Nabu
Wenig später waren wir bei Francis Zuhause, wo uns Yoshiko begrüßte und wir uns dann sogleich in die Küche begaben, wo uns bereits Herr Saito erwartete. Kurz nachdem ich eintrat begrüßte er mich mit einem kurzen Nicken in meine Richtung, nachdem er von seiner Zeitung aufgeblickt hatte.
Ich erwiderte die Begrüßung, verbeugte mich allerdings ein kleines bisschen mehr, um nicht unhöflich zu wirken, ehe ich mich an den Platz setzte, wo ich bereits letztes Mal gesessen hatte, als sich Francis zu seinem Vater setzte.
„Na, wie geht's dir Tanaka?", fragte mich sofort der Vater meines Schulkameraden, worauf ich mit ‚Gut' antwortete und er dann noch wissen wollte: „Sind die Kerle noch einmal aufgetaucht?", dabei blickte er mich über den Rand der Lesebrille die er trug an.
Natürlich sind sie das. „Nein, seitdem mir ihr Sohn aus der Klemme geholfen hat, gibt es keine Spur von ihnen.", log ich ihn direkt an, doch er schien es zu erkennen, dass ich nicht die Wahrheit sprach, denn er betrachtete mich mit einem grimmigen Blick. Oder er hat gerade in der Zeitung eine schlechte Nachricht gelesen.
Wenn ich kein Einhorn wäre, hätte ich ihm sofort alles erzählt. Hätte gesagt, dass sie hinter mir her waren und dass ich sie letztes Mal abschütteln konnte, doch wäre ich kein Einhorn, hätte ich sie vor ein paar Tagen auch nicht bemerkt.
„Das ist schön zu hören.", meinte er dann und widmete sich dann wieder seiner Zeitung, weswegen er seine Brille wieder zurück nach oben schob. Er blätterte um auf die nächste Seite, unser Gespräch war beendet.
Die Haushälterin kam zur Küchentür herein und fragte Francis' Vater: „Ist es in Ordnung, wenn ich mir noch schnell die Wunde an Tanakas Kopf ansehe?" Herr Saito nickte abwesend und Yoshiko trat auf meine linke Seite, um sich die genähte Wunde anzusehen.
Behutsam strich sie meine Haare zur Seite, bis sie die inzwischen verheilte Platzwunde gefunden hatte und sie sich ansah, während sie uns mitteilte: „Es ist wunderbar verheilt. Wir können die Fäden ziehen.", sie suchte in der Tasche die sie sofort mitgebracht hatte nach einer Schere, die sie bereits nach kurzer Zeit fand und sprach dann: „Das wird ein wenig ziepen, aber es ist gleich vorbei.", sie machte drei schnelle Schnitte und zog dann die abgeschnittenen Fäden heraus.
„So, das hätten wir.", sagte sie mehr zu sich selbst, verstaute dann wieder alles ordentlich, schnappte sich dann die Tasche vom Boden, stand auf und verließ kurz den Raum.
Francis wandte sich dann an mich: „Da fällt mir grad ein... Sag mal Tanaka, weshalb isst du eigentlich vegetarisch?", dabei sah er mich aufgeweckt an. Es schien ihm erst jetzt eingefallen zu sein, da das Abendessen bevor stand.
„Oh, ich vertrag Fleisch nicht so gut." Ich bin nämlich ein Einhorn, sagte ich ihm und erklärte ihm dann eine Geschichte, die sich ereignet hatte, kurz nach dem Zeitpunkt, von dem weg ich Erinnerungen hatte: „Es ist nicht so, dass ich es nicht probiert hab, aber das letzte Mal als ich Fleisch gegessen habe, wurde mir danach so elend, dass ich drei Tage das Bett hüten musste." Mich im Wald verstecken, korrigierte ich mich innerlich.
Mein Schulkamerad sah mich überrascht an und hakte dann nach: „Also keine ethische Einstellung?", dabei lehnte er sich zurück und stützte sich mit den Handflächen auf dem Boden ab, damit er nicht umkippen würde.
Es war mitunter eine Einstellung. Wieso sollte ich etwas essen, wenn meine Aufgabe war es zu beschützen? Das würde recht wenig Sinn machen. Trotzdem schüttelte ich den Kopf zur Antwort und fügte hinzu: „Nein, ich vertrag es nicht im Magen."
Yoshiko war inzwischen wieder zurückgekommen und begann für uns drei das Essen auf den Tisch zu bringen, wobei mir auffiel, dass sie sich gemerkt haben musste, dass ich kein Fleisch aß, denn anstatt des Fleischs lagen auf meinem Teller gebratene Tofuscheiben.
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✒ Ein Horn zum Verlieben
RomanceGejagt von einer Organisation namens Re'em, geplagt von lückenhaften Erinnerungen und gehänselt von einem Klassenkameraden - nicht gerade das, was man von einem Neuanfang erwartet, doch besser wird es nicht. Nabu, der sich mitte Schuljahr an einer S...