"Geh mir aus dem Weg, Damien", zischte ich und blickte mit zusammengekniffenen Augen zu ihm hoch.
"Oder was?", knurrte er.
"Oder ich werde meine Kräfte an dir vorführen", drohte ich leise.
Damien lachte nur - ein tiefes und grunzendes Lachen.
"Du denkst wirklich, ich habe Angst vor jemandem, der seine Gegner wegen irgendwelcher schnulzigen Gefühle verteidigt?"
"Tja, zufällig hast du keine Ahnung von meinen Gefühlen. Die hast du dir ja noch nicht zurecht manipuliert!"
Er beugte sich mit zusammengekniffenen Augen über mich.
"Vielleicht sollte ich das ja tun!"
Ich schnaubte.
Jetzt wollte er auch noch mir drohen?
Als hätte er nicht schon genug angerichtet...!
"Tja, aber weißt du. Es macht viel mehr Spaß dich leiden zu sehen", fuhr Damien in höhnischem Ton fort.
"Und ich kann Shadow immer wieder manipulieren. Vielleicht ist das ja nicht mal nötig. Denn soweit ich vorhin gesehen habe, sind er und Lauren zusammen in sein Zimmer verschwunden."
Bei dem Gedanken daran, dass Shadow etwas mit der arroganten Nyx anfangen könnte, wurde mir schlecht.
"Wie schade, dass du nichts dagegen tun kannst", raunte Damien mir triumphierend zu.
Ich spürte, wie sich eine unglaubliche Wut in mir breit machte. Jede Faser meines Körpers hasste Damien. Ich wollte ihm weh tun. Wollte ihn leiden sehen. Wollte, dass er bereute, was er mir angetan hatte. Dass er erkannte, dass er mich unterschätzt hatte...
Ich war wie in einem Rausch, spürte kaum, dass Damien nach Luft rang.
Es war, als würde ich alles um mich herum durch einen Nebel wahrnehmen.
Verschwommen sah ich, dass sich Damiens Gesicht blau-violett verfärbte.
Dann wurde ich mach hinten gezerrt.
Weg von dem Jungen, der diese unfassbare Wut in mir geweckt hatte.
"Verdammt, Aline!"
Professor Morgans Stimme drang dumpf zu mir durch. Ich merkte, dass sie schrie.
"Was hast du getan?!"
Sie schüttelte mich und irgendwie schien mich das zurück in die Realität zu holen.
Die Wut verschwand, meine Sicht wurde wieder klarer und ich erkannte, dass Professor Morgan mich in ihr Büro geschleppt hatte.
Professor Rutherford stand mit schockiertem Gesichtsausdruck in der Tür.
Hinter ihr hatte sich eine Schülertraube gebildet.
"Bitte kümmer dich um die anderen Schüler und sorge dafür, dass der Trubel nachlässt", wies Professor Morgan ihre Kollegin an.
"Ich kümmere mich um Aline."
Professor Rutherford wirkte etwas unschlüssig.
"Vertrau mir, Grace. Ich kriege das hin", bekräftigte Professor Morgan, woraufhin Professor Rutherford das Büro zögerlich verließ und die Tür hinter sich zuzog.
"Oh, Aline", flüsterte Professor Morgan leise und schien in diesem Moment mehr eine besorgte Mutter zu sein, als die strenge, distanzierte Lehrerin.
"Es tut mir leid", murmelte ich benommen.
"Ich war nur einfach so..."
"...wütend?", beendete sie meinen Satz und betrachtete mich mitfühlend.
Ich nickte verwundert.
"Sollten Sie nicht sauer sein, dass ich einen Schüler grundlos verletzt habe?"
Sie lachte leise.
"Ganz grundlos war es sicherlich nicht. Und außerdem bin ich sauer... aber ich verstehe es auch."
Ich sah sie fragend an, während sie sich seufzend auf ihrem Bürosessel niederließ und mir bedeutete, mich auf den Stuhl ihr gegenüber zu setzen.
"Ich hatte gehofft, dir das hier nicht erzählen zu müssen. Aber das war feige von mir", fing sie an, während sie gedankenverloren zur Seite starrte.
"Ich habe dir etwas Wichtiges verschwiegen und ich will, dass du weißt, dass mir das nicht leicht gefallen ist, Aline. Aber ich dachte, es würde bloß alles verkomplizieren, dir die ganze Wahrheit zu erzählen.
Außerdem musst du mir glauben, dass es ein wirklich großes Risiko ist, wenn ich dir das jetzt anvertraue"
Misstrauisch zog ich die Augenbrauen zusammen, während sie für einen Moment schwieg.
Sie seufzte leise, bevor sie fortfuhr.
"Der Grund weshalb ich nicht mit dir und deinem Vater in die Oberwelt gekommen bin, war nicht, dass ich hier unbedingt gebraucht wurde.
Aber dass du in der Oberwelt aufwachsen solltest, um dich vor möglichen Gefahren zu schützen, war nicht gelogen." Sie holte tief Luft und richtete ihre Augen dann auf mich. "Nur dass diese Gefahr eben von mir ausging"
Perplex sah ich sie an und versuchte zu verstehen, was sie da sagte.
"John und ich haben beschlossen, dass es für dich zu gefährlich wäre, mit mir als Mutter aufzuwachsen", wiederholte Professor Morgan.
"Was?", fragte ich verwirrt. "Wieso sollte es das sein?"
Sie schluckte und ließ ihren Blick in die Ferne schweifen.
"Es gab damals einen Zwischenfall...
Niemand außer John und meinem Mentor, dem damaligen Leiter der Artemis, wusste davon.
Du musst mir zuerst versprechen, dass du dieses Geheimnis wahren kannst, bevor ich dir alles erzählen kann."
Ich nickte langsam.
"Okay... Aber was war so schlimm an diesem Zwischenfall, dass ihr deswegen entschieden habt, eure Tochter ohne Mutter aufwachsen zu lassen?!', entgegnete ich.
"Ich hatte damals einen schlimmen Streit mit einer Rivalin", fing Professor Morgan an.
"Lillian und ich kamen nie besonders gut miteinander aus - wahrscheinlich weil wir beide zu verbissen waren in unserem Ehrgeiz, die Beste zu sein.
Als sie dann davon hörte, dass ich im Abschlusstest die beste Artemis gewesen war, ist sie ausgerastet.
Sie hat mich provoziert und irgendwie kam es dann zu einem Kampf zwischen uns.
Lillian war es zwar, die eine Grenze übertreten hatte. Doch ich tat etwas, das ich nie wieder rückgängig machen konnte. Etwas, das ich bis an mein Lebensende bereuen werde."
Ihre Unterlippe bebte und ich sah, wie sie gegen die Tränen ankämpfte.
Noch nie hatte ich in jemandes Augen eine solche Abscheu gesehen. Und als ich begriff, dass diese Abscheu nicht ihrer Rivalin, sondern ihr selbst galt, ahnte ich bereits, was damals geschehen war.
"Was haben Sie getan...?", flüsterte ich so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob sie mich verstand.
"Ich wollte das nicht", beteuerte sie und ihre Stimme zitterte. "Aber ich hatte meine Kräfte nicht im Griff. Viel mehr hatten meine Kräfte mich im Griff. Und dann war da diese unendliche Wut..."
Ich wich ein wenig zurück.
"Sie haben Sie..."
Eine Träne rollte ihr über die Wange, als sie nickte.
"Ja. Es ist meine Schuld, dass sie nicht mehr... unter uns weilt."
Ungläubig den Kopf schüttelnd stand ich langsam auf und wich zurück.
"Verlangen Sie ernsthaft von mir, dass ich es für mich behalte, dass Sie jemanden ermordet haben?", zischte ich.
Professor Morgan warf mir einen verzweifelten Blick zu und biss sich auf die Lippe.
"Bitte, Aline", flehte sie leise.
"Ich habe dir das nur erzählt, damit du weißt, wozu du fähig bist. Damit du nicht die selben Fehler machst wie ich!"
Ich schüttelte entschlossen den Kopf.
"Oh, glauben Sie mir, ich würde nie so etwas tun wie Sie!"
Mit diesen Worten machte ich auf dem Absatz kehrt und verließ ihr Büro.
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Academy of Salem
FantasyAls Aline an der mysteriösen Akademie angenommen wird, verändert das ihr Leben vollkommen. Sie entdeckt eine neue Welt voller Magie und düsterer Geheimnisse. Und dann ist da noch dieser Junge, den sie eigentlich nicht mögen sollte, der ihr aber einf...