Kapitel 43 - Jessica

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Mit einem kleinen Lächeln streife ich mir das neue Kleid über. Erst vor zwei Tagen habe ich es günstig in einem Second-Hand-Shop erstanden, aber ich wollte mir für heute Abend mal was gönnen. In weniger als einer halben Stunde wird mich Alex abholen und dann gehen wir zu Bastis Überraschungsparty. Es hat mich gefreut ihn sogar an seinem Geburtstag am Mittwoch kurz im Jugendzentrum gesehen zu haben. Und noch mehr freut es mich, dass er sich mit Phillip angefreundet hat. Ich weiß, er hatte keine leichte Kindheit und desto mehr freue ich mich für ihn, in Basti einen Freund gefunden zu haben.

„Das Kleid steht dir." Meine Mutter steht im Türrahmen und betrachtet mich, wie ich mir die Haare zusammenstecke.

„Danke. Ist es okay, wenn ich heute Abend weg gehe?" Ich habe sie das zwar schon mehrmals gefragt, aber ich sehe doch, wie es ihr geht: und zwar nicht gut. Selinas Tod setzt ihr doch mehr zu, als wir beide zugeben wollen.

„Geh nur und amüsiere dich. Ich komme schon klar. Ich bin...ich bin froh, dass du uns beide aus der Scheiße rausgeholt hast. Ich war keine gute Mutter. Ich habe mich zugedröhnt und nicht darauf geachtet, welche Probleme wir haben."

Ich seufze leise. Gerne würde ich sagen, dass das alles nicht stimmt, aber leider ist es wahr.

„Lass uns nicht an der Vergangenheit festhalten. Schauen wir lieber zuversichtlich in die Zukunft." Meine Mutter nickt schniefend.

„Du warst also bei Alex Eltern zum Essen eingeladen?", fragt sie nach. Es ist zwar fast eine Woche her, aber weil meine Mutter momentan viel arbeitet, haben wir uns die ganze Woche kaum gesehen und keine Zeit zum Reden gehabt.

„Ja, es lief...scheppernd. Aber es war okay. Nicht nur sie müssen sich an mich gewöhnen, auch ich muss mich mit ihnen anfreunden." Vor allem Alex Mutter war hartnäckig. Sie ist in einer Welt aufgewachsen, der das Ansehen einer Familie in der Gesellschaft dadurch geprägt ist, welches Vermögen man hat und in welche Familie man einheiratet. Da passe ich natürlich nicht rein.

Positiv überrascht hingegen hat mich Alex Vater. Es schien, als hätte er mich schon akzeptiert, da war ich noch nicht mal über die Türschwelle getreten und als er mich zur Seite zog, um ungestört mit mir zu reden, und sagte, dass er mich herzlich in der Familie begrüßt, war ich einen Moment erst mal perplex. Er habe einige Fehler in seinem Leben gemacht und wolle Alex Glück nicht im Wege stehen.

„Sie kommen halt aus einer ganz anderen Welt.", stimmt meine Mutter mir zu. Dann zögert sie kurz. „Also wenn es dir mit diesem Alex ernst ist...willst du mit ihm zusammenziehen?" Ich sehe die Angst in ihren Augen und umarme sie. „Ich lasse dich hier nicht allein. Davor hast du doch Angst, oder?" Ich warte auf ihr Nicken, ehe ich weiterspreche. „Ich möchte Alex das Geld zurückzahlen. Und dann bleibt die Frage, ob ich mir mit ihm überhaupt eine Wohnung leisten kann. Natürlich würde er den Großteil der Miete übernehmen, aber ich will das nicht. Wenn ich mit ihm zusammenziehe, dann will ich die Hälfte der Kosten tragen. Außerdem kannst du dir die Miete momentan allein auch nicht leisten. Ich bleibe hier. Noch für eine ganze Weile. Es kann nur sein, dass ich manchmal bei Alex übernachte. Aber zusammenziehen, nein."

Ich spüre, wie sie erleichtert ausatmet und ziehe mich zurück, um mir Sandaletten mit etwas Absatz anzuziehen.

„Gut, ich wollte nur fragen...habe Spaß heute Abend.", sagt sie, ehe sie wieder geht.

Ich greife nach meiner Handtasche, werfe noch ein paar Kleinigkeiten hinein und mache mich dann auf den Weg nach draußen, nachdem ich mich bei meiner Mutter verabschiedet habe.

Ein kalter Wind weht mir entgegen und ich hoffe, dass Alex nicht zu lange auf sich warten lässt. Und es dauert tatsächlich keine zwei Minuten, da hält ein Taxi am Straßenrand und Alex winkt mich zu sich.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt