheiße!" Bei genauerem Hinsehen weiß ich auch was in dem Päckchen ist. Nasses Kokain. Ich bin nicht genug Drogenkonsument, um zu wissen, ob man dieses nasse Zeug noch verwenden kann.

Der Klempner kommt bereits am nächsten Tag und meine Mutter scheint wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Vielleicht ist die bei ihrem Kerl, der gestern bei der ganzen Sauerei nicht dabei war. Mit Schuldgefühlen muss ich zugeben, dass es mir momentan herzlich egal ist, wo sie sich gerade aufhält. Das Wichtigste ist für mich, dass die Wohnung wieder trocken und die Leitungen repariert werden.

Ich will nicht noch mal bei Steven klingeln müssen, um zu fragen, ob ich bei ihm kurz unter die Dusche huschen kann.

Eigentlich hatte ich vor früher bei Carlos vorbeizuschauen, aber die Umstände ließen es nicht zu. Also laufe ich am Donnerstagnachmittag zu ihm, in der Hoffnung, dass er den Vorschlag noch nicht zurückgenommen hat.

Die letzten Tage habe ich darüber nachgedacht, wie ich die Zehntausend Euro bezahlen soll, bin aber auf keine vernünftige Lösung gekommen. Ganz kurz habe ich darüber nachgedacht, das Geld auf eine kriminelle Art zu besorgen, aber ich war noch nie kriminell und habe keine Kontakte zu Menschen, die beispielsweise eine Bank ausrauben oder einen Geldautomaten sprengen.

Also bleibt mir keine andere Wahl, als mir Carlos Vorschlag anzuhören. Solange ich nicht für ihn anschaffen gehen soll, scheint mir sein Vorschlag relativ ungefährlich zu sein.

Im Puff werde ich vom Glatzen-Typ in einen ruhigen Gang geführt und er deutet auf eine Tür am Ende des Flurs, dann verschwindet er.

Ich kratze meinen ganzen Mut zusammen und straffe die Schultern. Ich will ihm wenigstens selbstbewusst entgegentreten.

Auf mein Klopfen hin höre ich ein leises Herein von innen. Die Tür knarzt, als ich sie öffne. Carlos sitzt über einem Schreibtisch gebeut und sieht Papiere durch. Er lächelt mich zaghaft an und steht auf. „Jessy, du hast es dir also doch noch überlegt." Sein Ton lässt mich wissen, dass es für mich auch nur die einzig richtige Entscheidung war, hier aufzukreuzen.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt