Kapitel 26
Nicolas
Er schon seine Hand genau dorthin, wo Re dabei war, Violet das Herz mit diesem Dolch zu durchstoßen und zuckte nicht einmal zusammen, als die Klinge sich durch seine Haut, die Muskeln und Sehnen bohrte und am anderen Ende seiner Handfläche wieder herausdrang. Es erfüllte nämlich seinen Zweck und beschützte Violet vor schlimmeren Schäden. Er selbst hatte schlimmere Schmerzen erlebt und ohne eine Reaktion ausgehalten.
Er war jahrelang von einer Frau gefoltert worden, die es eigentlich auf seinen Erschaffer abgesehen hatte und hatte sich nie darüber beklagt, die Narben dieses Vorfalls für den Rest seiner Existenz auf der Haut zu tragen. Er hatte in all der Zeit der Folter weder Re noch sonst irgendjemanden von den erschaffenen Vampiren verraten und alles, was er dafür je verlangt hatte, war, dass man ihm Ruhe ließ. Vielleicht wäre Violet überrascht, wenn sie erfuhr, dass er den Wunsch danach, sich einfach aus allem heraushalten zu können, nachvollziehen konnte. Warum sonst hätte er sich in seine Verstecke zurückziehen sollen?
Er wollte diese Welt ebenso nicht wie sie. Sie war grausam, brutal und absolut unfair. Es ging nicht darum, das Böse zu besiegen, wie es so oft in Filmen und Büchern angepriesen wurde. Es ging darum, das Gute nicht komplett aussterben zu lassen. Denn die Welt bestand in seiner Grundlagen nicht aus Licht, sondern aus Dunkelheit und jeder versuchte die kleine einsame Kerze in der Finsternis mit seinen bloßen Händen zu verteidigen, während andere sich einen Spaß daraus machten, sie zum Erlöschen zu bringen.
Violet war so eine Kerze, denn trotz all der Schmerzen, die die Vampirin ihn damals zugefügt hatte und der unerschütterlichen Treue, die er jede Sekunde gegenüber Re demonstriert hatte, hatte er seine Peinigerin dennoch verstanden. Ihre Beweggründe, ihre Verzweiflung und ihre Hilflosigkeit. Sie hatte zugesehen, wie ihre Familie von Res Anhängern ermordet worden waren. Männer, Frauen, Kinder. Gegenüber geborenen Vampiren hatte nie jemand Gnade gezeigt. Sie töteten dich einfach nur, weil du als das geboren wurdest, was du nun mal bist. Ob du Schuld auf dich geladen hattest oder nicht, für Verbrechen von denen die meisten geboren nicht einmal etwas gewusst hatten, geschweige den begangen hatten.
Nicolas hatte neutral sein wollen und wurde doch in diesen Konflikt mit hineingezogen. Weil es keine wirkliche Neutralität gab. Es war an der Zeit klar Stellung zu beziehen und wenn es bedeutete sich gegen den Mann zu stellen, den er immer am meisten respektiert hatte, das war es eben so.
Die Schneide steckte in seiner Hand und er sah Re direkt in die Augen, der mit einem bedrohlichen Zischen, die Zähne in Nicolas Richtung bleckte.
„Ich habe dich getötet", fauchte er und Nicolas zuckte mit den Schultern.
„Ich sterbe erst, wenn sie es zulässt. Die Frage ist: Tut deine Königin das auch", erwiderte er, drehte sich ihm stand, zog das Messer aus seiner Hand und versuchte nun Re damit die Kehle aufzuschlitzen, verfehlte ihn aber um Haaresbreite. Er war verflucht schnell, weil er so unfassbar Alt war und Nicolas ahnte, dass er nicht die Kraft haben würde ihn umzubringen.
„Du hast den Sinn unserer Sache nie verstanden", warf ihm Re vor und Nicolas zuckte wieder mit den Schultern, hielt diesen Dolch in der Hand, während er sich vor Violet stellte, die immer noch mit der Kraft in sich rang, als hätte man sie in ein Kostüm gesteckt, in dem sie sich noch nicht bewegen konnte.
„Ich hab ihn besser verstanden als ihr selbst. Ihr habt ein Unrecht bekämpft und seid dabei selbst von der Macht korrumpiert worden. Alles, was ihr danach getan habt, tut ihr aus blanker Furcht davor diese Macht wieder zu verlieren. Aber ihr merkt, dass sie euch langsam aus den Händen gleitet, dass sich widerstand, formt. Erschaffene Vampire verschonen geborene, helfen ihnen sogar, eure Einflussgebiete fallen jedes Mal aufs neue in sich zusammen. Der Traum von einer strickten Hierarchie und der Versuch, diese in den zersplitterten Haufen hineinzubringen, der unsere Rasse jetzt ist: Den hatten du und deinesgleichen doch schon lange. Und das hier war nicht euer erster Versuch, es durchzusetzen. Doch ihr seid nicht dazu bestimmt, die Vampire zu regieren. Das ist der Unterschied zwischen euch Rebellionsführern und den Königinnen. Sie sind dazu geboren zu herrschen. Ihr nicht."
Der Kiefer seines Erschaffers mahlte unzufrieden und Nicolas kannte Re lange genug, um zu wissen, dass er kurz davor war, wirklich die Beherrschung zu verlieren. Wenn sein Erschaffer eines nie verkraften konnte, dann Kritik an ihn. Deswegen war es nicht überraschend, als er seinerseits angriff und versuchte in einer schnellen Abfolge von Bewegungen Nicolas erneut den Kopf anzureißen, doch während Violet wegen ihrer Jugend Probleme damit hatte, schon mit ihren gewöhnlichen Vampirkräfte umzugehen, war Nicolas geübter darin und konnte auch seine neuen Kräfte besser einsetzen.
Schläge, die er nicht parieren oder ausweichen konnte, blockte er mit den Flammen ab, die er inzwischen ziemlich gut beherrschte und nutzte sie auch, um seine eigenen Angriffe zu verschärfen. Zudem war da noch der Dolch in Nicolas Hand, bei dem Re aufpassen musste, nicht von ihm geschnitten zu werden. Ein Treffer mit ihm und Re würde sterben. Niemand konnte dieser Deux-Macina etwas entgegensetzen, selbst Königinnen überlebten ihn unter gewissen Umständen nicht. Zum Beispiel, wenn sie so jung waren wie Violet. Für sie war dieses Ding, brandgefährlich, aber er...Nicolas spürte wie so etwas wie Gift sich in seinen Blutkreislauf ausbreitete. Etwas pechschwarzes nagendes, von dort ausgehend, wo der Dolch seine Hand durchbohrt hatte, aber es wurde schwächer, als wäre er immun gegen diesen Dolch.
Re traf mit seinen Fingernägeln Nicolas Wange und Blut sickerte zwischen seiner aufgerissenen Haut davor. Doch das verschaffte Nicolas die Möglichkeit seine eigene Faust gegen Res Oberkörper zu Trümmern, ihn das Brustbein fast komplett zu pulverisieren und eine Wellte von Feuer hinterherzuschicken.
Re heulte auf, schrie und nutzte seine Schnelligkeit, um so viel wie möglich Abstand zwischen sich und Nicolas zu bringen und aus der Reichweite des Feuerballes zu springen, den Nicolas nachfolgen ließ. Hätte dieser ihn getroffen, wäre Re nur noch ein Haufen Asche.
Sein Erschaffer sah Nicolas eine Weile an, als könnte er nicht glauben, dass es Nicolas tatsächlich fast geschafft hätte ihn umzubringen und mit einem letzten Blick auf Violet... floh er.
Nicolas wollte ihm folgen, aber da vernahmen seine Sinne neben dem Kampfgeschehen das leise Wimmern seiner Schwester, irgendwo im Haus und er beschloss das Res Tod warten konnte. Erst einmal musste er Violet von hier fortschaffen und die Verluste verarbeiten, die dieser Kampf sie gekostet hatte. Denn das Wehklagen seiner Schwester, war das Wehklagen einer Frau, die gerade ihren Mann verloren hatte oder dabei war es zu tun. Und er ahnte, dass ihm die Zeit wegrannte, um seinen Schwanger zu retten.
Dennoch wollte sein Instinkt Re folgen und ihn erledigen. Denn er wusste, dass man diesen Mann keine Zeit einräumen durfte, um sich etwas zu überlegen, wie er Violet doch noch vernichten konnte. Die Wahl zwischen zwei Übeln, aber dennoch fiel sie ihm leicht. Denn Rache würde bei ihm immer hinter den Individuen anstehen, die ihm wichtig war. Und Sofia und Björn waren ihm sehr wichtig.
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Nicolas (Bd.2)
Vampire(Update jeden Dienstag) Nicolas ist dem Wahnsinn verfallen und trauert um Violet ohne wirklich wahrhaben zu wollen, dass sie tatsächlich Tot sein soll. Als eine mysteriöse Frau, die große Ähnlichkeiten mit Violet hat, auftaucht und ihm verspricht si...