48. Kapitel

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Als die Metallstangen auf mich zu gesaust waren, hatte Argon den Fehler begangen, sich besorgt zu mir umzudrehen.
Damien hatte dieser kurze Moment der Ablenkung gereicht und er hatte sich von hinten auf Argon gestürzt. In seiner Hand hielt er ein Messer aus der Waffenkammer.
Ich öffnete meinen Mund zu einem stummen Schrei.
Doch es war zu spät.
Damien stach mit dem Messer tief in Argons Rücken.
Dieser taumelte.
Sein Gesicht war schmerzverzerrt und ich glaubte bereits, dass wir verloren hatten, als Argon sich das Messer aus dem Rücken zog und es achtlos zur Seite warf.
Blut rann seinen Rücken hinunter und färbte sein graues Muskelshirt dunkelrot.
Ich rannte - so gut es über das Metallgerüst möglich war - zu Argon herüber, presste meine Hände auf die Wunde und versuchte mich an das zu erinnern, was uns Professor Rutherford in Heilkunde beigebracht hatte.
Tatsächlich schaffte ich es die Blutung auf magische Weise zu stoppen.
Damien holte gerade zu einem Schlag aus, da stoppte ich seine Hand in der Luft. Ich stellte mir vor, wie sich die Luft in etwas Festes, Undurchdringbares verwandelte und seine Faust in eisernem Griff hielt.
Ungläubig starrte Damien auf seine Hand und dann zu mir.
"Na, warte, du hinterhältige...!", knurrte er.
"Halt die Klappe, Damien!", unterbrach ich ihn wütend.
Wenn er noch einmal jemandem, der mir wichtig war, weh tun würde, dann hatte er ein ernsthaftes Problem mit mir...!
"Lass mich das regeln", sagte Argon entschlossen.
Ich nickte und trat zur Seite.
"Er gehört ganz dir"
Argon baute sich vor Damien auf, der noch immer erfolglos versuchte, seine Hand zu befreien.
"Wehe du versuchst noch mal mich von hinten anzugreifen", sagte er bedrohlich leise und richtete seinen Finger auf Damiens Brust.
Als sein Finger zu glühen begann und schließlich eine kleine Stichflamme daraus hervor schoss, stieß Damien ein schmerzvolles Brüllen aus.
"So. Jetzt sind wir quitt."
Er entzündete eine brennende Wand um Damien herum, die drohte ihn zu verschlingen - weshalb er gezwungen war, seinen Chip zu benutzen.
Als sich das leuchtende Schutzschild über ihm formierte, grinste ich zufrieden und wandte mich zu der letzten Eunomia, die gerade von Shadow ins Aus befördert wurde.
Also nur noch Artemis gegen Nyx.
Zwei gegen zwei.
Ich warf Argon einen kurzen Blick zu, um zu sehen, ob es ihm wirklich gut ging.
Doch anscheinend hatte Damien ihn mit dem Messer nicht allzu schlimm verwundet. Wahrscheinlich überspielte er aber auch mal wieder, wie dreckig es ihm wirklich ging...
Argon kletterte als erster über die Sprossen nach oben zu Shadow und der anderen Nyx, während ich ihm mit etwas Abstand folgte.
"Wer hätte das gedacht, dass ihr beiden euch so gut schlagt", stellte Shadow amüsiert fest, während er langsam einige Schritte zurückwich.
Hinter ihm befand sich der Teil des Parcours, der aussah wie ein etwas zu klein geratenes Riesenrad mit offenen Gondeln.
"Wohl eher genau wie erwartete", entgegnete Argon und musterte Shadow abschätzig. "Dein Glück, dass Damien für dich die Drecksarbeit gemacht hat. Aber jetzt bist du dran"
Mit diesen Worten ließ er Flammen auf ihn zuschießen, denen Shadow jedoch lässig auswich.
"Mehr hast du nicht drauf, Prinz vom Salem?", fragte er belustigt.
"Glaub mir, du wirst dir noch wünschen, dass ich weniger drauf hätte", raunte Argon ihm siegessicher zu.
Shadow lachte abfällig.
"Ganz gewiss, eure Hoheit"
Seine Stimme triefte nur so vor verächtlichem Sarkasmus.
Blitzschnell machte Argon einen Schritt auf Shadow zu, doch gerade, als er seine Faust nach vorne schnellen ließ, schien es, als würde Shadow mit den Schatten, die das Riesenrad hinter ihm warf, verschmelzen.
Argon schlug ins Nichts und Shadow blieb für einige Sekunden unsichtbar, ehe er einige Meter von Argon entfernt wieder aus den Schatten auftauchte.
Die braunhaarige Nyx kicherte und warf Shadow einen Blick zu, der mir ganz und gar nicht gefiel.
Ich wünschte mir, seine Erinnerung würde einfach wiederkommen.
Doch das tat sie nicht.
Und so war ich wohl oder übel gezwungen, gegen ihn zu kämpfen. Selbst wenn das bedeutete, ihn womöglich verletzen zu müssen, um ihn außer Gefecht zu setzen.
Ich lenkte meine Konzentration auf Shadow und versuchte mir seinen Körper wie eine Marionette vorzustellen, die ich durch meine Luft-Kräfte bewegen konnte.
Überrascht weiteten sich Shadows Augen, als seine Füße plötzlich vom Boden abhoben.
Ich grinste siegessicher und ließ ihn kopfüber in der Luft baumeln.
"Hast du etwa vergessen, dass ich dir überlegen bin?", fragte ich amüsiert.
Doch so schnell wie mein Triumph gekommen war, wurde er mir auch wieder genommen.
Denn nun setzte die brünette Nyx ihre Kräfte, die daraus bestanden Gegenstände zu vervielfachen, gegen mich ein: Sie zog einen kleinen Dolch aus ihrer Jackentasche und warf ihn in meine Richtung.
Zu spät sah ich, dass aus dem einen Dolch etwa fünfzig wurden und musste meine gesamte Kraft dazu nutzen, blitzschnell einen Schutzschild aus Luft vor mir und Argon aufzurichten.
Die Dolche prallten nutzlos daran ab, allerdings hatte ich somit auch Shadow freigelassen, der der nervigen Nyx ein dankbares Grinsen zuwarf.
Argon hob seine Hände und ließ eine riesige Flammenwand auf Shadow und die Nyx zuschießen, die die beiden eigentlich sofort hätte vernichten müssen.
Schockiert blickte ich ihn an, denn wenn er einen der beiden ernsthaft durch das Feuer verletzen würde, würde es die Disqualifikation für Argon bedeuten, weil er eine der Grundregeln gebrochen hatte.
Doch nicht nur deswegen zog sich mein Herz für einen Moment zusammen.
Ich hatte auch eine unglaubliche Angst um Shadow.
Diese schien jedoch unbegründet zu sein, denn Shadow atmete einmal tief ein und stieß dann einen Schwall aus dunklem Nebel aus. Es war als würde er eine gigantische Kerze auspusten.
Der dunkle Nebel umhüllte das Feuer - verschlang es gerade zu - und ließ nicht den winzigsten Funken übrig.
Argons Züge verfinsterte sich und auch ich musste schlucken. Wenn Shadow zu so etwas fähig war, hatten wir so gut wie verloren.
Das einzig Gute an der Situation war, dass die andere Nyx anscheinend nicht auf Shadows Kräfte vertraut und daher ihr Schutzschild aktiviert hatte.
Doch ich hatte Shadow eindeutig unterschätzt.
Anscheinend sah man mir meine Gedanken deutlich an, denn Shadow musterte mich mit einem leisen, spöttischen Lachen.
"Tja, wie es aussieht muss das Schoßhündchen wohl etwas mehr bieten, um ihren geliebten Prinzen zu schützen", merkte Shadow spitz an.
Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr er mir mit dieser Bemerkung wehtat. Das letzte Mal, als er mich Argons Schoßhündchen genannt hatte, hatte er das bewusst getan, weil er wusste, wie sehr mich das verletzt - und weil ich zuvor ihn verletzt hatte...
Ich biss mir auf die Lippe und versuchte, mir ins Gedächtnis zu rufen, dass er noch immer unter Damiens Einfluss stand und dass das nicht wirklich Shadow war, der da gerade sprach.
Andererseits war es eben sehr wohl etwas, was Shadow sagen würde. Und auch wenn manche seiner Erinnerungen verdreht worden waren, war er doch immer noch er selbst.
Neben uns brachen Jubelschreie aus, was mich kurz von Shadow ablenkte.
Anscheinend hatte die erste Gruppe den Wettkampf beendet.
Wie es aussah, waren es die Metis, die hier gewonnen hatten.
Argon war der erste von uns, der sich wieder auf unseren eigenen Wettkampf konzentrierte.
Während er sich Shadow näherte, wie eine Raubkatze seiner Beute, wich Shadow elegant nach hinten zurück, bis er mit einem Fuß auf einer der Gondeln stand.
Dies schien einen Mechanismus auszulösen, denn plötzlich setzte sich das Riesenrad in Bewegung - und das mit einer weitaus höheren Geschwindigkeit, als es für ein wirkliches Riesenrad üblich war.
Kurz fragte ich mich, ob die Leute hier in der Unterwelt überhaupt Riesenräder kannte, schob den Gedanken dann jedoch schnell zur Seite.
"Na? Können die feinen Artemis da mithalten?", rief Shadow, während er nun komplett auf die Gondel aufsprang. Argon folgte ihm mit einem Satz und landete in der nächste Gondel.
Ich hatte allerdings nicht so viel Glück.
Als ich auf eine weitere Gondel aufspringen wollte, löste sich diese aus den Angel und stürzte in die Tiefe herab.
Mittlerweile befanden wir uns ziemlich hoch in der Luft - und ich hing nur noch mit den Händen an dem Gerüst des Riesenrads.
Während ich spürte, wie das harte Metall langsam in meine Haut einschnitt, setzte eine dieser typischen Zirkus-Melodien ein.
Jetzt kam ich mir nun wirklich vor, wie in einem schlechten Horrorfilm!
Ich sah, dass Jones mich mit einem höhnischen Lächeln beobachtete und versuchte Haltung zu waren, so gut das eben ging, wenn man am Stangengerüst eines Riesenrads baumelte.
"Na, Aline?", fragte Shadow mitleidlos. "Wie lange hältst du noch durch?"
Ich warf ihm einen giftigen Blick zu und versuchte ruhig zu atmen.
Ich musste nur warten, bis ich mich direkt über der nächstgelegenen Gondel befand und dann abspringen.
Das war aber leichter gesagt als getan...
Ich sog scharf die Luft ein, ehe ich mich fallen ließ.
Als ich auf der Gondel landete, die sofort stark zu schwanken begann, konnte ich einen leisen Schrei nicht unterdrücken.
Schnell riss ich mich wieder zusammen und hielt mich an den äußeren Stangen der Gondel fest, während ich Shadow mit eisigem Blick fixierte.
Dieser hob jedoch nur unbeeindruckt die Augenbrauen und drehte sich zu Argon in der Gondel neben ihm.
Als die beiden sich mit ihren Kräften gegenseitig angriffen, wurde mir bewusst, dass ich von hier zu wenig ausrichten konnte - also musste ich wohl oder übel über das Gerüst des Riesenrads klettern und so zu Shadows Gondel gelangen, um ihn zu Fall zu bringen. Allerdings würde ich das hoffentlich nur im metaphorischen Sinn machen müssen.
Während ich mich vorsichtig über die Metallstreben in die Richtung der beiden Jungs bewegte, sah ich aus dem Augenwinkel, dass Shadow mittlerweile die Oberhand gewonnen hatte.
Als sich plötzlich einige Schatten um Argons Hals legten und ihm die Luft abschnürten, blickte ich Shadow verzweifelt an. Wenn er so weitermachte, würde er ihn noch umbringen...!
Ich war zwar mittlerweile relativ nah an den beiden dran, allerdings noch zu weit weg, um Argon eine wirkliche Hilfe zu sein. Und aktuelle musste ich mich auch darauf konzentrieren, dass ich nicht abrutschte und in den Abgrund stürzte.
Argon rang nach Luft und sein Gesicht lief dunkelrot an, während er erfolglos versuchte die Schatten um seine Kehle zu verbrennen.
"Hör auf!", schrie ich Shadow an.
Er warf mir bloß einen verständnislosen Blick zu.
"Wieso sollte ich?"
"Bitte, Morpheus", bat ich ihn leise in flehendem Ton.
Für einen kurzen Moment blitzte in seinen Augen etwas auf, das ich nicht einordnen konnte. Dann verhärteten sich seine Züge wieder.
"Tut mir leid, Aline", sagte er kalt. "Das war's für unseren zukünftigen Herrscher von Salem."

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