Kapitel 36 - Alexander

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„Du siehst ausgeruht aus.", stellt Anna fest, als ich meine Sachen für die Arbeit zusammensuche. Sie steht im Morgenmantel und einer Tasse Kaffee an der Kücheninsel und betrachtet mich eingehend.

„Du hattest Sex, als du in London warst." Wieder eine Feststellung. Ich klaue ihr die Tasse und trinke den restlichen Kaffee selbst. Heute muss ich hellwach sein, denn ich will meinen Vater zur Vernunft bringen. Gestern bin ich alle Unterlagen noch mal mit Konrad durchgegangen, um heute vor meinem Vater überzeugende Argumente zu bringen.

„Hey, ich habe dich was gefragt. Warst du mit dieser Jessica in London?" Sie kneift mir in die Seite und nimmt die Tasse wieder.

„Gestern warst du wohl zu sehr damit beschäftig mir die Ohren voll zu heulen wegen des Wochenendes mit meiner Familie. Sonst hättest du meine vollkommene Zufriedenheit gestern schon bemerkt."

„Du meinst eher Befriedigung.", schnaubt sie leise. „Warum so frustriert?" Ich schenke mir noch eine Tasse Kaffee ein. „Bin ich hier der Einzige mit phänomenalen Sex?" Insgeheim hoffe ich, dass Hendrik im Bett eine Niete ist. Es würde in mein Bild passen, das ich von ihm habe. „Nein, mit Hendrik und mir ist alles gut. Aber ich habe Angst vor Samstag." Ich seufze auf und hebe meine Aktentasche in die Höhe. „Hier drin befindet sich unter Ticket in die Freiheit, in der wir machen können, was wir wollen und lieben können, wen wir wollen. Ich klär das heute."

„Du willst dich gegen deinen Vater behaupten? Tut mir leid, ich glaube an dich, wirklich, aber ich kenne deinen Vater." Sie hebt zweifelnd die Augenbrauen. Mit einem Schlag sind die Bauchschmerzen wieder da. Ich weiß selbst, dass ich mich noch nicht so oft gegen meinen Vater durchsetzen konnte, aber ich muss positiv denken.

„Sein Herzinfarkt hat ihn etwas milde gestimmt. Er hat mir, ohne zu fragen, Rosalinde gegeben." Ich umfasse ihre Unterarme. „Wir müssen positiv denken, ja? Sonst hat das alles keinen Sinn."

Anna betrachtet mich neugierig. „Du bist ein rationaler Mann. Du hast immer einen Plan B parat, damit es keine böse Überraschungen gibt. Was ist dein Plan B? Wenn du deinen Vater nicht überzeugen kannst und du mir am Samstag den Verlobungsring deiner Großmutter an den Finger steckst?"

Ich schlucke mehrfach und sehe zur Seite. „Es gibt keinen Plan B. Diesmal nicht. Es gibt nur die Möglichkeit."

„Was?" Ihr Ton klingt scharf. „Ich habe mich auf dich verlassen. Dass du das hinbekommst. Alex, ich werde am Samstag nicht vor hundert Leuten einen freudigen Heulanfall vortäuschen. Ich werde nicht auf diese Bühne gehen."

Da hat sie ihre Position klar geäußert.

„Vertraust du mir?" „Ja, schon, aber..." „Gut, mehr brauche ich nicht zu wissen. Warum bist du so früh schon auf den Beinen?", wechsle ich das Thema, auch um mich abzulenken.

Dieses was, wenn Gerede macht mich unruhig.

„Ich treffe mich mit Hendrik. Ganz offiziell. Wegen der Organisation."

Ich ziehe meine Jacke über und nehme die Unterlagen auf den Arm. „Bis heute Abend. Ich gehe jetzt unsere Ärsche retten."

Zumindest hoffe ich es.

Das Meeting mit meinem Vater ist erst für den frühen Nachmittag angesetzt. Oft lässt es die Zeit nicht zu, mit meinem Vater allein zu reden, aber dieses Mal hat er, ohne zu zögern zugestimmt. Es kann nur eines bedeutet: er möchte auch mit mir reden. Und das bereitet mir Magenschmerzen. Weil ich weiß, dass es um Samstag gehen wird.

Ich frage Konrad nach letzten Kleinigkeiten, damit ich mich vor meinem Vater nicht blamiere und verkrieche mich die meiste Zeit in meinem Büro, jedoch ohne etwas zu arbeiten.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt