Kapitel 4 - Alexander

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Gestresst fahre ich mir durch die Haare. Wo ist diese verdammte Tabelle? Hektisch wühle ich mich durch die Unterlagen, die wild auf meinem Schreibtisch verteilt liegen.

Bisher nur einfacher Angestellter zu sein, hat Nachteile. Zum Beispiel bin ich noch nicht in der Position, eine Assistentin zu haben, die weiß, wo welche Sachen liegen.

„Na, endlich." Unter drei Ordnern finde ich sie endlich. Ich seufze mit einem Blick auf die Uhr. Schon nach Fünf.

Ich reiße mich zusammen und gehe die Zahlen durch, auch, wenn ich in sowas nicht besonders gut bin. Vielleicht sollte ich mal Viki fragen, denke ich mit einem schiefen Grinsen. Ich gehe Spalte für Spalte durch und lese die Analyse dazu. Die Quartalszahlen sind die besten seit Jahren.

Warum muss ich dann Anna heiraten?

Die Gedanken an einen Antrag und die Hochzeit bereiten mir schlaflose Nächte. Bisher habe ich keinen Gedanken in diese Richtung verschwendet. Ich dachte, ich könne mit Anna noch ein paar Jahre zusammen in unserer gemeinsamen Wohnung leben, bevor dieses Thema auch nur angesprochen wird.

Deshalb hat mich die Verkündung wie ein Blitz getroffen.

Aber warum nicht, denke ich mir. Warum das Unvermeidliche in die Länge ziehen? Im Prinzip ist es egal, ob ich sie in einem Jahr heirate oder in fünf Jahren oder sogar noch später.

Ich werde von meinem Handy aus den Gedanken gerissen:

Steht das Angebot noch?

Ich grinse. Elias kann es aber auch nicht sein lassen.

Natürlich steht das Angebot noch. Anna ist heute Abend mit Monika unterwegs. Freie Bude!

Es wäre eine Schande das von Basti abgeluchste Gras einfach wegzuwerfen. Ich hoffe, mein Bruder hat jetzt verstanden, dass er mal für eine Weile die Beine stillhalten sollte. Wenn sich mein Vater was in den Kopf gesetzt hat, kann man ihn nur schwer davon abhalten.

Was mich wieder zu Anna zurückbringt. Ich entscheide mich, dass ich sowieso nichts mehr zustande bringe, und schalte den Computer aus. Die Tabelle kann auch noch einen Tag warten.

Ich bin mit Anna glücklich, wir verstehen uns und wissen wann es dem anderen nicht gut geht und wann man ihn dann lieber in Ruhe lässt. Wir lassen uns Freiräume und das schätze ich an Anna. Nur zu oft gibt es Frauen, die ihre Männer mit ihrer Art erdrücken.

Ich räume mein Zeug zusammen, laufe durch den Flur, auf dem ich keinem begegne, und fahre mit dem Aufzug hinunter.

Im Foyer verabschiede ich mich vom Empfang mit einem Nicken. Wir von Zurrenbergs sind höflich und kümmern uns um unsere Leute, so ist die Devise. Sehen und gesehen werden. Es sind alles Sprüche, die ich wahrscheinlich schon eher verinnerlicht habe, als das kleine Ein-Mal-Eins.

In der Drehtür sehe ich einen braunen Haarschopf und muss an die Bedienung im Belle Vue denken. Gestern habe ich mit Arbeitskollegen dort Mittaggegessen, aber dieses Mal hat sie mich nicht bedient. Sie ist mir auch nur aufgefallen, weil ihr eine Flasche Wein vom Tablet gefallen war und damit einen ganz schönen Aufruhr verursacht hat.

Ich fand es amüsant, wie sie versucht hat am Samstagmorgen gegen Anna anzukommen. Obwohl ihre Haltung gerade ist, wie ich gestern bemerkt habe, so merkt man spätestens, wenn sie anfängt zu reden, dass sie nicht von dieser Seite der Stadt kommt. Denn wenn es so wäre, würde sie sich nicht mit Anna anlegen, Tochter eines großen Bauunternehmers, dessen Unternehmen sich auf Gerüste und Kräne spezialisiert hat.

Außerdem wusste sie nicht wer ich war. Ein weiterer Grund, der dafürspricht, nicht in diesen Kreisen aufgewachsen zu sein. Es klingt arrogant, aber wenn ich hier jemandem auf der Straße begegne, erkennt mich jeder.

Herbststurm - Zurrenberg RomanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt