Kapitel 55

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P.o.V. Nabu

Nachdem ich wieder aufgewacht war, befand ich mich in einem Käfig, der groß genug war, dass ich hier auch als Einhorn eingesperrt hätte sein können und mein erster Instinkt war, einfach nur aufzustehen. So schnell wie möglich einen Überblick über die Situation verschaffen.

Meine Augen fühlten sich rau an und ich spürte die Kontaktlinsen nicht mehr darin, obwohl ich genau wusste, dass ich sie noch angehabt hatte, als ich... gefangen genommen wurde. Ein Schauer lief mir über den Rücken, bei dem Gedanken, dass mich jemand angefasst hatte um die Kontaktlinsen zu entfernen.

Doch als ich aufsprang, hörte ich das Rascheln von Ketten und spürte nun auch kaltes Eisen, das sich an meine Knöchel schmiegte. Als ich an mir hinab sah, musste ich feststellen, dass ich nicht nur an meinen Beinen gefesselt war. Ich betrachtete meine Handgelenke und schüttelte meine Arme prüfend um das Gewicht der Ketten zu spüren. Das Gleiche machte ich auch mit meinen Beinen.

Das war's dann wohl mit meinem Leben.

Man musste nicht sehr hell sein um zu verstehen, dass es Re'em war, die mich gefangen hatten. Oder irgendeine Bande die sie damit beauftragt hatten. Was es auch war, ich wusste dass mein Leben, so wie ich es kannte, jetzt vorbei sein würde.

Erleichterung durchströmte mich, ehe ich schockiert war und mich erst einmal wieder hinsetzte. Warum war ich erleichtert, dass diese Bastarde mich gefangen hatten? Seit Jahren lief ich vor ihnen davon, oder zumindest fühlte es sich so an.

Dann kam die Verzweiflung. Welche Qualen würden sie mir antun? Durch welche Hölle musste ich jetzt gehen?

Ich wurde unruhig und sprang auf, was ein Rascheln der Ketten zur Folge hatte, wonach ich in meinem für einen Menschen großen und für ein Einhorn kleinen Gefängnis auf und ab lief, während die Ketten im stetigem Takt zu meinen Schritten über den Boden klirrten.

Schlussendlich fiel mir nichts Besseres ein, als zu versuchen aus den Metallringen heraus zu schlüpfen, welche um meine Hand und Fußgelenke lagen, doch alles was ich damit erreichte, war, dass meine Haut sich schon nach wenigen Versuchen ganz wund anfühlte. Egal wie sehr ich es versuchte, es gelang mir nicht diese vermaledeiten Fesseln abzubekommen. Wäre auch ein Armutszeugnis, wenn die Ketten so einfach abgingen.

Erst nach einiger Zeit, beschloss ich aufzugeben und setzte mich wieder auf den Boden des Käfigs, neben den großen Ring der sich am Boden befand und an welchem alle Ketten befestigt waren, die von zu meinen Händen und zu meinen Füßen hinführten.

Der Raum hatte ein kleines Fenster, welches gut verschlossen und mit einem Gitter versehen war. Auch wenn es zu klein war um dadurch zu fliehen, so war es groß genug um zu sehen ob es gerade Tag oder Nacht war.

Resigniert sah ich auf den Boden, während ich wieder diese seltsame Erleichterung verspürte. Seit Ewigkeiten war ich auf der Flucht. Jetzt plötzlich nicht mehr fliehen zu müssen, war so seltsam und zugleich so wohltuend.

Aber gleichzeitig war es auch niederschmetternd. Jetzt war ich ein Gefangener von Re'em. Die Ironie war, dass ich nun endlich wissen würde, weshalb Re'em mich ständig jagte. Etwas das ich mich immer wieder gefragt hatte. Gewissheit hatte irgendwie etwas Wohltuendes.

Plötzlich wurden meine Gedanken unterbrochen und fragte ich mich, was mit all den Leuten sein würde die mich kannten, mit Sakuya, Hanako, Francis, Hiro und all den anderen mit denen ich in nur ein paar Wochen Freundschaften geschlossen hatte.

Sie würden nicht wissen was mit mir geschehen war. Würden sie nach mir suchen? Versuchen mich zu finden? Oder würden sie es einfach hinnehmen, dass ich verschwunden war und ihre Leben weiterleben als hätte es mich nie gegeben?

✒ Ein Horn zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt