Die Bar

977 102 3
                                    

Kapitel 30

Nicolas

Zu behaupten, Violets Worte würden Nicolas den Boden unter den Füßen wegziehen war eine Untertreibung und dennoch sagte ihm der rationale Teil seines Verstandes, dass sie recht hatte. Er konnte Violet nicht lieben, nicht so wie sie es sich zumindest erhoffte und wünschte. Seine Gefühle für sie waren angefühlt von Besitzgier und Habsucht und nur wenig mit Zärtlichkeit und Verständnis, obwohl Nicolas sehr wohl der Meinung war, dass er solche Moment hatte.

Doch von jemanden wie ihm ein solch fast unschuldige Vorstellung von Liebe, zu verlangen war auch mehr als naiv und Nicolas war fast stolz darauf, dass Violet sich dem scheinbar sehr wohl bewusst war. Er war zu alt, hatte zu viel gesehen, war teilweise zu verroht um weniger zu empfinden als das, was er empfand. Den Liebe, war bei weitem nicht so starkes Gefühl, als er es jetzt gerade empfand.

Das mag nach Violets Definition keine Liebe entsprechen, aber sie war die Art von Liebe, zu der in der Lage war. Etwas anderes konnte er ihr nicht bieten. Wenn sie eine romantische Liebschaft haben wollte, war sie bei ihm verkehrt und würde damit leben müssen, es nie zu bekommen. Violet hatte auch keine andere Möglichkeit. Sie gehörte ihm und er würde sie definitiv behalten, egal ob sie das wollte oder nicht. Nicolas würde niemals akzeptieren, dass sie sich einem anderen Mann zuwandte.

Doch für den Moment schien es ihm klüger, das erst einmal für sich behalten. Sie war eine Königin, die Macht, die sie in sich trug, könnte ihm sicherlich gefährlich werden und noch hielten ihre eigenen Gefühle sie davon ab, sich wirklich gegen ihn zu wehren. Er durfte sie nicht in eine Ecke drängen. Also akzeptierte er, dass Violet bei seiner Schwester am Wagen blieb und er sich alleine in dieser Örtlichkeit um Zimmer kümmern musste. Dabei widerstrebte es ihm zutiefst diese junge Königin aus den Augen zu lassen und hatte keine Ahnung, wie die Geborenen in diesem abgelegenen Teil der Welt auf ihn reagieren würden.

Er war vor einigen Jahrzehnten auf diesen Ort aufmerksam gemacht worden und wusste, dass dies hier einer der wenigen Enklaven für geborenen Vampire war, die auf dieser Seite des Planeten noch existierten. Auch, wenn sie versuchten sich als Menschen auszugeben.

Mit der Bereitschaft, sich jederzeit in einem Kampf wiederzufinden, weil er sich gut vorstellen konnte, dass diese Vampire erst angriffen und dann Fragen stellten, öffnete Nicolas die Tür und fand sich in einem altmodischen Gasthof wieder, der wie aus der Zeit gefallen schien.

Alte, knochige Möbel, verrauchte Luft, abgewetzte Bezüge auf den Bänken und wenigen Polsterstühlen. An der niedrigen Baar saßen zwei ältere Männer. Menschen, aber als sie auf Nicolas aufmerksam wurden, sah er Erkenntnis in ihren Augen aufblitzen.

Während der Rest der Welt jetzt erst anfing, die Existenz der Vampire überhaupt zu realisieren, da die zahlreichen Überfälle auf Menschen kaum noch zu vertuschen waren, war dieses Wissen in einigen Bevölkerungsgruppen schon seit Generationen vorhanden. Alte Legenden, Mysterien hatte es zu jeder Zeit auf der ganzen Welt gegeben, doch nun nachdem Re und seine Anhänger sich dazu entschlossen hatten, die Geheimhaltungsgrundsätze zu streichen, war alles ein wenig außer Kontrolle geraten. Das Chaos der Vampirwelt schlug auf die der Menschen über.

Diese Menschen hier wussten, was Nicolas war, weil die Geborenen sich unter ihnen versteckten und diese Menschen sie als ihresgleichen ansahen.

Er sah sich scheinbar unbeeindruckt im Gasthaus um und eindeckte in der hinteren Ecke einen Mann, der Nicolas ganz offen misstrauisch musterte und dann zu dem Barkeeper sah, der erstaunlich lange bereits ein Glas polierte.

Nicolas fiel auf. Nicht nur, weil er ein fremder Vampir war, sondern weil er mit seiner maßgeschneiderten Hose, dem Hemd und der Weste, deutlich von der eher lässigen Kleidung der anderen Unterschied. Obwohl er sich persönlich eher ramponiert vorkam, nach dem kurzen Schlagabtausch mit seinem Erschaffer. In Gegensatz zu diesen Leuten hier, war er geradezu prächtig gekleidet.

„Kann ich etwas für Sie tun?", fragte der Barkeeper offen skeptisch und Nicolas grinste lediglich und präsentierte damit seine Fänge, damit keine Zweifel an seiner Art aufkam. Und an

„Allerdings. Ich brauche zwei Zimmer und dann will ich mit demjenigen sprechen, der hier das Sagen hat."

„Ach ja und warum?", fragte der Barkeeper wenig beeindruckt, weder von seinen Fängen, noch von seinen Wünschen. Nicolas wog in Gedanken die Vor- und Nachteile ab, sich hier und jetzt Respekt zu verschaffen und kam schnell dazu diesen Abschaum von Anfang klarzumachen, mit wem sie es zu tun hatten.

Noch eher der Barkeeper reagieren konnte, stand Nicolas vor ihm, packte ihn am Hals und drückte seinen Schädel gegen das polierte Holze der Theke. Die beiden Menschen neben ihm sprangen zur Seite, der Vampir-Barkeeper zischte ihm mit seinen Fängen an, als könnte das Nicolas von irgendetwas abhalten. Das überraschte Nicolas dann doch. Er hatte ihn tatsächlich für ein Menschen gehalten.

Dennoch: Der Barkeeper war kaum ein Jahrhundert alt und selbst ohne seine königlichen Fähigkeiten, wäre Nicolas dazu in der Lage gewesen, ihm den Kopf abzureißen. Geborene Vampire waren von Natur aus schwächer als Erschaffene, zumindest so lange sie keinen Gefährten an ihrer Seite hatten. Dann würde ihr Machtzuwachs zwar immer noch langsam vonstattengehen, doch das Potenzial war geradezu grenzenlos, während die Erschaffenen nach kurzer Zeit den Zenit ihrer Macht erreichten und dann darauf verharrten. Sie bekamen ihre Macht durch das Blut ihres Erschaffers: Schnell und in einem Schub, besaßen aber nur selbst wenig, was da noch eine Steigerung verursachen könnte. Und wenn benötigte Jahrtausende.

Außer bei ihm. Außer Nicolas. Denn obwohl er ein erschaffener Vampir war, hatte er sich quasi mit einer Königin vermählt und das Ausmaß seiner Macht konnte er bis jetzt selbst nur grob abschätzen. Momentan war er sogar stärker als Violet, weil sie einfach zu unerfahren war, um ihre Macht kontrollieren zu können, während er nur wenig Übung bedurft hatte.

Dieser Barkeeper aber war ledig. Ledig und jung. Kaum mächtiger als ein Mensch. Doch der andere Vampir, der aus dem Schatten, war beides nicht und so spürte Nicolas die Bedrohung erst, als er an der Schulter gepackt und zurückgeschleudert wurde. Er krachte gegen die Holzvertäfelung und wicht den nächsten Schlag des Vampirs aus, dessen Faust sich durch das Holz und weiter tief in die Mauer bohrte, bevor sie zum Halten kam.

Kurz übermannte Nicolas der Wunsch diesem Mistkerl den Kopf abzureißen, aber das hier sollten eigentlich seine neuen Verbündeten sein und er brauchte sie. Also hob er lediglich eine Hand und ließ eine Flamme darin erscheinen, die den stärkeren Vampir zurückweichen ließ.

„Sklave!", spuckte der Vampir aus den Schatten und Nicolas legte den Kopf schräg und lächelte weiter.

„Mein Herr und Meister, genügt. Von mir aus auch Prinz-Gemahl, aber 'König' ist mir am liebsten."

Der Vampir runzelte verwirrt die Stirn und eine Frau kam aus dem Nebenzimmer gelaufen. Eine Vampirin und sich stellte sich zur Verteidigung neben ihren Gefährten. Nicolas spürte die Verbindung der beiden wie Spinnenbeine auf seiner Haut kribbeln.

„Gallen? Geht es dir gut?" fragte sie und sah Nicolas auf verengten Augen an. Ihr Mann nickte nur und beide waren so sehr auf Nicolas und die Flammen in seiner Hand fixiert, dass sie nicht mitbekamen, wie ihre Königin den Raum betrat. Aber als sie drinnen stand, drehten sich alle vampirische Kämpfe zu ihr herum, als hätte man an ihren Fäden gezogen. Wie Drohnen, die um ihre Königin herumschwirrten, sobald sie einen Stock betrat. Vielleicht hatte sich Nicolas mit seiner Aktion etwas unbeliebt gemacht, aber Violets pure Anwesenheit würde das alles wieder ausgleichen. Da war er sich sicher. Sie war die Königin und geborene Vampire verspürten eine instinktive Verbindung zu ihr.

Nicolas (Bd.2)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt