Kapitel 31 - Jessica

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Ich bin so durcheinander. Es ist, als würde der Sturm, der draußen wütet, meine Gedanken herumwirbeln, sie Stück für Stück auseinanderbrechen, nur um sie dann verkehrt wieder zusammenzusetzen.

Alex hat mich angelogen. Nicht nur einmal. Wie soll ich ihm jetzt noch vertrauen? Wie konnte er mich in so einer wichtigen Angelegenheit hintergehen? Er wusste, dass ich nicht seine heimliche Affäre sein will.

Und was macht er? Er lebt weiter mit Anna zusammen. Sagt mir nichts davon. Ich komme mir dumm vor. Wie hätte ich glauben können, er würde Anna verlassen, die Vorzeige-Freundin schlecht hin, nur um mit mir, einfache Kellnerin und pleite, zusammen zu sein?

Er sagt zwar, sie tuen nur so, weil ihre Eltern es möchten, aber kann ich ihm noch glauben?

Und kann ich ihm glauben, wenn er sagt, er liebt mich?

Alexander von Zurrenberg liebt mich?!

Ich war geschockt und konnte nichts sagen. Panik ergriff mich. Hat er eine Erwiderung erwartet? Hat er geglaubt, ich würde mich ihm in die Arme werfen und seine Lügen einfach so vergessen?

Noch nicht mal meine Mutter hat diese Worte zu mir gesagt. Oder Selina.

Und ich weiß nicht, was ich fühle.

Bin ich gerne in seiner Nähe? Ja.

Fühle ich mich wohl bei ihm? Ja.

Bringt er mich zum Lächeln? Ja.

Habe ich Schmetterlinge im Bauch, wenn ich an sein Grinsen und seine Küsse denke? Ja.

Verdammt, ja.

Aber ich habe keine Ahnung, ob das Liebe ist.

Aber ich weiß, dass ich noch nie jemanden gegenüber so empfunden habe.

Dennoch mischt sich Zorn mit den Gefühlen. Er hat mich angelogen. Wie ernst meint er es mit mir?

Gleichzeitig sorge ich mich um ihn. Er hat sich noch nicht gemeldet, seitdem er überstürzt ins Krankenhaus gefahren ist. Am liebsten würde ich ihn wieder an mich ziehen, weil er so verloren aussah. Es hat ihm Angst eingejagt, dass sein Vater im Krankenhaus liegt. Da ist mir wieder bewusst geworden, dass er der große Bruder sein muss, die Haltung behält, Stärke und Zuversicht ausstrahlt.

Aber in Wirklichkeit braucht er jemand, der ihn hält und ihm Kraft gibt.

Und Alex wäre nicht Alex, wenn er sich nicht zusammenreißen würde, um für seine Geschwister da zu sein. Dafür bewundere ich ihn. Woher nimmt er diese Stärke?

Ich warte den ganzen Abend auf seinen Anruf, aber er kommt nicht. Sicherlich muss er wichtige Dinge klären. Das rede ich mir ein. Ich hoffe, seinem Vater geht es bald besser.

Ich fühle mich wieder besser. Meine eine Gesichtshälfte hat einen leichten grün-gelben Schimmer, die Blutergüsse am Körper klingen langsam ab, aber die Rippenprellung ist noch unangenehm.

Und Carlos bereitet mir keine schlaflosen Nächte mehr. Alex wird mir das Geld leihen. Ich musste meinen Stolz hinunterschlucken und fragen. Ich sah keinen anderen Ausweg mehr. Ich bin so erleichtert. Auch wenn ich keine Ahnung habe, wie es mit Alex und mir weitergeht, ich habe die Gewissheit, dass Alex mir helfen wird.

Die Rippenprellung hält mich nicht davon ab, am nächsten Tag kurz in die Wohnung zu fahren. Nach kurzer Nachfrage fährt mich Mike.

Ich hole nur meine Tasche mit Portemonnaie, mein Ladekabel für das Handy und einzelne Kleidungstücke. Die Wohnung ist wie verlassen und ich bekomme eine Gänsehaut, als ich im Flur stehen bleibe. Ehe mich die Erinnerungen einholen können, bin ich auch schon wieder mit dem Fuß aus der Wohnung draußen.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt