12 | Die Gefangene des Fährmanns

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mit LonelyArktis

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Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten?
Sie fliehen vorbei
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen
Es bleibet dabei: die Gedanken sind frei
- Konstantin Wecker -

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✢ Kharon ✢


Lächelnd schaute er zu dem zarten Vögelchen, das er mühelos in seinen Armen trug, während er das große gusseiserne Tor durchquerte. Er schritt auf dem breiten Weg zum großen, grauen Gebäude, dessen viele Türmchen in die Höhe ragten und von dessen steinernen Vorsprüngen allerlei grausiger Kreaturen aus Eisen auf sie hinunterschauten. Es waren Nachbildungen der verschiedenen Dämonen, die das Schloss, oder die Burg, oder was auch immer das war, bewohnten und die sie mit ihren kalten, ausdruckslosen Augen zu verfolgen schienen, als seien sie lebendig.
K schenkte ihnen keine Beachtung, kannte er doch alle diese Kreaturen in Fleisch und Blut, und sie alle standen unter ihm - sie alle hatten Angst vor ihm.

Geradeaus, Links, Links, Rechts, die Zweite... Luci versuchte sich den Weg zu merken, aber ihr Verstand war zu doof dafür oder K zu schnell.

Er hielt sie wie ein Vögelchen in seinem Arm - oder eine Katze, eine bissige Katze.
Aber das war ihm egal, zumindest war es jetzt sein Vögelchen, sein Kätzchen, das war alles, was zählte.

"Ich will das Fegefeuer sehen. Kann ich sehen, wie sie in die Verdammnis gehen?", bat Luci direkt in sein Ohr gesprochen.
"M sagt er hat sie umgebracht, ich will es sehen."
Sicherheit das war ihr Begehren. Erst wenn sie es mit eigenen Augen sah konnte Luci glauben und sehen wie die Dämonen ihres Lebens litten.

Er wusste nicht, vom wem sie sprach, aber er würde es heraus finden.
Er würde es heraus finden und diese Seelen, denen seine Luci die Verdammnis wünschte, höchstpersönlich ins Fegefeuer bringen. „Wir können sie zusammen hinbringen, Prinzessin", erwiderte er sanft, genoss ihre flüsternde Stimme so nah an seinem Ohr.

Lüge - keine Lüge.
Er lügt mich an, er lügt mich nicht an. Er lügt mich an, er lügt mich nicht an.
Mit jedem langen Schritt den er machte spielte Luci den kindlichen Abzählreim. In ihren Fingern war keine Blume, die sie rupfen könnte und an seinen Haaren zog sie lieber nicht. Neugierig wanderten ihre Augen zu seiner Frisur. Hatte er auch Hörner, versteckt zwischen den Haaren?

Er lügt mich an, er lügt mich nicht an.
Er log nicht, weil...
Weil er so oder so stärker war als sie. Wozu sollte er? Wenn er sie fressen, anfassen oder ignorieren wollte, dann würde er es mit und ohne ihr Einverständnis tun können.

Lügen haben kurze Beinen und lange Nasen. Ks Nase war nicht lang, das sah sie genau, wenn sie ihren Kopf umständlich in seine Richtung verdrehte. Die Entfernung zum Fußboden war noch weiter, als von ihren eigenen Füßen aus. K war kein verwunschener Junge aus Holz.

"Ich bin keine Prinzessin, ich bin Luci, die verrückte Luci", murmelte sie in alter Manier. Wie oft hatte sie die Worte eingetrichtert gehört?
'Krankes Kind!'
'Spinner!'
'Das ist nur eine Verrückte Kellerleiche. Natürlich liebe ich sie nicht!'
'Du gehörst in die Klapse.'
'Was für eine Irre!'
'Mami, ist das Mädchen krank?'
'Fass sie nicht an! Vielleicht ist sie ansteckend.'
'Hässlich und bekloppt.'

Alle Stimmen drangen unisono auf ihren geschundenen Verstand ein. Manchmal passierte es, manchmal triggerten bestimmte Worte, Handlungen, oder Déjà-vues. Sie veranlassten Luci dazu die Hände auf die Ohren zu pressen und die Augen fest zusammenzukneifen, als könnte sie die Welt auf diese Weise ausblenden.

„Wir können zusammen zu sehen, wie sie ins Feuer gehen. Und jeden Tag kannst du sie besuchen und sie brennen sehen. Würde dir das gefallen?" Amüsiert hob K eine schwarze Augenbraue, die hellen, blutroten Augen leuchtend.
Er wollte etwas für sie tun, wollte ihr geben, was sie begehrte, und noch mehr.

Zaghaft hob Luci das Gesicht, blinzelte mehrfach um die Augen an die Lichtverhältnisse zu gewöhnen und gab sich Mühe seine Stimme zwischen all den anderen rauszuhören. Unweigerlich zeichnete sich ein makaberes Lächeln auf ihren Lippen ab. Vorfreude überschattete ihre dunklen Augen und alle Zweifel. Luci griff in Ks Kleidung, um sich fester an ihn zu halten und nickte während sie sprach. "Das will ich. Ja, sehr!"

Rote in Flammen tanzende Gestalten brannten sich in ihre Tagträume, vor Verzweiflung und Leid klagende Gestalten. Schmerzensschreie, die in anderen Ohren weh taten, aber ihre Kopfschmerzen linderten.

Mit der Schulter öffnete K die Tür zu dem großen, dunklen Raum, gleich einer Suite mit weiteren Türen, die noch zu anderen Räumen führten, ein Geheimnis welche genau.

"Das ist nicht das Fegefeuer", kommentierte Luci beim Anblick des Bettes.
Enttäuschung fraß sich in sie, als der Plan nicht sofort umgesetzt wurde. Sofort zweifelte sie an Allem und Jeden. Ks und Lucis Prioritäten unterschieden sich grundlegend...

Er legte sie auf dem ausladenden Himmelbett mit dem dunklen Laken und Kissen ab, darauf bedacht, dass sie in die weiche Matratze sank, ohne harten Aufprall.
Ein zufriedenes Lächeln spielte um seine Mundwinkel, als er sie von oben betrachtete.

Hier war sie, die Frau, die er liebte, auf einem Bett in seinen Gemächern. Ein Anblick, den er nicht mehr für möglich gehalten hatte, von dem er nicht gewagt hatte, träumen zu dürfen.

Vielleicht war das alles auch ein Traum und später, wenn er erneut nach ihr schaute, wäre sie nicht mehr da, wie ein Trugbild, einzig und allein dafür geschaffen, ihm Glück vorzuheucheln, wo keines war.

Alles andere als glücklich besah Luci das Traumbett - Kingsize unter Garantie! Von der Matratze würde Luci nicht purzeln. Das stand fest, aber sie wollte gar nicht in das Bett. "Was machen wir hier?", verlangte sie zu wissen. Panik schlich sich in ihre Worte, mischte sich in ihren Kreislauf, bis auch ihr Kopf verstanden hatte.

„Ein Diener wird dir etwas zu essen bringen. Ruh' dich ein wenig aus und ich komme dann später nochmal vorbei."

Mit diesen Worten verließ er das Zimmer und drehte den Schlüssel im Schloss um. Sie war hier. Bei ihm.
Und er würde sie nicht noch einmal gehen lassen.

Auch nicht im Frühling.



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***Wer mag wohl der Diener sein, der ihr etwas zu essen bringt? Was denkt ihr? Habt ihr eine Vorahnung?***

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