Kapitel 22 - Alexander

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Ich arbeite mich tot. In den letzten zwei Tagen habe ich so viel gearbeitet wie sonst in einer ganzen Woche. Ich bin schon vor Acht im Büro und verlasse es erst gegen Sieben, wenn fast niemand mehr da ist. Zusätzlich nehme ich Papierkram mit, um sie im Cottage am Abend zu bearbeiten.

Ich tue alles, um nicht an Anna und ihrem Verrat zu denken. Gestern, als ich müde auf der Couch lag und die Bilder von Anna und Hendrik vor meinem inneren Auge aufflackerten, habe ich mich umgezogen und bin im Keller auf dem Laufband zehn Kilometer gerannt, bis meine Beine schmerzten und ich mich würgend vorbeugen musste, weil mir schlecht war.

Unbemerkt ins Gartenhaus meiner Eltern zu gelangen war einfach.

Am Checkpoint an der Auffahrt stand allerdings Mike, der neue Angestellte und vor dem Viki mich gewarnt hatte. Ich bat ihn Juliette zu holen, was er nach kurzer Widerrede auch tat, und sagte in einem angriffslustigen Ton zu mir: „Sie flirten mit Angestellten. Halten Sie das für eine gute Idee?" Er spielte auf Juliette und mich an.

„Ich denke, mit ihnen zu flirten ist nicht halb so schlimm als mit ihnen zu schlafen." Danach wäre er fast auf mich losgegangen, aber in diesem Moment kam Juliette angelaufen.

Dieser Mike ist ein Arschloch. Und so leicht zu provozieren.

Was findet Juliette an ihm?

Juliette hat wortlos das Bett bezogen und mir gesagt, dass sie den Kühlschrank noch auffüllen würde.

Kurz war ich versucht, sie an mich zu ziehen und zu küssen, mich an alte, sorglose Zeiten zu erinnern, aber ich tat es nicht.

Danach hätte ich mich noch elender gefühlt und Juliette hätte es auch nicht toll gefunden. Ihr Herz gehört nun einem provokativen Arschloch namens Mike.

Dass ich nicht mit ihr geflirtet habe, hat sie irritiert. Aber momentan habe ich zu nichts Lust.

Als ich am Mittwoch früher von der Arbeit verschwinde, fühlt sich ungewohnt an, dabei habe ich das ja schon die letzten drei Wochen so getan.

Unterwegs zum Auto bekomme ich eine Nachricht von Anna. Sie stimmt zu, mich morgen im Tennisclub zu treffen. Irgendwann muss ich mit ihr reden. Aber ich habe jetzt schon Angst davor.

Ich schiebe den Gedanken entschieden von mir. Jetzt will ich nicht darüber nachdenken, ich kann mich auch noch morgen Vormittag deswegen verrückt machen.

Ich hole Basti, wie verabredet, von der Schule ab. Aus dem Autofenster kann ich sehen, wie er Julia mit einem Kuss auf den Mund verabschiedet.

Sogar mein kleiner Bruder hat mehr Glück bei Frauen als ich, denke ich zynisch, während er zum Auto läuft.

„Benutzt Kondome, wenn es soweit ist.", sage ich, als er sich neben mich setzt.

„Der Tipp kommt ein bisschen spät.", entgegnet er mit roten Ohren. Ich starre ihn wortlos an. Mein Bruder hatte Sex und ich wusste darüber nichts. Ich bin so ein mieser Bruder.

„War es mit ihr dein erstes Mal?" „Ja. Ziemlich spät, oder? Du warst viel jünger." „Bei mir war es zu früh." Mit knapp Sechszehn und einer süßen Juliette habe ich keine drei Minuten durchgehalten.

„Genieß die Zeit, Mann. So unbekümmert wie jetzt, wird es nie wieder sein im Leben." Es ist der erste Rat seit Langem an meinen Bruder, der ansatzweise gut ist.

„Willst du darüber reden?", frage ich unsicher nach. Mit meinem Vater wird er wohl kaum über sein Erstes Mal reden.

„Eigentlich nicht. Ist auch schon ne Weile her. Wir haben schon öfters miteinander..." „Ach, hör auf. Ich kann das nicht hören. In meinem Kopf bist du noch unschuldige neun Jahre alt und wirst von Berta abgeknutscht, weil du ihr in der Küche geholfen hast."

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt