Kapitel 12 - Alexander

139 9 0
                                    

Jessica Schwarz.

Was hat diese Frau an sich, dass sie mir das ganze Wochenende im Kopf herumspuckt?

Ist es ihre geradezu vorbildliche Körperhaltung? Ihr stolzer Gang? Ihre dunkelbraunen Augen?

Auch während des Familienessens am Sonntag bei meinen Eltern muss ich an sie denken, vor allem weil mein Vater sein Geburtstag am kommenden Freitag erwähnt und das Belle Vue für das Catering zuständig sein wird. Ob sie auch da sein wird?

Anna kneift mir in den Oberschenkel. „Alex, wo bist du mit deinen Gedanken? Deine Mutter hat dich was gefragt." „Sorry," blinzelnd sehe ich zu meiner Mutter. „Wie war die Frage?" Ich schiebe die Gedanken an Jessica Schwarz entschieden von mir. Es kann doch nicht sein, dass ich wegen einer fremden Frau so unkonzentriert bin.

„Wie war das Essen am Freitag? Mit Katharina und Michael?" „Es war schön." Am Freitagabend konnte ich seit langem mal ausschalten und die Gesellschaft von Elisas, seiner Schwester und ihrem Mann genießen. Obwohl ich Michael nicht besonders leiden kann. Er ist ein aufgehender Stern am Finanzhimmel, aber er erscheint mir immer eine Nuance zu steif und verkrampft. Mit Katharina hat er eine ergänzende Hälfte gefunden, denn sie ist wie ihr Bruder: lustig, spontan und locker.

„Kathi scheint so glücklich zu sein. Ihr neues Eheleben scheint ihr gut zu bekommen.", säuselt Anna und ich schaue alarmierend auf. Hat sie eben das Wort Ehe nicht ein wenig zu sehr betont? Ahnt sie was? Mein Vater verzieht keine Miene, Viki verdreht scheinbar unbemerkt die Augen, Basti starrt vor sich her.

„Liebes, vielleicht musst du ja auch nicht mehr so lange warten, bis dir jemand einen Ring an den Finger steckt.", sagt meine Mutter mit einem Lächeln im Gesicht. Anna greift nach meinem Arm und lehnt sich an mich. „Ja, vielleicht. Wer könnte nur dieser jemand sein?" Sie sieht lächelnd zu mir auf und mir entschlüpft ein etwas zu hohes Lachen.

„Immer langsam, Anna. Du willst doch nur ein Diamantring mit mehreren Karat am Finger haben." Meine Mutter und Anna lachen. Die Mundwinkel meines Vaters zucken. Er findet die Unterhaltung also lustig. Wie schön für ihn. Mir geht der Arsch nämlich bald auf Grundeis. Es sind nur harmlose Späße unter Frauen, da bin ich mir sicher. Mein Vater hat Maman noch nichts gesagt. Zu groß ist die Gefahr, dass sie es zu vielen Leute zu schnell erzählt.

Luise kommt mit blassem Gesicht wieder. Sie hatte sich vor etwa zehn Minuten entschuldigt. Ich mache mir Sorgen. Ihr Gesicht ist schmaler und ihr Kinn kantiger als letzten Monat. Liebend gern würde ich ihr sagen, dass sie mehr essen soll, aber das Essen scheint nicht das Problem zu sein, mit dem sie sich herumschlägt, denn sie hat sich ihren Teller noch einmal vollschaufeln lassen und sie hat alles gegessen.

Viki soll ihre Fühler mal ausfahren. Da stimmt was nicht.

„Basti hat 15 Punkte in Politik und Wirtschaft geschrieben.", schiebt Viki dazwischen. Basti bekommt rote Ohren. „Das freut deinen Vater bestimmt. Ich kann mit Wirtschaft nicht so viel anfangen.", meint meine Mutter. Dafür erhält sie von Viki einen abfälligen Blick, den Maman gekonnt ignoriert.

„Dann scheinst du dich also auf die Schule zu konzentrieren.", kommentiert mein Vater. Es soll ein Lob sein. „Ich will ein gutes Abi haben.", sagt Basti und wirft mir einen Blick zu. Er scheint sich meinen schlechten Rat zu Herzen genommen zu haben.

„Kinder, wisst ihr schon, ob ihr für die Geburtstagsfeier jemanden einladet?", fragt meine Mutter an Viki und Basti gewandt. Immerhin hat sie eingesehen, dass Luise für ihre 14 Jahre noch zu jung ist und noch keine Begleitung braucht.

„Mal sehen.", nuschelt Basti, aber seine Ohren laufen verräterisch rot an. Ich hebe interessiert eine Augenbraue. Ist mein Bruder etwa verknallt?

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt