Kapitel 16 - Alexander

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„Wo warst du?" Anna erwartet mich mit verschränkten Armen vor der Brust im Flur. Sie sieht sauer aus.

Ich streife mir in aller Ruhe die Jacke ab und hänge sie ordentlich hin. „Ich war mit Basti Tennis spielen." Ihr Blick fällt auf meine nicht angerührte Sporttasche im Regal.

Verdammte Scheiße.

„Ich habe gearbeitet.", starte ich den nächsten Versuch. Es kann schon mal vorkommen, dass ich bis acht Uhr arbeite.

„Ich habe angerufen. In der Firma. Natalia sagte, du wärst schon vor vier gegangen." In ihren Augen fängt es verdächtig an zu glänzen.

„Spionierst du mir hinterher?" Ich ziehe die Augenbrauen zusammen.

„Ich will wissen, wo du warst!", schreit sie mir entgegen. Mein gesamter Körper spannt sich an. Ich mag keinen Streit. Und ich mag es nicht, wenn man mir ins Gesicht schreit.

„Wie heißt sie?" „Was?", frage ich perplex. „Wie sie heißt! Komme jetzt bloß nicht mit der Ausrede, du wärst bei Elias gewesen. Ich habe ihn angerufen."

Mir bleibt das Lachen im Hals stecken. „Du glaubst, ich betrüge dich?"

„Was denn sonst?!" „Ich helfe Basti!" Jetzt ist es raus.

„Warum sagst du mir das nicht?" „Weil es morgen sonst die halbe Stadt weiß!" Das verletzt sie ungemein. Aber so ist es nun mal. Sie ist und bleibt eine Tratschtante.

„Wie kommst du auf die Idee, ich würde dich betrügen? Das ist Unsinn!" Ich komme näher und bleibe vor ihr stehen. „Seit wann verheimlichen wir Dinge voneinander?", kontert sie leise. „Ich verheimliche doch nichts. Ich habe es nur nicht für nötig gehalten, dir davon zu erzählen."

„Aber ich erzähle dir doch auch alles!"

„Anna. Wollen wir jetzt wirklich darüber streiten?" Ich berühre sanft ihren Arm, aber sie zieht ihn weg. „Ja. Ich halte es sogar für eine gute Idee, endlich mal zu streiten." „Was soll das denn heißen?"

„Du bist harmoniesüchtig und trampelst jeden Streit nieder, bevor er richtig begonnen hat." „Na und? Anna, ich habe jeden Tag so verdammt viel zu tun und muss mich mit Menschen abgeben, die ich nicht mag. Ich habe dann keine Lust mehr mich auch noch zu Hause zu rechtfertigen."

Versteht sie das denn nicht? Hier, in den vier Wänden, will ich meine Ruhe haben.

„Wieso verstehst du mich nicht?", frage ich. Sie schüttelt den Kopf. Ihr läuft eine Träne die Wange hinunter. „Nein, warum verstehst du mich nicht?"

Ich sehe ratlos in ihr trauriges Gesicht.

Was passiert hier gerade?

Warum will sie streiten? Warum glaubt sie, ich betrüge sie?

„Komm, wir bestellen uns was zu essen und dann reden wir noch mal.", mache ich den Vorschlag. Sie stößt ein abgehacktes Lachen aus. „Ich habe lange genug gewartet. Ich bin bei Monika." Sie macht einen großen Bogen um mich und läuft zur Wohnungstür.

Sie will jetzt einfach abhauen? „Na, dann geh doch!"

„Das tue ich auch!" Damit haut sie die Tür hinter sich zu.

Ich bin allein. Und so wütend. Ich schließe meine Hände zu Fäusten und öffne sie wieder. Das mache ich so lange, bis sie wegen der Durchblutung ganz heiß sind.

Es mag ja sein, dass ich nicht gerne streite, aber dafür gibt es einen Grund.

Meine Eltern haben ständig gestritten. Und nach einem Streit kam nie was Gutes zwischen ihnen hervor.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt