Am nächsten Tag im Kampftraining mit Magie, wanderte mein Blick immer wieder zu Shadow herüber, der mit der brünetten Nyx trainierte.
Zum wiederholten Male traf Argon mich unvorbereitet.
"Komm schon, Aline, du musst dich konzentrieren", sagte er leicht vorwurfsvoll. Ich riss meinen Blick schnell von Shadow und der Nyx los.
"Sorry", murmelte ich. "Ich bin heute einfach nicht ganz bei der Sache."
Nach einigen weiteren kläglichen Versuchen, ließ ich mich erschöpft zu Boden sinken.
Eigentlich konnte ich es mittlerweile durch das Training mit Professor Morgan locker mit Argon aufnehmen - zumindest, wenn ich meine Kräfte dabei einsetzen durfte. Doch heute brachte ich einfach nichts zu Stande.
"Okay, das war's für heute", rief Jones laut. "Das Training ist beendet. Aber ich will, dass ihr am Wochenende weiter trainiert. Schließlich ist bald der Talentwettbewerb!"
Ich stöhnte genervt. "Mist! Den hatte ich schon vollkommen vergessen!"
"Das schaffen wir schon", murmelte Argon und berührte mich am Arm.
Ich merkte, dass Shadow uns beobachtete.
"Sag mal, Aline...?", fragte Argon etwas unsicher. "Kilian meinte doch, wir sollten uns mal eine Auszeit nehmen. Und ich dachte, dass wir vielleicht... also wir könnten ja am Wochenende zusammen ausgehen"
Überrascht blickte ich ihn an.
Fragte er mich gerade wirklich nach einem Date?
Natürlich hatte Eve mich schon mehrmals darauf angesprochen, wie gut Argon und ich zusammen passen würden und wie cool es wäre, wenn sie und Kilian mit uns auf ein Doppeldate gehen könnten - doch ich hatte nicht gedacht, dass Argon tatsächlich mit mir ausgehen wollen würde.
Etwas überfordert räusperte ich mich.
"Ich ähm..."
Argon war ein toller Typ, das stand außer Frage. Und hätte ich ihn an einer Highschool in der Oberwelt kennengelernt, hätte ich sicherlich für ihn geschwärmt. Doch ich war mir nicht sicher, ob...
"Ja. Das würde ich gerne", antwortete ich, ehe ich selbst wusste, was ich da sagte.
Ich konnte nicht leugnen, dass Shadow, dessen Blick immer noch auf mir lag, nicht eventuell auch etwas mit meiner Antwort zu tun hatte.
Doch ich verbannte meine Zweifel und die Gedanken an Shadow in den hintersten Teil meines Kopfes, und wandte mich Argon zu.
"Also dann. Wir sehen uns später beim Essen", sagte ich lächelnd.
Als Eve mich fröhlich quiekend auf dem Weg zu unserem Zimmer abfing, musste ich grinsen. Sie hakte sich bei mir unter und stellte alberne Prophezeiungen über mein bevorstehendes Date auf. Und genau in diesem Moment merkte ich, dass es die beste Idee meines Lebens gewesen war, auf die Akademie zu gehen. Natürlich war es ein großer Schritt gewesen, aber ich hatte abgesehen von meiner Tante und ein paar oberflächlichen Freundschaften nicht viel zurücklassen müssen. Und wie es aussah, war ich dafür mit einer faszinierenden Welt voller Magie und einer Freundin fürs Leben belohnt worden.
Eve plante gerade schon eine Doppelhochzeit, als ich plötzlich einen zusammengefalteten Zettel auf meinem Bett entdeckte.
"Ein Liebesbrief von Argon?", fragte Eve grinsend und hob die Augenbrauen, als ich ihn öffnete.
Ich schüttelte den Kopf.
Ich hatte bereits eine Vorahnung gehabt, von wem der Zettel war, doch mit der Nachricht hatte ich nicht gerechnet.
"Der ist von Shadow", sagte ich mit belegter Stimme.
"Hä?", machte Eve.
Ich seufzte.
Wahrscheinlich hatte er mich beim Kampftraining deswegen so angesehen, weil er dachte, ich hätte ihn schon gelesen.
"Es ist eine Entschuldigung", erklärte ich leise. "Er schreibt, dass er zu weit gegangen ist mit dem, was er gesagt hat. Und dass er dafür sorgen wird, dass sich die Nyx an unseren derzeitigen Waffenstillstand halten."
"Er hat sich echt entschuldigt?", fragte Eve überrascht.
"Das hätte ich auch nicht erwartet", murmelte ich und fragte mich, ob das wirklich noch irgendetwas änderte. "Nachdem er allen erzählt hat, dass Professor Morgan meine Mutter ist, dachte ich nicht, dass er überhaupt fähig ist, Reue zu zeigen...!"
Auf einmal wirkte Eve unglaublich zerknirscht.
"Was ist denn?", fragte ich verwundert.
"Was das mit deiner Mutter angeht... also das war Shadow wohl nicht", gab sie zu.
"Was soll das heißen?", erwiderte ich verwirrt.
"Dass Lucas und ich möglicherweise etwas zu laut darüber geredet haben... vor den anderen..."
Ich starrte sie an.
"Es tut mir so leid, Aline. Aber wir wussten ja nicht, dass es so schlimm für dich wäre, wenn die anderen das erfahren. Und ich dachte..."
"Wieso hast du nicht früher etwas gesagt?", unterbrach ich sie.
"Ich wusste ja nicht, dass du deswegen so sauer auf Shadow bist und ich wollte einfach nicht...", murmelte sie kleinlaut.
"Das heißt, das war alles ein Missverständnis? Wir haben es wegen einem Missverständnis so weit kommen lassen?"Da ich ziemlich wütend auf Eve war und mich schlecht fühlte, weil ich Shadow nur wegen eines Missverständnisses so gedemütigt hatte und ich somit eigentlich die Schuldige an unserem Streit war, verbrachte ich den Abend im Trainingsraum statt gemeinsam mit den anderen.
Während ich im Kampfsimulator mehrere imaginäre Gegner besiegte, bekam ich nichts davon mit, dass meine realen Gegner bereits auf dem Gelände der Akademie warteten.
Erst als die Tür aufgerissen wurde und Harry hereingestürmt kam - was für den allzeit lässigen Kampftrainer etwas vollkommen Ungewöhnliches war - ahnte ich, dass etwas nicht stimmte.
"Aline!", rief er überrascht, als er mich bemerkte. "Wieso bist du denn nicht bei den anderen?"
Ich schüttelte den Kopf, als Zeichen, dass das gerade nicht wichtig war. "Was ist los?"
Harry antwortete nicht, sondern kramte nur einige Waffen vom Schießstand zusammen.
"Gab es wieder einen Angriff?", fragte ich besorgt weiter und folgte Harry aus dem Trainingsraum in die Eingangshalle, in der sich auch die anderen Lehrer und ein paar ältere Schüler aufhielten.
"Was ist hier los?", fragte ich einen von ihnen.
"Die Nymphen", erwiderte er mit leiser Stimme. "Sie haben es irgendwie auf das Gelände der Akademie geschafft. Das heißt, wir müssen jetzt da raus und sie so schnell wie möglich erledigen"
"Wir wollen auch helfen", hörte ich Argon sagen. Anscheinend hatten er und Kilian kurz nach mir die Eingangshalle betreten.
Nach einem fragenden Blick zu Professor Morgan, nickte Harry und überreichte den beiden zwei geladene Schusswaffen.
Auch ein ein paar jüngere Nyx, darunter Damien und Shadow, dessen Blick ich schnell auswich, stießen ebenfalls zu uns.
"Hört mir bitte gut zu", erhob Professor Morgan nach kurzer Zeit die Stimme. "Ich möchte, dass ihr dicht als Gruppe zusammenbleibt. Niemand geht alleine vor. Niemand entfernt sich vom Gelände der Akademie. Ist das klar?!"
Zustimmendes Gemurmel.
"Gut, dann passt auf euch auf und bleibt erst einmal in Deckung. So weit wir bisher sehen konnten, sind es ziemlich viele Nymphen."
Ich lief zu Harry und ließ mir ebenfalls eine Waffe geben, woraufhin Argon sich mir mit verschränkten Armen und besorgter Miene in den Weg stellte.
"Du solltest hier warten, Aline. Das ist viel zu gefährlich. Und ich will nicht, dass dir etwas passiert!", wies er mich an und wollte mir die Waffe abnehmen.
Ich zog meine Hand zurück und sah ihn kopfschüttelnd an.
"Auf keinen Fall! Ich werde helfen - ob dir das passt oder nicht"
Ungeduldig beobachtete ich, wie die meisten anderen bereits auf die Eingangstüren zusteuerten.
"Lass mich durch Argon", zischte ich. "Bitte!"
Er schüttelte erbarmungslos den Kopf. "Kommt nicht infrage!"
"Lass sie mitgehen", unterbrach uns plötzlich Shadows Stimme.
"Sie ist viel zu gut, als das wir auf sie verzichten können! Und Aline kann gut auf sich aufpassen. Sie ist stärker als du denkst"
Argon fixierte ihn mit verengten Augen. "Woher willst du das wissen?"
Shadow schnaubte bloß.
"Trau ihr mehr zu! Und jetzt komm und verschwende keine Zeit - denn die haben wir aktuell nicht"
Mit diesen Worten lief er den anderen hinterher, die mittlerweile die Türen geöffnet hatten.
Kurz blickte Argon mich noch argwöhnisch an, dann gab er sich geschlagen.
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Academy of Salem
FantasyAls Aline an der mysteriösen Akademie angenommen wird, verändert das ihr Leben vollkommen. Sie entdeckt eine neue Welt voller Magie und düsterer Geheimnisse. Und dann ist da noch dieser Junge, den sie eigentlich nicht mögen sollte, der ihr aber einf...