Ich möchte mich vierteilen. Es ist so viel los, dass ich kaum zu irgendwas komme, weil immer etwas ist, das wichtiger ist als die anderen Sachen.
Der Job verlangt gerade alles von mir. Ich muss zu Hundert Prozent konzentriert bei der Sache sein – sonst kann ich die gemeinsame Zukunft mit Jessica vergessen. Neben der üblichen Arbeit setze ich mich mit Konrad zusammen, um nach einer Lösung zu suchen. Und damit meine ich Anna nicht zu heiraten. Es muss doch einen Weg ohne die Baugesellschaft Wollnitz geben, um die Firma zu retten.
Konrad, der zwar zwei Jahre jünger als ich ist, und erst seit wenigen Monaten bei uns arbeitet, hat ein ausgezeichnetes Verständnis für Zahlen. Mit ihm arbeite ich mich schneller durch den Papierkram als wenn ich allein wäre.
Ich habe mir die auslaufenden Mietverträge angesehen. Ein Start-Up Unternehmen sitzt in eines der Gebäude und der Mietvertrag soll in knapp einem Jahr auslaufen. Ich werde mich nächste Woche mit dem Chef, Fabio Schubert, treffen. Ich muss ihn überzeugen, den Mietvertrag zu verlängern. Wenn ich noch andere Mieter überzeugen kann, und das Schicksal es gut mit mir meint, dann kann ich das Unheil noch abwenden.
Ich seufze müde auf und schaue aus dem Fenster. Es ist schon nach fünf ich sitze noch immer in der Firma. Ich hoffe Jessica fühlt sich nicht so allein in dem großen Cottage. Meine Gedanken kreisen ununterbrochen um sie und warum sie so verletzt wurde. Warum hat Carlos ihr das angetan?
Ich werde morgen mit ihr reden, damit meine Lügen endlich ein Ende haben. Ich war so kurz davor, Jessy alles zu erzählen und habe kann doch nicht den Mut dazu gefunden. Ich habe Angst, dass sie mich dann verlässt. Dabei weiß ich gar nicht, ob sie mich überhaupt verlassen kann. Wir haben nie über unseren Beziehungsstatus geredet.
Es würde sich aber so anfühlen, wenn sie sich von mir abwendet und mich nie wieder, nach all den Lügen, sehen möchte.
Wenn ich nicht an Jessy denke, denke ich an Anna. Als ich erst am Sonntagnachmittag zurückkam war sie nicht da. Und die letzten zwei Tage bin ich schon früh in die Firma gefahren und erst spät abends zurückgekommen.
Wir leben momentan nur nebeneinander her und sie hat nicht nach Samstagabend gefragt. Wo ich war. Warum ich einfach so verschwunden bin. Sie allein gelassen habe. Aber heute Morgen sagte sie, dass wir heute Abend reden sollten.
Meine Schonzeit ist also vorbei. Heute bin ich fällig.
Ich nehme mir einen Stapel Papiere und laufe damit zu Konrad, der auch noch an seinem Computer im Großraumbüro sitzt. „Die hier müssten in den nächsten Tagen noch durchgearbeitet werden." Er sieht kaum von seinem Bildschirm hoch. „Alles klar." Ich betrachte ihn eine Weile, wie er hochkonzentriert weiterarbeitet.
„Sie leisten große Arbeit in den letzten Tagen. Gehen Sie nach Hause." Sein Gesicht wird fast genauso rot wie seine Haare. „Äh, danke...aber andere sind ja auch noch da." „Aber Sie haben sich einen freien Nachmittag verdient."
Lob auszusprechen gehört nicht zu meinen Spezialitäten, aber ich habe erkannt, dass Lob oft mehr bringt, als den Leuten immer nur unfreundlich in den Arsch zu treten.
Meine Schritte werden langsamer, als ich eine Frau mittleren Alters und mit langen braunen Haaren, die in einem unordentlichen Dutt zusammengesteckt sind, aus dem Büro meines Vaters laufen sehe.
Was sie dort gemacht hat, ist offensichtlich.
„Schön vergnügt?", frage ich sie kalt, als ich auf gleicher Höhe mit ihr bin. Sie hat den Anstand die Augen niederzuschlagen und rot zu werden. Mit schnellen Schritten läuft sie den Flur entlang. Ich balle meine Hand zur Faust und überlege ernsthaft in das Büro meines Vaters zu rennen und ihm einen Vortrag über eine glückliche Ehe zu halten.
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Herbststurm - Zurrenberg Romance
RomanceSie kämpft um das tägliche Überleben und hängt ihren Träumen nach. Er ist mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und buhlt um die Anerkennung seines Vaters. Jessica und Alexander führen ein Leben aus zwei verschiedene Welten und treffen durch Zuf...