34. Kapitel

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"Was soll er schon machen? Mich von der Schule werfen?", fragte ich Argon, als er seine Bedenken zu meinem Plan äußerte. "Irgendeinen Vorteil muss es doch zumindest haben, die Tochter von Professor Morgan zu sein!" Ich lachte bitter.
"Wahrscheinlich hast du Recht", gab er sich geschlagen. "Also ziehen wir es morgen durch?"
Ich nickte grinsend. "Geht doch!"
Dann verfinsterte sich meine Miene wieder.
Shadow kam auf uns gesteuert.
"Soll ich ihn abwimmeln?", fragte Argon mich leise.
Ich schüttelte den Kopf. "Schon okay. Das kriege ich auch alleine hin."
Dann stand ich auf und wandte mich an Shadow.
"Was willst du?", fauchte ich, während ich auf ihn zu lief.
"Nur mit dir reden", erwiderte er und hob abwehrend die Hände. "Komm runter, Aline."
Ich lachte spöttisch.
"Ich soll runterkommen?"
Unbeabsichtigt hatte ich etwas lauter gesprochen, sodass jetzt einige der anderen Schüler, die ihre Pause im Speisesaal verbrachten, zu uns herübersahen.
"Darauf kannst du lange warten!
Verpiss dich, Morpheus!", sagte ich laut, drehte mich um und ließ Shadow stehen.
Als ich Argon erreichte, zwang ich mich ruhig zu bleiben und mich nicht nach Shadow umzublicken.
"Also. Wie wär's, wenn wir heute beim Kampftraining zusammen trainieren und du mir zeigst, was der Thronfolger von Salem so drauf hat?", fragte ich schmunzelnd.
Argon nickte, musterte mich jedoch immer noch ein wenig besorgt.
In 'Kunde der Reiche' versuchte ich mich auf meinen Racheplan an Jones zu konzentrieren, um nicht über Shadow nachzudenken.
Professor Lightman ermahnte mich mehrmals, besser aufzupassen. Doch irgendwann gab auch er es auf.
Das Kampftraining war eine willkommene Abwechslung, weil es mir keine Gelegenheit zum Grübeln gab.
Nach dem Abendessen machte ich mich zusammen mit Eve, die ich in meinen Plan eingeweiht hatte, auf den Weg in die Stadt, um eine ziemlich ausgefallene Besorgung zu machen.
"Wieso bist du so sauer auf Shadow?", fragte Eve auf dem Rückweg zur Akademie.
"Weil er ein großkotziger Arsch ist!", antwortete ich.
Sie lächelte verständnisvoll.
"Okay, und wieso regt dich das auf einmal so auf? Dass er ein Arsch ist, wussten wir doch schon."
Ich winkte ab.
"Spielt keine Rolle. Lass uns über was anderes reden"
Also sprachen wir über sie und Kilian und über den Test der demnächst in Geschichte anstand.
Eve erklärte mir, dass den Schülern in der Unterwelt statt Noten Prozentzahlen mitgeteilt wurden und man in jedem Fach einen Mindestprozentsatz erreichen musst, um zu bestehen. Ein Fach konnte nicht durch ein anderes ausgeglichen werden, daher musste man sich gut überlegen, welche Wahlfächer man im zweiten Schuljahr belegte.
Allerdings konnte man durch überragenden Leistungen bei Wettkämpfen eine schlechte Benotung ausgleichen.
Die Informationen sprudelten nur so aus Eve heraus, sodass ich irgendwann abschaltete und nur noch stumm nickte.
Auch wenn Eve ziemlich anstrengend sein konnte, war ich froh, in ihr eine Verbündete gefunden zu haben. Jemanden, dem ich in dieser fremden Welt aufrichtig vertrauen konnte.

Als ich mit Shadow gesprochen hatte, hatte mich das an einen Rat erinnert, den Professor Morgan mir zuvor gegeben hatte: Feuer bekämpft man am besten mit Feuer.
Man musste seinen Gegner nur gut genug kennen und ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen.
Ich wusste, dass Shadow mir zumindest in gewisser Weise auch vertraut hatte und dass - auch wenn mich sein Vertrauensbruch mehr verletzt hatte als ihn meiner - es ihm überhaupt nicht gefallen hatte, dass ich ihn vor allen anderen mit 'Morpheus' angesprochen hatte.
Und so war mir die Idee für den Plan gekommen.
Jones' Kraft war es, anderen Leuten Angst einzujagen. Das war es, was ihn stark machte und womit er andere erniedrigen konnte.
Also hatte ich nur noch durch Professor Morgan herausfinden müssen, was seine größte Angst war.
Die 'Lehre der Sprachen' hatte gerade begonnen und Jones legte mit einem langweiligen Vortrag los, als Eve plötzlich aufschrie.
"Achtung, Professor Jones! Da ist eine Schlange hinter ihnen!"
Jones drehte sich blitzschnell um und entdeckte die drei riesigen, jedoch laut deren Besitzer, von dem wir sie ausgeliehen hatten, ungefährlichen Schlangen.
Der Schrei, den er dann ausstieß, war markerschütternd.
Er taumelte einige Schritte rückwärts und stolperte zu Boden.
Einige der anderen Schüler begannen zu lachen, nachdem sie sich von dem ersten Schock erholt hatten.
Jones hingegen flüchtete sich auf das Lehrerpult, wo er die Schlangen angsterfüllt anstarrte.
"Regen sie sich ab, die sind nicht gefährlich!", rief einer der Metis Jones zu. "Über diese Schlangenart haben wir gestern etwas bei Professor Rutherford gelernt."
Jones schüttelte jedoch nur vehement den Kopf. Er war leichenblass und ließ die Schlangen keine Sekunde lang aus den Augen.
"Sie können die Schlangen doch einfach einfangen und in den Karton da hinten packen", schlug eine Schülerin vor.
Jones stammelte nur etwas vor sich hin und blieb weiterhin auf dem Lehrerpult hocken.
Argon und ich grinsten uns an, dann erhob ich mich.
"Schon gut, Professor. Ich helfe ihnen", erklärte ich mich bereit und packte zwei der Schlangen so, wie es ihr Besitzer mir gezeigt hatte, und verfrachtete sie in besagten Karton.
Eve half mir mit der letzten Schlange, während ich Jones ein höhnisches Lächeln zuwarf.
"Möchten sie uns nicht helfen?", fragte ich triumphierend. "Oder brauchen sie dazu die Hilfe von Professor Morgan?"
Eve kichert.
Auch der Rest der Klasse brach wieder in Gelächter aus, während ich gemeinsam mit Eve die Schlangen nach draußen und zurück in ihr Terrarium brachte, das wir vorerst in unserem Zimmer verstaut hatten und später noch in die Stadt zurückbringen würden.
"Das haben wir doch ziemlich gut hinbekommen", stellte Eve zufrieden fest. "Jones wird sich nicht so schnell wieder trauen, dich bloßzustellen!"
Ich grinste. "Stimmt. Aber von Professor Morgan werde ich mir bestimmt eine Standpauke anhören müssen, wenn sie das erfährt. Aber das war es definitiv wert!"
Eve grinste. "Wie der geschrien hat!"
Ich lachte. "Und wie er dann vor Angst aufs Pult gesprungen ist!"
Als wir zurück in den Unterricht kamen, war Jones immer noch ziemlich blass, ließ sich ansonsten jedoch nichts mehr von dem Schreck anmerken.
Ich war mir ziemlich sicher, dass Jones mich wegen der Schlangenaktion im Verdacht hatte, doch wider Erwarten rief er mich nach dem Unterricht nicht zu sich.
Stattdessem erwartete mich eine aufgebracht Professor Morgan, als ich abends mit Eve zur Akademie zurückkehrte.
"Komm sofort in mein Büro, Aline!", sagte sie mit einem drohenden Unterton, der mich dazu brachte, ihrer Anweisung unverzüglich nachzukommen.
"Was hast du dir bei dieser Aktion gedacht?!", fragte sie sofort, als ich die Tür hinter mir geschlossen hatte.
Sie wusste also Bescheid.
"Er hatte es verdient", rechtfertigte ich mich.
"Das will ich gar nicht wissen", unterbrach mich Professor Morgan barsch. "Aber das wird ein Nachspiel für dich haben"
"Aber, Professor...!", setzte ich an.
Wieder schnitt sie mir das Wort ab.
"Nicht von mir. Aber von Jones. Denkst du, er kommt nicht dahinter, dass du das warst? Und denkst du, er lässt dich einfach so damit davonkommen?"
Ich schluckte.
"Ich kenne diesen Mann schon ziemlich lange und ich weiß, dass er unendlich lange nachtragend sein kann. Wenn du ihn einmal verärgert hast, hast du wirklich ein Problem, Aline. Das sollte dir bewusst sein! Ich hätte dich wirklich für vorausschauender gehalten", sagte sie enttäuscht.
"Ich..."
"Deine Zukunft hängt von deinem Abschluss an der Akademie ab. Und der hängt zu großen Teilen davon ab, wie Jones dich bewertet."
Langsam begriff ich, weswegen sie so wütend war.
"Tut mir leid", murmelte ich leise.
"Das war nicht besonders schlau"
Sie nickte. "Nein, das war es tatsächlich nicht. Aber von mir wirst du dafür keine Strafe befürchten müssen.
Die Konsequenzen, die du dir damit eingebrockt hast, sind Strafe genug", sagte sie kühl und deutete zur Tür.
"Wenn du mich jetzt entschuldigst. Ich habe noch einiges zu tun."
Ich biss mir auf die Lippe und schluckte den trotzigen Kommentar herunter, der mir auf der Zunge lag.
"Bis morgen, Professor", sagte ich nur und verließ ihr Büro.

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