14. Kapitel

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"Das ist wirklich eigenartig", stimmte Lucas meiner Zimmermitbewohnerin zu.
Er runzelte die Stirn. "Vielleicht ist deine Mutter ja gefährlich. Und deswegen darfst du sie nicht treffen"
"Du meinst, sie könnte eine Verbrecherin sein?", mischte sich Kilian ein.
"Oder Professor Rutherford hat selbst etwas zu verheimlichen", überlegte Eve. "Vielleicht will sie ja gar nicht, dass Aline ihre Mutter findet."
Ich schüttelte den Kopf. "Das macht doch alles keinen Sinn. Es muss eine ganz normale, logische Erklärung dafür geben. Und früher oder später werde ich die schon finden"
"Und was, wenn Professor Rutherford mit ihr verwandt ist?", fragte Lucas und Eve kicherte.
Ich schauderte bei der Vorstellung, mit der Lehrerin verwandt zu sein, die für ihren Unterricht fragliche Methoden verwendete und sich zudem nicht sehr für ihre Schüler zu interessieren schien.
Wobei sie mir wesentlich sympathischer geworden war, als sie mir von meinem Vater erzählt hatte. Sie musste ihn irgendwie gemocht haben.
"Das ist Schwachsinn, Lucas", machte Argon die Theorie zunichte und holte mich damit aus meinen Gedanken.
"Ja, echt Leute! Ich hab euch das nicht erzählt, damit ihr euch verrückte Geschichten ausdenkt", sagte ich entschieden.
"Okay, tut mir leid", murmelte Eve. "Aber vielleicht können wir dir ja helfen? Irgendwer von uns bekommt bestimmt etwas heraus"
Ich lächelte dankbar, während mein Blick zur Uhr wanderte.
"Wir sollten los zum Unterricht", meinte auch Kilian.
"Oookay", antwortete Eve gedehnt, die sichtlich keine Lust auf Heilkunde hatte.
"Bis später", rief ich, während ich auf den Klassenraum zusteuerte, in dem ich Geschichte hatte. Wenigstens eines der Fächer klang nicht, wie einem verrückten Fantasyroman entsprungen. Allerdings hätte ich mir wohl denken können, dass es nichts mit dem Geschichtsunterricht zu tun hatte, den ich aus der Schule kannte.
"He, warte!", rief Argon hinter mir, woraufhin ich stehen blieb.
"Ich hab jetzt auch Geschichte", erklärte er, als er mich eingeholt hatte.
Ich grinste erleichtert, da ich bereits gesehen hatte, wie Shadow und ein paar anderer Nyx in den Klassenraum verschwunden waren, und ich garantiert nicht mit ihnen allein sein wollte.
"Wie ist das eigentlich?", fragte Argon leise. "Seine Eltern nicht zu kennen und so..."
Ich zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. War irgendwie schon immer so. Und mit meiner Tante ist es eigentlich ganz cool. Auch wenn sie manchmal etwas", ich suchte nach dem richtigen Wort, "anstrengend sein kann..."
Ich betrachtete ihn schmunzelnd. "Und wie ist es so als Thronfolger?"
Argon verzog den Mund, als hätte er gerade etwas unglaublich Ekelhaftes gegessen. "Ist okay", gab er kurz angebunden zurück und betrat den Klassenraum.
Sofort lagen die meisten Blicke auf ihm und einige verstummten sogar, als sie ihn sahen.
Argon ignorierte die Blicke und bahnte sich einen Weg durch die Klasse, um sich anschließend auf einem Stuhl in der hintersten Reihe niederzulassen.
Ich setzte mich neben ihn und betrachtete seine dunklen Wimpern, hinter denen haselnussbraune Augen lagen, die etwas Vertrauenswürdiges und zugleich Verschmitztes ausstrahlten.
Mir schoss der Gedanke durch den Kopf, dass ihn womöglich nur so viele Mädchen anstarrten, weil er gut aussah, und nicht, weil er der Sohn von der Herrscherin von Salem war.
Schnell verdrängte ich den Gedanken und blickte ein wenig ertappt zur Seite, als ich merkte, dass Argon mein Starren bemerkt hatte.
Er grinste.
"Ich äh", murmelte ich. "Du hast schöne Augen."
Sein Grinsen wurde noch etwas breiter, woraufhin ich mich fragte, ob es wirklich klug gewesen war, meinen Gedanken laut auszusprechen.
Wenigstens hatte ich nichts über seine definierten Oberarme gesagt - über die ich nun wirklich nicht nachdenken sollte, wenn ich nicht rot werden wollte!
