41. Kapitel

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"Du dachtest, ich hätte dich verraten?"
Jetzt war es Shadow, der verwirrt war.
Ich seufzte und setzte dann dazu an, ihm alles von meinem Verdacht wegen der Sache mit Professor Morgan bis zu der Wahrheit, die ich von Eve erfahren hatte, zu erzählen.
Überraschenderweise hörte Shadow mir die ganze Zeit schweigend zu und unterbrach mich nicht in meinen Erklärungen.
Erwartungsvoll blickte ich ihn an, als ich geendet hatte.
"Aber wieso warst du dir sofort so sicher, dass ich es wäre, der dich verraten hat?", fragte Shadow und konnte seine Enttäuschung dabei kaum verstecken.
Ich biss mir auf die Lippe.
"Keine Ahnung", gab ich leise zu. "Vielleicht hast du ja Recht und ich war voreingenommen... oder ich konnte einfach nicht mehr klar denken, weil es mich verdammt nochmal verletzt hätte, von dir verraten zu werden"
Vor Shadow die Wahrheit zuzugeben, ließ mich realisieren, dass ich auch mich selbst zu belügen versucht hatte.
"Das heißt, alles was darauf folgte, hast du getan, weil du dachtest ich hätte dein Vertrauen missbraucht und dich einfach so hintergangen?"
Ich nickte langsam.
"Aber jetzt kenne ich die Wahrheit. Und es tut mir leid", beteuerte ich.
Shadow betrachtete mich einige Zeit schweigend, dann erhob er sich.
"Ich weiß nur leider nicht, ob das ausreicht."
Bevor mir irgendetwas Sinnvolles einfiel, was ich darauf erwidern konnte, lief Shadow bereits in Richtung Flügel der Nyx und verschwand dann in der Dunkelheit des Gangs.
Einige Minuten blieb ich bloß frustriert sitzen und starrte das Sandwich böse an, als könnte es etwas dafür, dass ich das mit Shadow gründlich vermasselt hatte.
Dann raffte ich mich auf und entschied, dass ich wenigstens zu allen ehrlich sein konnte.
"Hey, Argon. Hast du mal eine Minute?", fragte ich, als ich die Krankenstation betrat, was ziemlich dämlich war, weil Argon ja sowieso nirgendwo andershin konnte.
"Klar. Setz dich", erwiderte Argon lächelnd und deutete auf die Bettkante.
Vorsichtig ließ ich mich neben ihm nieder.
"Was gibt's?", fragte Argon nichtsahnend, dass ich vorhatte unsere Freundschaft aufs Spiel zu setzen. Und das nur wegen eines Jungen, der mich eiskalt hatte stehen lassen, nachdem ich ihm mein Herz ausgeschüttet hatte.
Ich hielt verunsichert inne.
Konnte ich das Argon jetzt gerade wirklich antun?
Andererseits wäre es wohl noch schlimmer, wenn ich noch länger abwarten würde. Also räusperte ich mich.
"Ich bin wirklich froh, dass ich dich hier in der Unterwelt getroffen habe. Ich meine, natürlich auch Kilian und Eve. Ich hatte bisher einfach nie Leute, bei denen ich das Gefühl hatte, mich so sehr auf sie verlassen zu können."
Gott! Wieso war es so verdammt schwierig jemandem eine Abfuhr zu erteilen?
"Und ich will das, was wir haben, nicht verlieren"
Scheiße, was tat ich hier?!
"Aber", sagte ich leise. "Ich mag dich einfach als Freund. Und ich denke nicht, dass es eine gute Idee wäre, wenn wir miteinander ausgehen würden... Es tut mir leid, das hätte ich dir gleich antworten sollen."
Argon schwieg und nickte tapfer, wobei ich sehen konnte, wie sehr es ihn verletzte, das zu hören.
"Ist es wegen Shadow?", fragte er, obwohl ich das Gefühl hatte, dass er die Antwort eigentlich gar nicht hören wollte.
"Es ist nicht nur wegen Shadow. Also ich..."
Nach Worten ringend blickte ich mich etwas hilflos um. Doch da wir außer einer bewusstlosen Artemis die einzigen auf der Krankenstation waren, würde mir wohl niemand zu Hilfe kommen.
"Okay", antwortete Argon und ersparte es mir, noch mehr sagen zu müssen.
"Wir sehen uns später, Aline. Ich sollte mich jetzt weiter ausruhen"
Ich nickte und erhob mich langsam.
"Tut mir leid, Argon", flüsterte ich, ehe ich die Krankenstation verließ.

Die folgende Woche verging wie im Zeitraffer.
Shadow ignorierte mich die meiste Zeit über und ich konnte nicht leugnen, dass ich seine blöden Sprüche nicht irgendwie vermisste.
Beim Elementartraining kämpften wir zwar wieder gegeneinander, doch zwischen uns herrschte eiskaltes Schweigen.
Auf Eve und Lucas war ich immer noch etwas sauer, doch da man den beiden einfach nicht lange böse sein konnte, hörte ich auf zu schmollen und verzieh ihnen, dass sie mir nicht die Wahrheit gesagt hatten.
Mit Argon war es am schwierigsten.
Seit ich ihm gesagt hatte, dass ich ihn nur als guten Freund sah und von ihm wiederum wusste, dass er in mir mehr sah als nur eine Freundin, war es verdammt komisch zwischen uns. Wann immer wir nur zu zweit waren, weil Eve und Kilian sich gemeinsam verdrückten, war da nur eine peinlich beklemmende Stille zwischen uns.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich mit so einer Situation umgehen sollte, da Argon einerseits der erste Junge war, dem ich einen Korb gegeben hatte und an dem mir trotzdem so viel lag und da ich andererseits immer umgezogen war, bevor es hätte irgendwie unangenehm werden können.
So saßen Argon und ich nun hier im Gemeinschaftsraum und blickten verzweifelt Eve und Kilian hinterher, die mal wieder nur Augen füreinander hatten und Händchen haltend in Richtung Eingangshalle verschwanden.
"Hast du schon eine Idee für den Talentwettbewerb?", fragte ich Argon, um das Schweigen zu brechen.
Er lachte nur trocken. "Schon? Der Wettbewerb ist morgen. Und ich habe schon eine Idee dafür, seit ich wusste, dass ich mal auf die Akademie gehen werde"
Natürlich wusste Argon genau, was er zu tun hatte. Er hatte sich schließlich sein ganzes Leben lang auf das hier vorbereitet.
Ich hingegen hatte noch immer keine Ahnung und auch wenn ich die restlichen Tage jede verbleibende Minute dafür genutzt hatte, Poseidon zu besuchen und zu trainieren, während er um mich herum schwamm und mich gelegentlich nass spritzte, fühlte ich mich überhaupt nicht bereit für den Talentwettbewerb.
Argon schien mir meine Sorge anzusehen. "Du schaffst das schon. Du musst nur an dich glauben"
Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
"Was ist mit dem Wettkampf, den Jones angekündigt hat?", fragte ich Argon. "Hast du einen Plan, wie wir da gut abschneiden?"
Argon verzog das Gesicht.
"Einen Plan hätte ich schon, aber ich befürchte, dass, wenn Jones uns wirklich als Fraktionen gegeneinander antreten lässt, der Streit zwischen uns und den Nyx wieder angefacht wird."
Ich nickte verstehend.
"Das könnte tatsächlich ein Problem werden... Bestimmt hat Jones es genau darauf abgesehen!", schnaubte ich verächtlich.
Seit der Schlangenaktion nutzte Professor Jones jede Gelegenheit, um mich zu demütigen und ließ keinen Zweifel daran, dass er mich keinesfalls fair bewerten würde.
Und er schien auch den gesamten Artemis gegenüber schlecht zu sprechen zu sein.
"Ich gehe noch ein bisschen in den Trainingsraum", erklärte Argon nach einer Weile und erhob sich.
"Okay. Dann bis morgen", erwiderte ich.
Argon antwortete jedoch nicht, sondern verließ nur zügig den Gemeinschaftsraum.
Betrübt sah ich ihm nach.
Hatte ich das mit uns endgültig ruiniert? Und das nur, um jetzt von dem Jungen, der viel zu häufig durch meinen Kopf geisterte, ignoriert zu werden...?

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