2 | My Luci(fer) is Lonely

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mit @LonelyArktis

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Lonely, I'm Mrs. Lonely
I have nobody for my own
- Bobby Vinton -

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꧁ Luci ꧂



Stimmen im Kopf.
Hat nicht jeder diese Stimme im Kopf?

Sie klingt so ähnlich wie die eigene Stimme und spricht zu einem. Manchmal rational und überlegt, wie das Engelchen, die Stimme der Vernunft, die dich auf den rechten Weg leitet - wie langweilig - andere Male wie das Teufelchen auf der linken Schulter: so verlockend betörend und falsch.
Sind es dementsprechend zwei Stimmen? Die gute und die schlechte?

Da lag sie.
Die junge Frau, kaum mehr als ein Mädchen, mit den strähnigen blonden Fransen, die ihr wild ins Gesicht hingen, auf dem breiten Bett in diesem heruntergekommenen, kleinen Zimmer, mehr eine Abstellkammer.
Und ihre Seele sollte so besonders sein?
Eher schien es, als sei sie der letzte Abschaum des menschlichen Geschlechts. Abschaum, den der klare Verstand verlassen hatte, so wirr wie sie den Kopf herum warf, irr vor sich hin starrte, als sehe sie Erscheinungen, Gestalten, Bilder, die nur für sie sichtbar waren. 

Luci, du bist nicht verrückt.
War sie das nicht?
Aber vielleicht solltest du mal mit jemand anderem reden.
Die Stimme. Sie klang so nett, schleimig nett.
Warum sollte jemand freundlich zu ihr sein?
Dieser abfällige Ton auf der anderen Seite, einem den Lebensmut entziehend. Die Zweifel hatten Recht, sie hatte Liebenswürdigkeit nicht verdient.

Wenn sie sich die Verkörperung ihrer Fantasieprodukte vorstellte, sah sie das Teufelchen eine Unschuldsmiene ziehen, den Engel finster funkeln und beleidigt die Arme verschränken.

Ach, komm schon Luci, du weißt es besser. Hör nicht auf den.

Sie wusste es besser: Es gab niemanden. Niemand auf dieser gottverlassenen Welt kam freiwillig in ihre Nähe. Allein, allein.
Und wer ist daran Schuld? Du hättest auf mich hören sollen. 

So charmant Engelchen, so charmant.
Nicht einmal der Engel auf ihrer Schulter hatte Erbarmen mit ihrem armen Kopf. Wann würde es endlich still sein? 

Grabesstille.

LUCI! Das Thema hatten wir schon. Nicht an sowas denken, nicht gut!

Verdammt, sie wollte ihrem Engel einen Schuss in den Kopf geben, gefolgt von ihrem eigenen. Wie konnte ein Hirngespinst so lästig sein?
Vor allem, wie sie mit ihr sprach: Luci nicht gut, braves Mädchen...ihre Imagination behandelte sie wie einen Hund, nicht besser als Dreck.

Fast könnte man Mitleid mit ihr haben, wie sie da lag, im Dunkeln, malträtiert von ihrem eigenen zerbrochenen Geist. Aber wenn Dämonen Mitleid hätten, dann wären sie ohne Arbeit, ohne Schmaus, ohne Vergnügen – ohne Lebensinhalt.
Die Geister, die sie rief, nahmen ihm die Mühen ab, folterten das arme Geschöpf, brachten es an den Rand der Verzweiflung.
Keinen Finger würde er krümmen, nur zuschauen, sich an ihrem Anblick erfreuen, abwarten, bis sie von selbst von der Klippe des Wahnsinns sprang.

Luci schloss die Augen, hieß die Schwärze willkommen und atmete tief ein. Blind tatschte ihre Hand auf dem kleinen Schränkchen neben dem Bett, auf welchem sie flach lag, bis ihre Fingerspitzen gegen Plastik stießen.

Alle Anzeichen waren da, sie war auf dem besten Weg, verrückt zu werden. Roger hatte Recht behalten, sie MUSSTE die Pillen schlucken, die er ihr gegeben hatte. Es war nur zu ihrem Besten.

Mit einem Ploppen klappte sie die Öffnungen alle in Folge auf und ließ die Pillen in ihren Mund fallen. Manche trafen sie, andere fielen zwischen die Polster und Laken des Bettes. 

Ein Himmelbett zum Träumen in einem Kabuff, das zum Fürchten war. Keine Fenster, kein Licht, kein gar nichts. Nicht einmal ihre geliebten Bücher hatte man ihr gelassen.

Du hättest auf mich hören sollen, Luci. Du musst lieb sein. Du musst nichts Böses denken. Du musst nur liebenswürdig sein und Roger um Entschuldigung bitten.

Vielleicht sollte sie das wirklich tun. Er hielt sie aus, sein Ring steckte an ihrem Finger und sie bekam ihn nicht ab. Das musste ein Zeichen sein, ein überirdisches Zeichen.

Ein schräges Kichern riss sie aus den Gedanken. Die Nackenhaare stellten sich auf, dabei war sie allein in dem Zimmer. Nur die tanzenden Flämmchen der Kerzen malten Schattenwesen.

Luci, erinnerst du dich an das, worüber wir geredet haben? Wieso versuchst du es nicht? Willst du es ihnen so leicht machen? Ohne dich zu wehren? Wie ein Tier haben sie dich behandelt! Und wo bist du jetzt? Ganz allein.

"Hör auf, hör auf, hör auf!", flehte sie mit gebrochener Stimme in ein Kissen, bloß damit man ihre Stimme nicht hörte.
Du bist ganz alleine Luci.

Verzweifelt warf sie den Kopf hin und her, versuchte die Hirngespinste zum Schweigen zu bringen, aber es half nichts. Stattdessen wurden sie eindringlicher, pochten auf Handlung. Die betörenden, verführenden Worte eines Dämons wären an dieser Stelle nicht effektiver. Die Stimmen leisteten ganze Arbeit, brachten sie an den Punkt, an dem der stille Beobachter sie haben wollte.

Tue es Luci. Versuch es einfach mal. Wovor hast du Angst? Es kann nur besser werden.

Sie stand auf, platzierte die nackten Füße auf dem Boden. Alles drehte sich, ihr war schummrig und die nutzlosen Beine so wacklig als hätten sie vergessen, wozu sie existierten. Vielleicht hatten sie das. Wann war sie das letzte Mal aufgestanden? Das weiße Spitzennachthemd war das gleiche wie immer. Was war heute für ein Tag? Ihre Arme waren so dünn.

Blinzelnd erhob Luci sich, lief zur Kommode und griff nach der Kerze. Zurück zum Bett schaffte sie es nicht. Sie ließ sich auf den Fußboden sinken, in den Schneidersitz, die Kerze vor sich als sei sie der größte Schatz.
„Wunderschön", flüsterte sie andächtig und fasste idiotisch mit den Fingern nach der Flamme. Eine einzelne Träne rann ihre Wange hinunter. „Wieso tust du mir weh?", wisperte sie tief traurig.

Luci, Blut! Denk an das Blut.
Rot ist so eine ansprechende, kräftige Farbe.

Man hatte ihr keine spitzen Gegenstände gelassen. Nicht einmal ein Rasierapparat.

Der Geschmack von Blut bereitete sich in ihren Mund aus, die Zähne färbten sich rot, als sie sich in dem weichen Fleisch ihres Armes versenkten. Höllische Schmerzen und gleichzeitig das Gefühl, nicht tot zu sein. Dieses Pochen an der verwundeten Stelle, das Rauschen in den Ohren. Sie fühlte sich lebendiger denn je. Ihre Zunge schoss hervor und leckte das restliche Blut von den Lippen.
„Teufel? Ich möchte dich einladen, zu mir", sprach sie. Nicht mehr als ein Wispern.

Blut tropfte von ihrem Arm in die Flammen der Kerze, auf den Boden, auf sie.Monster, hörte sie den Engel ganz, ganz leise im Hinterkopf.

„Luzifer, Dämon, Lazarus, sei mein Freund. Komm zu mir."Es passierte nichts, kein Rauch, keine Hitze, kein gar nichts.Eine Welle der Frustration drohte sie zu verschlucken.

Mach' ihm ein Willkommensgeschenk, biete ihm etwas an!

Luci nickte sachte. „Hab keine Angst, ich gebe dir was du möchtest. Bitte komm."

Nachts sind alle Katzen grau. Nachts sind alle Männer Schatten.

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***Welche Gegenleistung würdet ihr euch für einen Pakt mit einem Dämon aussuchen?***

***Wenn euch die Geschichte gefällt, freuen wir uns über Kommentare und Votes!***

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