"Danke", entgegnete Argon selbstsicher und ich war mir ziemlich sicher, dass er dieses Kompliment nicht zum ersten Mal gehört hatte.
"Du hast auch sehr schöne Augen", erwiderte er mit einem ehrlichen Lächeln.
Auch wenn ich mich fragte, was man an meinen hellblauen Augen schön finden konnte, lächelte ich zurück.
Da wurde plötzlich geräuschvoll die Tür des Klassenzimmers geschlossen und Professor Jones, der wieder seinen schwarzen Anzug trug, lief mit schnellen, geschmeidigen Schritten zum Lehrerpult. Ich hatte das eigenartige Gefühl, dass es bei seiner Ankunft im Klassenzimmer um einige Grad kälter wurde.
"Guten Tag", sagte Professor Jones mit seiner kalten, schneidenden Stimme.
"Wie schön, dass Sie alle den Weg in meine Stunde gefunden haben", fuhr er in einem Ton fort, der mir sagte, dass er höchstwahrscheinlich das Gegenteil dachte. Er ließ seinen Blick über die Schüler wandern und blieb für einige Sekunden bei mir und Argon hängen. Dabei erschien in seinen Augen ein grimmiger Ausdruck.
"Argon Firestone", sagte er und stieß seinen Nachnamen dabei wie eine Beleidigung aus. "Du kannst mir doch sicher alle Herrscher von Salem aufzählen"
Argon verdrehte entnervt die Augen, was mich annehmen ließ, dass er das schon häufiger musste.
Dann ratterte eine lange Liste an fremdartig klingenden Namen herunter.
"Und was ist mit den letzten Herrschern von Iluminaya?", fragte Professor Jones herausfordernd.
Argon biss die Zähne zusammen und starrte konzentriert in die Luft, während er vier weitere Namen aufzählte.
"Das sind nur die des letzten Jahrhunderts", merkte Professor Jones an.
"Davor war Iluminaya noch nicht gegründet", entgegnete Argon selbstsicher.
"Korrekt", erwiderte der Geschichtslehrer und ich sah ihm an, wie sehr es ihn ärgerte, dass er Argon nicht hatte überlisten können.
"Was ist mit dir?", fragte Professor Jones mit einem verächtlichen Grinsen und richtete seinen Blick auf mich. "Was kannst du uns über die Herrscher der Unterwelt erzählen?"
Ich kniff die Augen zusammen. Was sollte diese Frage? Er wusste schließlich, dass ich nicht aus der Unterwelt kam und mich dementsprechend schlecht auskannte.
"Kann ich das als Arbeitsverweigerung einstufen oder redest du nicht gerne?", fragte Professor Jones.
Einige Schüler kicherten leise.
Ich presste meine Lippen zusammen, um nicht irgendetwas zu erwidern, was ich hinterher bereuen würde.
"Nun gut. Du willst uns also nichts mitteilen", fuhr der Leiter der Nyx fort. "Dann halte ich es für angebracht, wenn du zur nächsten Stunde alle Herrscher von Atlantis auswendig lernst."
"Atlantis?", flüsterte ich Argon kichernd zu.
"Findest du das etwa witzig?", fragte Professor Jones laut.
Ich biss mir auf die Lippe.
"Nein. Ich..."
"Vielleicht wäre es besser wenn du ebenfalls alle bisherigen Herrscher von Game City auswendig lernst.", entschied Professor Jones und ich entschied in diesem Moment, dass er definitiv der unsympathischste Lehrer der Akademie war, was leider kein wirklicher Trost war.
Irgendwie musste ich ihm beweisen, dass er nicht einfach so auf mir herumhacken konnte.
"Das ist echt verdammt scheiße", flüsterte Argon mir leise zu.
"Was?", flüsterte ich zurück, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Professor Jones nicht mehr in unsere Richtung sah.
"Game City ist eine Stadt die es quasi seit Anbeginn der Zeit gibt. Sie dient als Ort für Versammlungen aller Herrscher. Dort befindet sich auch das Oberste Gericht.", erklärte mir Argon mit flüsternder Stimme.
"Wie soll ich das dann alles zur nächsten Stunde auswendig lernen?", fragte ich und schnaubte.
"Keine Ahnung", murmelte Argon. "Aber vielleicht kann ich dir helfen. Wobei ich außer über die Geschichte von Salem auch nicht wirklich viel Ahnung habe", gab er schmunzelnd zu.

Academy of Salem Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt