Kapitel 40 - Alexander

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„Okay, erklären Sie mir noch mal die letzte Sache." Mit verschränkten Armen lehne ich an einem der Konferenztische, während Konrad mir nochmals eine Statistik erklärt. Ich habe es zwar schon längst verstanden, aber ich will, dass er für die kommende Stunde gut vorbereitet ist. Noch weiß er nichts davon, dass er die Präsentation halten wird und nicht ich. Er ist größtenteils an dieser Arbeit beteiligt gewesen, deshalb hat er es verdient, sie vorzustellen.

Meine Gedanken triften ab zu Jessica. Gestern waren wir in unserer Pizzeria essen gewesen. Sie will mich noch immer. Und ich werde nicht noch mal so dumm sein, und sie gehen lassen. Ihre Mutter hat nun eine Vollzeitstelle in dem Supermarkt bekommen, indem sie arbeitet. Ihr war anzusehen, wie erleichtert sie darüber ist. Noch immer geht es ihr um Geld. Und ich hoffe für sie, dass sie sich irgendwann mal in Ruhe zurücklehnen kann, ohne darüber nachzudenken, ob das Geld reicht.

Mein Verlangen nach Jessy steigt momentan ins Unermessliche. Am liebsten hätte ich die Nacht mit ihr zusammen verbracht. Aber Jessys kleines Bett ist für zwei viel zu klein und ich hielt es nicht für richtig, sie mit zu mir zu nehmen. Anna ist zwar ausgezogen, aber es fühlt sich für mich seltsam an. Ich suche eine neue Wohnung. Ein Teil von mir will mit Jessica sogar zusammenziehen. Ich habe sie noch nicht gefragt, aus Angst, sie könne ablehnen. Ich glaube, ihre Mutter kann sich die Wohnung allein nicht leisten. Und Jessy würde sie nicht allein lassen.

„War das okay?" Konrad mustert mich mit großen Augen. „Hm? Äh, ja, das ist vollkommen in Ordnung. Sie hören sich sehr sicher an."

Nach und nach trudeln die ersten Männer ein, darunter auch Gustav. Nicht nur er weiß nicht, wie er sich mir gegenüber nach Samstag verhalten soll. Mein Vater straft mich mit Nichtachtung und ich ignoriere ihn ebenfalls. Gern würde ich glauben, dass mein emotionaler Wutausbruch in der Umkleide des Belle Vue irgendwas in ihm ausgelöst hat. Ihm ist es schon immer schwergefallen, uns Kindern gegenüber Gefühle zu zeigen, die nicht Wut, Ärgernis oder Verachtung gleichen. Außer vielleicht bei Luise.

Für mich war die Aussprache sehr wichtig gewesen. Mir war wichtig, dass mein Vater weiß, wie ich empfinde.

Was er damit nun anfängt, ist allein seine Sache.

Mein Vater betritt zuletzt den Raum. „Ich hoffe dieses Treffen ist keine Zeitverschwendung." Ungeduldig lässt er sich auf einen Stuhl nieder und sortiert seine Unterlagen. Angespannt presse ich meine Lippen aufeinander. Soll es die ganze Zeit zwischen uns so weiter gehen?

Ich versuche ein paar Mal tief durchzuatmen und mich dadurch zu entspannen, dann trete ich vor den Vorstand.

„Ich weiß, dieses Treffen ist sehr kurzfristig von mir angesetzt gewesen, aber es geht um die Zukunft unserer Firma. Konrad, was möchten wir vorstellen?" Ich wende mich ihm zu. Konrad stammelt mit hochrotem Gesicht eine Antwort. Er hat wohl nicht erwartet, dass er vor dem ganzen Vorstand etwas sagen soll.

Ich gebe ihm eine weitere Impulsfrage, die er zwar immer noch stotternd beantwortet, aber mit jeder Sekunde, die er redet, wird er sicherer. Und nach meiner vierten Frage, redet er vollkommen frei und tritt selbstbewusst auf.

Ich setze mich an die Seite und lasse ihn reden. Hätte ich ihm vorher erzählt, dass er die Präsentation halten soll, wäre er so aufgeregt gewesen, dass er garantiert vorher mehrmals auf die Toilette hätte rennen müssen. Stattdessen werfe ich ihn einfach ins kalte Wasser. Und zu meiner Freude scheint es zu funktionieren.

Schritt für Schritt führt Konrad dem Vorstand vor Augen, wie es mit der Firma weiter geht, wenn keine Neuerungen vorgenommen werden. Was mit dem Image passieren muss, damit wie weiter konkurrenzfähig bleiben können.

Es ist die harte Wahrheit, die mit einem Beamer and die Wand geworfen wird. Konrad zeigt Prognosen und alte Statistiken, erklärt und skizziert Analysen. Meine Schwester hätte ihre hellste Freude daran.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt