Kapitel 16

140 9 2
                                    

Nabu

„Also muss sie von deiner Unverträglichkeit gewusst haben, oder du hast gar keine.", schloss er aus all meinen Angaben.

Ich fand es absurd, weswegen ich ihn fragte: „Aber ich hatte Unterzucker laut unserer Schulärztin und ich habe kein Diabetes, also kann es nur von der chronischen Unterzuckerung kommen..."

Yoshiko, die gerade die Speisen auf den Tisch vor Herrn Saito stellte, schaltete sich schließlich ein: „Nun ja... Wisst ihr Jungs, mein Großvater war Diabetiker. Er hatte Tabletten, mithilfe derer er seinen Blutzuckerspiegel senken konnte.", sie wandte sich kurz ab und kam dann zurück um ein weiteres Tablett mit allerlei Essen vor Francis abzustellen.

Dann hielt sie kurz inne und fuhr fort: „Er hat sie vor uns Kindern immer versteckt gehalten, denn für einen normalen Menschen sind bereits zwei oder drei Tabletten davon tödlich.", sie strich sich ihr T-Shirt glatt, sah uns kurz an und lief erneut in die Küche.

Francis sah mich an, und ich wusste was er dachte, weswegen ich erwiderte: „Hayashi würde das nicht tun. Sie hat mir das Bento nur gebracht, weil sie beobachtet hatte, dass ich nie am Mittag etwas esse.", und um ihm endgültig den Wind aus den Segeln zu nehmen, fuhr ich fort: „Außerdem hat sie für sich selbst und ihren Vater den Reis vom gleichen Topf genommen, von wo sie auch meinen hatte."

Es wurde kurzzeitig etwas stiller, doch die Rädchen in Francis' Kopf drehten sich weiter. Man konnte es an seiner gesamten Haltung erkennen. Doch er wusste noch nicht, wie er diese Information in seine Theorie einbauen konnte.

Sein Vater wünschte uns allen ‚Mahlzeit', woraufhin auch Francis und ich ‚Guten Appetit' wünschten. Danach begann er gemächlich zu essen und auch mein Schulkamerad fing an zu essen. Nur ich zierte mich noch ein wenig, da alles wirklich wunderbar aussah. Es sah noch besser aus als das Bento von heute Mittag und außerdem war es sehr viel, dafür, dass Yoshiko nicht wusste, dass ich herkommen würde. Was mich freute, war, dass es kein Fleisch oder Fisch zu Abend gab.

„Was ist los Nabu?", fragte Francis Vater mich und für einen Moment sah es aus als käme ihm etwas in den Sinn, bevor er weitersprach: „Keine Sorge, Yoshiko kocht schon seit Jahren für uns und wir leben noch."

„Das ist es nicht", wandte ich ein und tischte Herrn Saito genau die gleiche Lüge auf, die ich auch Hanako und den anderen aufgetischt hatte, wobei der erste Teil nicht gelogen war: „Es ist Ewigkeiten her, dass ich etwas richtiges zu essen hatte. Meine Eltern sind in Europa auf Urlaub und ich bin alleine hier zurückgeblieben."

„Wissen deine Eltern dann überhaupt davon? Dass was passiert ist?", wollte Francis Vater wissen, woraufhin ich ihm sagte, dass ich sie derzeit nicht erreichen konnte und bisher auch gar keine Zeit gehabt hatte.

„Moment mal, weswegen dann der Schultransfer mitten unterm Jahr?", hakte Francis sofort nach und aus diesem Grund rückte ich schließlich mit der ‚Wahrheit' heraus. Der Lüge, dass meine Eltern abgehauen waren und mich alleine zurückgelassen hatten bei meiner Großmutter, die schließlich gestorben ist, und dass mein Verwandter mich schließlich hinausgeschmissen hatte und ich nur so weit wie möglich von Zuhause fort sein wollte. Einmal das volle Programm eben.

Die Platzwunde kribbelte dort, wo Yoshiko sie genäht hatte, aber hörte langsam auf weh zu tun. Zwar verursachte sie noch immer ein klein wenig Schmerzen, aber dieser heftige Schmerz, der direkt nach dem Nähen eingesetzt hatte, verschwand.

„Das klingt hart.", bemerkte Francis und bohrte sofort wieder nach: „Woher nimmst du dann das Geld?", woraufhin ich ihm antwortete, dass gerade noch genügend übrig war, damit ich bis zum nächsten Monat durchkam und ich nach einer Arbeit gesucht hatte.

✒ Ein Horn zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt