Entkommen

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Kapitel 11

Sie drohte in Ohnmacht zu fallen, sie drohte erneut in den Tod dahinzugleiten und war schon fast froh, als sich die Schmerzen weniger wurden und Platz für eine Art von Frieden machten, den sie schon einmal gespürt hatte. Vollkommenheit. Das war auch bei ihrem letzten Tod so gewesen und sie hatte sich gewünscht, dort in der Ewigkeit für immer verweilen zu können, anstatt in das Schmerzreiche Leben zurück zu müssen. Aber noch war sie nicht tot und dieses Ding würde nicht gewinnen.

>>Löse den Spiegel<<, erschien wieder die Stimme des Malus in ihren Kopf und Violet hatte keine Ahnung, warum sie es selbst jetzt noch hörte, wenn es nicht mal in der Nähe war. Und was es mit „Spiegel lösen" überhaupt meinte. Sie hatte auch gerade andere Probleme, um sich darüber Gedanken zu machen.

>>Benutze ihn!<< sagte es genauer und Violet versuchte sich in diesen Moment wieder hinein zu kämpfen, der ihr durch die Hände rieselte, weil ihr Geist so unbedingt wieder friedlich tot sein wollte. Sie sah wie die Symbole auf ihrer Haut deutlicher zu Tage traten, wie sie über ihre Haut wanderten und dann weiter zu Nicolas Hand. Diese Stimme, die nicht zu Nicolas gehörte, schrie, zuckte zurück und ließ sie fallen.

Violet sank an den Spiegel hinab und sah gerade noch wie das Buch, das Malus, sich wieder auf diese unheimliche Art und Weise auf Nicolas zu bewegte und gegen ihn knallte. Als würde jemand an einer Schnur ziehen. Für einen Augenblick wollte Violet aufschreien und das Buch von ihm wegziehen, aber da donnerte das Malus durch ihren Kopf.

>>Hungrig .So Hungrig und leer. Der Sammler weiß viel, er schmeckt köstlich. Ich kann ihn aussaugen, wenn meine Königin es befiehlt oder ich nehme nur eine ...Kopie. Ich bin so leer, habe meiner Königin alles gegeben. Muss mich füllen. << meinte es und klang dabei sowohl begierig als auch fragend. Violet hustete und massierte ihre überstrapazierten Halsmuskeln, während sie den Kopf schüttelte

„Tu ihm nichts!", bat sie das Malus und es stieß einen Laut aus, das wie ein trotziges Kind klang, dann aber schnurrte es.

>>Benutze den Spiegel. Benutze uns alle, wir gehören dir! Benutze uns!<< drängte es Violet weiter und während der besessene Nicolas noch mit den Buch kämpfte, das anscheinend wirklich nicht versuchte ihn zu „beschrieben" um seine Haut als Pergament zu benutzen, sondern eher etwas...aus ihn schmerzhaft herauszog, betrachtete Violet den Spiegel hinter sich.

Er war nicht hübsch. An vielen Stellen stumpf und an noch viel mehr so stark verschmutzt, dass man auch dort kaum etwas sehen konnte. Sie legte die Hand auf das Glas und spürte den Staub unter ihren Fingern und dann...glitt ihre Hand einfach hindurch.

Instinktiv dachte Violet an die vielen Märchen, die magische Spiegel beinhalteten. Von Schneewittchen bis hin zu Alice im Wunderland. Dazu kamen die alten Traditionen, wie dem Verhüllen der Spiegel im Haus, wenn jemand gestorben war. Die Deux Macina hatten viele Legenden geschaffen und dienten vielen Sagen und Mythen als Grundlage. Sie könnte durch den Spiegel entkommen, oder nicht? Doch wo würde sie landen? Im Wunderland wie Alice?

>>>#Lass uns gehen! Schnell! Fort! Er hat nicht lange genug gelebt, um mich zu füllen, gleich muss ich loslassen! Oh! Wie süß meine neue Schwester ist! So unerfahren, so böse, so voller Willen ihrem Erschaffer zu dienen. Auch gegen seinen Willen" Das letzte kicherte das Malus, als würde es ihn tatsächlich sehr erfreuen, dass dieses Ding von Nicolas Besitz ergriffen hat, um ihm zu „dienen".

Dann passierte es. Das Buch löste sich von Nicolas und landete Violet so heftig an der Brust, dass sie keuchte. Ozean blaue Augen starrten sie an, ohne den Hauch von Dunkelheit, den Nicolas ausmachte und Violet wusste, dass sie wirklich gehen musste. Sonst würde dieses Ding sie tatsächlich umbringen.

Mit dem Willen genau das zu tun, drückte sie fester gegen den Spiegel und fiel direkt hindurch um noch dabei zuzusehen wie dieses Ding, das Nicolas besaß, auf sie zukam und nach ihr griff, aber nichts weiter erwischte als Leere, während Violet im Spiegel verschwand. Und fiel.

Sie fiel in die Unendlichkeit, so schien es.

Das Malus fest an ihre Brust gedrückt, als könnte es sie von den unweigerlich Absturz bewahren, der ihr drohte. Es war hell um sie herum. Eine riesige Sonne schien neben ihr und wurde zu einem Mond, dann wieder zu einer grellen Sonne. Der Tag wurde zur Nacht. Dunkel zu hell und wieder zu dunkel, so wie sie es seit jeher kannte, nur schneller und ... falsch herum.

Sie wusste es, ohne es zu wissen. Sie wusste, dass es falsch herum war. Als würde man ein band rückwärts abspielen und mit jeder neuen Nacht, die anbrach, veränderte sich der Sternenhimmel um sie herum. Sie fiel, durch die Zeit und durch den Raum und landete in eisiger Kälte, allerdings ohne eine Landung zu spüren. Kein Aufschlag, kein Schmerz. Weil sie nicht gefallen war. Sie stand und war ... nicht mehr sie selbst.

Sie hatte das Malus in der Hand, das aber kein Buch mehr war, sondern eine Tafel aus Lehm und die Hände, die es hielten, waren nicht ihre eigenen. Sie lag nicht, war nicht gefallen. Denn die Person, die da stand und in dessen Körper sie jetzt war, war nicht durch einen Spiegel vor Nicolas geflohen. Violet war gefallen und zwar direkt in diese... Erinnerung. In dieser Geschichte, die einst passiert war und die nicht mehr war als ein Traum.

„Göttliche.", hörte sie eine Stimme hinter sich. Die Sprache war Violet fremd, die Worte kannte sie nicht aber ... sie verstand sie. Weil sie sie verstand. Sie war die Sprache der Person, in der sie hineingefallen war. Die Person, die das wirklich erlebt hatte. Es war ihre Erinnerung.

Sie drehte sich um und Violet sah durch ihre Augen einen jungen Mann mit dunkler Haut und ernsten Gesichtszügen. Seine goldenen Augen blitzen und Violet spürte, wie die Person, die sich gerade erinnerte, den Anblick dieser Augen liebte. Wie sie ihn liebte.

„Am großen Fluss sind einige kleine Stämme. Dort könnten wir Siedeln", sagte der Mann und die Frau, in dessen Körper Violet gerade war, sah sich um. Sanfte Wüsten Hügel, ein klarer Sternenhimmel und ein Vollmond zeichneten den Weg. Ganz in der Ferne sah man kleine Hütten aus Lehm und Schilf . Primitive Behausungen für primitive Bewohner. Für Menschen, die ihre Geschöpfe, ihre Vampire tranken, um zu leben und die sie wiederum brauchte, um sich selbst zu ernähren. Weil ihre eigenen Fangzähne zu klein waren und nicht durch menschliche Haut kamen. Weil sie selbst noch jung war. So wie bei Violet, die in diesen Moment verstand, dass diese Frau, dessen Erinnerung sie gerade erlebte, dessen Geschichte, so war wie sie. Und wie sie eins mit den Gedanken dieser Frau wurde, es miterlebte.

Sie betrachtete weiter den Mann für den sie liebe empfand und erinnerte sich das eine ihrer Schwestern ihr diesen Mann zur Seite gestellt hatte, der sie ernährte, der sie beschützte und in den sie sich bei ihrer langen Reise hier her verliebt hatte.

Das hier war der Ort, den ihr ihre Schwester beschrieben hatte. Der Ort der Gut war, um eine Herrschaft auszubauen. Ihre Herrschaft, weit weg von denen ihrer Mitschwestern, damit sie sich nicht gegenseitig erzürnten. Weil sie auch war, was ihre Schwestern waren: Eine Göttin, eine Königin. Und dieser Fluss dort, an dem würde sie ihr Reich aufbauen. Ihr Reich, das sie verehrte. Ägypten würde sie es nennen und über das sie tausende von Jahre herrschen würde, bis die Zeit gekommen war, diese Welt wieder zu verlassen.

Beta: noch nicht

Nicolas (Bd.2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt