Kapitel 32 - Alexander

100 8 0
                                    

Jessica in Ruhe zu lassen ist für mich eine Belastungsprobe. Ich rufe sie nicht an, obwohl meine Hände immerzu zum Handy zucken und ihr Nummer wählen wollen, die ich schon längst auswendig kann.

Ich vermeide es ins Belle Vue zu gehen, weil sie diese Woche wieder arbeitet. Aber ein Lächeln stiehlt sich auf mein Gesicht. Heute werde ich mit Fabio Schubert zu Mittag essen. Und da er das Belle Vue vorgeschlagen hat, sage ich mir, dass ich an einer Begegnung mit Jessy nicht schuld wäre.

Ich möchte nur einen Blick auf sie erhaschen, damit ich weiß, dass es ihr gut geht. Das würde mir genügen.

Ich versuche, diese selbsternannte Lüge zu glauben.

Um mich von Jessy abzulenken, habe ich mich die letzten zwei Tage mit Konrad zusammengesetzt, um einen Plan auszuarbeiten.

Wenn ich Fabio Schubert dazu überreden kann, den Mietvertrag in den nächsten Jahren zu verlängern, dann kann es mir auch gelingen, weitere Kunden zu überzeugen.

Und dann kann ich meinen Vater überzeugen, dass eine Heirat mit Anna nicht nötig ist.

Ich kratze mich am Kopf und beuge mich weiter über die Unterlagen auf meinem Schreibtisch. Ich verdränge, dass die Chancen nicht gerade gut für mich stehen.

Aber es ist mein einziger Plan. Also klammere ich mich verzweifelt daran fest.

Mit den Unterlagen unter den Arm geklemmt mache ich mich auf zu Konrad.

„Soll ich eigentlich gleich mitkommen?", fragt er mich, als ich ihm die Papiere übergebe. In seinen Augen sehe ich Entschlossenheit. Er hat in den letzten zwei Wochen jede Menge Selbstvertrauen bekommen.

„Nein, es ist eine Sache, die ich allein erledigen sollte." Ich warte mit angehaltenem Atem seine Reaktion ab. Ich hoffe, er ist deswegen nicht beleidigt. Aber Konrad nickt nur und widmet sich seinem Bildschirm. „Alles klar. Frag mich, wenn noch was ist."

Das schlechte Gewissen meldet sich bei mir. Wenn es einer verdient hätte, an diesem Mittagessen dabei zu sein, dann er. Wenn ich mit ihm im Büro die Sachen durchgehe, ist er die Ruhe selbst und in seinem Element, aber ich weiß, wie er sich vor Publikum verhaspeln kann und rot wie eine Tomate anläuft.

„Du hast gute Arbeit geleistet.", sage ich deswegen und er bekommt rote Ohren. „Danke.", murmelt er und beugt sich weiter über seinen Schreibtisch.

Lob kommt mir noch immer schwer über die Lippen, aber ich sehe, wie es die Mitarbeiter motiviert.

Als ich zu meinem Büro zurück gehe, sehe ich wie jemand aus dem Büro meines Vaters kommt. Mein Instinkt ist es, diesen Mann zusammenzustauchen, weil niemand das Büro betreten darf, wenn mein Vater nicht da ist. Dann bekomme ich eine böse Vorahnung und als ich die Tür zum Büro meines Vaters öffne, bewahrheitet sie sich.

„Was machst du hier?" Mein Vater sitzt wie gewohnt hinter seinem Schreibtisch und ist in Unterlagen vertieft.

„Ich arbeite, was soll ich hier sonst tun?", antwortet er, ohne aufzusehen. Ärger macht sich in mir breit. Will er mich verarschen?! Vor einer Woche hatte er einen schweren Herzinfarkt und eine Bypass-Operation und jetzt sitzt er an seinem Schreibtisch und tut so, als wäre nichts davon geschehen.

„Willst du, dass sich Mama in den nächsten Tagen mit einem Bestattungsunternehmen auseinandersetzen muss?"

Er reagiert nicht darauf, aber ich sehe, wie er angespannt die Zähne zusammenbeißt. „Ohne mich läuft der Laden doch nicht."

„Das stimmt nicht. Wir haben die letzte Woche auch ohne dich ausgestanden. Du sollst dich schonen, Papa." Wie kann man nur so unvernünftig sein?

„Reg dich nicht auf. Ich arbeite ja nur ein paar Stunden und höre gleich auf. Wenn ich gegen eins nicht zu Hause bin, holt mich Astrid höchstpersönlich hier ab." Er grinst schief. „Und diese Szene möchte ich uns allen ersparen."

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt