62 | Göttliche Fügung

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mit LonelyArktis


Im falschen Körper, barfuß, ohne Stand, nie wieder in Spiegeln schauen und beraubt um alle Designerschuhe. Gab es etwas Schlimmeres? Wenn es im Leben einen richtigen Zeitpunkt zum Sterben gab, dann jetzt. Verraten von allen drei Männern, die sie geliebt hatte und für was?

Sie wollte schmollen, Sachen werfen, die in einem Glassplitterregen, laut wie tausend funkelnde Hagelkörner, auf die Erde prasselten, schreien und sich dem Selbstmitleid hingeben. Minderwertigkeitskomplexe – Hallo!

Stattdessen streckte sie die Arme nach dem Bein in ihrem Sichtfeld aus, klammerte sich fest daran. Die erste Amtshandlung ließ sie Rotze in das Hosenbein schmieren – Wenn sie ihm schon nicht ans Bein pissen konnte, dann musste das reichen. „Wieso tust du mir das an?" Nicht dass sie eine Antwort, geschweige denn eine zufriedenstellende erwartete.

Egal, wie sehr Mona sich über den Tausch aufregte, wie sehr sie es verabscheute, jetzt war er K, er war der große Fürst, der Fährmann der Unterwelt – und er wollte Mona an seiner Seite, in welchem Körper war ihm herzlich egal. „Das..." Die Augen des echten Ks weiteten sich, als er an seinem Körper hinab sah. Noch immer ein starker, kräftiger Körper, aber ganz klar nicht seiner. Die Hand ging automatisch zu der Naht am Hals, der Blick zum Spiegel, in dem er sich selbst entgegen blickte, jedoch waren es nicht seine blutroten Augen, sondern stahlgraue.

Ruckartig wandte er den Kopf zu dem Mann in dem anderen Kreis, am ganzen Körper zitternd. „Du...kleiner Bastard", zischte er, die Fäuste geballt, die kurz geschnittenen, manikürten Nägel schnitten in das weiche Fleisch der Handinnenseiten, die Zähne machten ein hässliches, knirschendes Geräusch. „Ich bring' dich um! Mach' das sofort rückgängig!" Er konnte es einfach nicht glauben. Er konnte nicht glauben, dass ein kleiner, schwacher Praktikant, eine machtlose Seele, ihn ausgetrickst hatte, wie einen dummen Schuljungen. Zugegeben war er in letzter Zeit etwas abgelenkt gewesen. Unwillkürlich ging sein Blick zu der Frau neben ihm. Monas Körper ganz offensichtlich, ihre langen, glatten schwarzen Haare, die wie Seide über den zierlichen Rücken fielen, hohe exklusive Schuhe, ein freizügiges Outfit, das mehr preisgab als es verbarg. Dass es nicht Mona war, sondern Luci, Lucis Seele, wusste er sofort. Es war ein Wissen, wie nur er es hatte, die absolute Sicherheit, dass sie die Frau war, die er seit tausenden von Jahren liebte, egal in welcher Gestalt.

Sie war seine Achillesferse, aber auch sein Grund zu leben. Und dieser Frau wollte er etwas bieten. „Du machst das jetzt sofort rückgängig, Hun..." Der abnormale Schmerz schoss durch seinen Körper wie tausende von Messerstiche, Feuer, das ihn innerlich verbrannte. Sein Mageninhalt stieg ätzend seine Speiseröhre hinauf, das drängende, widerliche Verlangen sich zu übergeben bahnte sich seinen weg und krampfend sank er zu Boden, krümmte und wendete sich in unerträglichem Schmerz. „Oder was? Was willst du tun, oh, großer Kharon?", kam es höhnisch von Hunter, auf dessen Gesicht sich ein wölfisches Grinsen breit machte. Gemessenen Schrittes ging er auf den am Boden knienden Mann zu, genoss jeden Moment seiner Machtergreifung. „Ich bin jetzt der Boss hier", zischte er, die Spitzen der polierten Lederschuhe nur Zentimeter von dessen Gesicht entfernt. „Und du....du bist nur noch ein Fußabtreter. Ich werde..." „Kharon!" Die Tür schwang geräuschvoll auf, gab die Sicht frei auf die Silhouette eines Mannes, der im Türrahmen stand.

Verstärkt durch den verdunkelten Raum erhellte die Beleuchtung vom Flur die Gestalt und einen Moment kam es den Anwesenden so vor, als sei er in Licht gebadet, einen gleißend hellen Heiligenschein über dem Kopf. Erst als der Mann einen Schritt hinein machte, raus aus dem blendenden Gegenlicht, erkannten sie die Figur: es war Peter. „Kharon, ich wollte...dir....etwas....vorschlagen...." Seine Worte starben auf seinen Lippen, während seine Augen durch den Raum huschten, sein Gehirn versuchte aus dem, was er sah einen Sinn zu ziehen. Die Zeichnungen am Boden identifizierte er als Teil irgendeines dunklen, komplizierten Zauberrituals, nichts besonderes hier unten. Auch der auf den harten Dielen zusammengekrümmte Hunter, über dem drohend die Gestalt von K aufragte, war nichts ungewöhnliches. Aber der entzückte, überdrehte Blick von Mona, der verstörte von dem blonden Mädchen, das aussah, als sei gerade ihre Welt zusammengebrochen und M, der verwirrt vor dem Schreibtisch stand, machten ihn stutzig. Wieder schaute er zurück zu Kharon. Und dann spürte er es.

Mit wenigen Schritten war er bei dem großen Mann, sah ihm in die roten Augen, ohne etwas zu sagen, fixierte ihn. Hunter blieb still, obwohl er wegtreten wollte, den anderen von sich stoßen, irgendwas. Aber es ging nicht. Er war wie festgefroren. Der himmelblaue Blick, der alles zu sehen schien, drang in ihn ein, sah bis auf den Grund seiner Seele. Und dann formte sich ein Lächeln auf Peters Lippen. Ein Lächeln, offen und breit, wie das eines Kindes, dem man seine Lieblingssüßigkeit in die Hand drückte. „Du bist nicht Kharon." Die Feststellung war leise und ruhig gesprochen, ohne jede Aggressivität, als habe er soeben gesagt, dass heute Dienstag sei. Er streckte die Hand aus, kleiner als die von Hunter, mit kräftigen Fingen, und strich ihm eine schwarze Strähne aus der Stirn. Peter war nicht auf dessen Augenhöhe und dennoch vermochte der andere nicht, sich zu regen, stand wie erstarrt, unfähig auch nur einen Muskel zu bewegen.

„Die Seele ist eine andere. Die magische Kraft des Körpers ist die gleiche, der Körper eines Dämonenfürsten nach wie vor – aber die Magie der Seele ist nur ein Bruchteil. Ein Witz." Ein verächtliches Schnauben entwich ihm, als er die Hand brüsk zurück zog und einen Schritt von dem Mann weg trat. „Das ändert natürlich die Situation." Er zuckte mit den Schultern. „Eigentlich wollte ich Kharon um Hilfe bitten, meinen alten Job zurückzubekommen." Langsam setzte er sich in Bewegung, ging auf den großen Schreibtisch aus edel geschnitztem Kirschholz zu – Ks Schreibtisch. Die ledernen Stiefel machten kein Geräusch so als schwebe er über den Boden und Hunter konnte nichts anderes tun, als ihm hilflos zuzusehen. Von Peter ging eine Macht aus, die sich wie Blei auf seine Glieder legte, eine Macht, der er sich zu beugen hatte, größer noch als die des mächtigen Fährmanns selbst. Was war der Wächter des Styx verglichen mit dem der heiligen Pforte? Peter strich über die glatte Oberfläche des imposanten Möbelstückes, fuhr über das kalte Leder des Stuhls, der dahinter stand.

„Ich denke....das ist jetzt mein Stuhl", sagte er gut gelaunt, ließ sich in das weiche Polster fallen, lehnte sich vor, die Ellbogen auf den Tisch gestützt und faltete die Hände. Bedeutungsvoll sah er die anwesenden Personen an. „Also. Ich denke, hier unten ist ganz dringend eine Reform nötig. Wo sollen wir anfangen?"


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Jedem Ende wohnt ein Anfang inne.

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