Kapitel 29

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Nabu

Kaum hatte ich den Tisch erreicht, begrüßte ich das Mädchen mit den wohlbekannten Worten: „Willkommen im Shinrin Hisakata, was darf ich Ihnen bringen?", woraufhin sie mich – wie jedes Mal – mit großen Augen ansah.

Aber dann überraschte sich mich vollkommen: „Ich hätte gerne einmal die vierundzwanzig und einmal die fünfzig.", wonach sie mich dermaßen stolz ansah, dass ich dachte, dass sie den Satz bestimmt vorab geübt hatte.

Überrumpelt, wiederholte ich ihre Bestellung nur langsam: „Also... einmal einen Karamell-Kaffee und... einmal die Dangos mit... drei Geschmacksrichtungen.", dabei kam ich mir so vor als wäre ich dieses Mal derjenige, der unablässig stotterte.

Anscheinend hatte ich einen komischen Gesichtsausdruck aufgesetzt, denn das Mädchen antwortete mir, ohne dass ich die Frage – denn das wäre unangemessen gewesen – gestellt hatte: „Mit Zahlen geht es mir viel leichter von der Hand zu bestellen und du kannst das ja inzwischen.", dabei lächelte sie mich an.

Daraufhin erwiderte ich ein ‚In der Tat' und sagte ihr, dass ich ihr zumindest den Kaffee sofort bringen würde, während ich ihre Bestellung in meinem elektronischen Kellnerblock eintrug und zurück zum Tresen ging.

Kozue saß hinter dem Tresen und sah mir dabei zu wie ich den Kaffee zubereitete, als es allerdings zum abschließenden Garnieren kam, kam sie auf mich zu und fragte mich: „Ich würde es dir zeigen wenn du möchtest.", sie griff mit ihrer rechten Hand nach meiner, berührte sie allerdings nicht, sondern fragte mich: „Darf ich?"

Ich nickte, woraufhin sie meine Hand nahm und sie führte, um mir vorzumachen wie ich den Kaffee richtig verzierte. Zuerst hatte ich Probleme damit, dass meine Hand von jemand anderem geführt wurde, aber als ich dann locker ließ und sie mich führte, wurden die Linien augenblicklich klarer und ich konnte erspüren, wie ich die Hand über der Tasse bewegen musste, um eine einfache Blume hinzukriegen.

„Voila!", sagte sie und stellte dann den Topf mitsamt meiner Hand neben der Tasse auf die Arbeitsfläche, wonach sie ihre Hand wieder von meiner nahm.

Doch urplötzlich überkam mich wieder ein Gefühl, das ich in der letzten Zeit immer wieder einmal hatte. Das Gefühl etwas das teilweise auch Stunden dauern konnte, in wenigen Millisekunden zu erleben.

Ich befand mich in einem Mädchenzimmer, was ich an den vielen Kuscheltieren auf dem Bett und den etlichen Postern von Boy-Band-Sängern erkennen konnte. Auf dem Schreibtisch stand neben all den Utensilien, wie Kalender, Uhr und Computer, eine Nähmaschine, die gerade in Betrieb war.

„Voila!", rief meine Schwester und hielt eine Jeansjacke in die Höhe, die ich bei genauerem Betrachten als meine Jeansjacke identifizierte. All die Patches und die Flicken hatte meine Schwester also darauf genäht.

Sie schnitt die letzten Fäden ab und kam dann auf mich zu, woraufhin sie mir erklärte: „Pass auf, du weißt doch, dass Re'em immer wieder hinter uns her ist, oder?", es war ein Fakt, den ein jedes Einhorn wusste, weswegen ich auch gar nicht zögerte ihr diese Frage mit einem Nicken zu beantworten.

„Unsere Kasan hat mir all die Patches in doppelter Ausführung gegeben und mir gesagt, dass ich sie auf irgendwelche Kleidungsstücke nähen soll, die wir immer bei uns haben.", sie hielt meine Jacke in die Höhe.

Außer mir vor Wut, doch in dem Versuch sie zu unterdrücken, sprach ich: „Also hast du dir gedacht, es wäre eine super Idee, einfach meine Jacke zu nehmen, wenn ich nicht hinsehe und sie schnell zu bearbeiten?"

Sie sah mich mit einem Zähne zeigenden Grinsen an, wobei sich bei ihren Augen Lachfältchen bildeten, und erwiderte: „Natürlich! Das ist die einzige Jacke die du jeden Tag anziehst!", dann sah sie mich an und tippte mir neben die Stelle auf meinem Kopf, an der sich mein Horn befand, woraufhin sie sagte: „Dein Horn fängt an sich zu bilden, du solltest dich nicht aufregen."

✒ Ein Horn zum VerliebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt