20. Kapitel

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Während die Jungs gemeinsam im Schloss blieben, um ein wenig zu trainieren, machten Eve und ich uns auf den Weg zum Light Café.
Da sich das Anwesen der Firestone's mitten im Zentrum der Stadt befand, mussten wir nur eine kurze Strecke zurücklegen.
Das Light Café machte seinem Namen alle Ehre, denn schon von Weitem sah ich etliche, bunt blinkende LED-Leuchtschilder, die nahezu jeden Zentimeter der Hauswand des Cafés bedeckten.
"Willkommen im Light Café!", zwitscherte eine hohe Frauenstimme, als Eve die Tür öffnete.
Die junge Frau hinter dem Tresen strahlte uns an, als wären wir ihr lang ersehntes Weihnachtsgeschenk.
"Kommt rein, ihr beiden! Nehmt Platz und fühlt euch wie zuhause!", fuhr sie mit einer solchen Motivation fort, dass ich mich kurz fragte, ob sie irgendwelche Drogen eingeworfen hatte.
Das Café wirkte im Grunde genommen wie ein stinknormales Café, wenn man mal von der äußerlichen Erscheinung absah. Es gab mehrere Sitznischen mit gemütlichen Sofas und Tischen. Die meisten waren bereits besetzt.
Das einzig Ungewöhnliche war, dass niemand etwas trank oder aß und es ziemlich still in dem Café war.
Während Eve auf eine kleine Sitznische in der hinteren Ecke des Raumes zusteuerte, betrachtete ich die anderen Gäste. Niemand schien sich besonders leise zu unterhalten oder zu flüstern, und doch drang bloß ein leises Murmeln an mein Ohr.
Verwirrt folgte ich Eve und setzte mich ihr gegenüber an den Tisch.
"Also? Was willst du hören?", fragte sie grinsend. "Die haben hier wirklich alles. Sogar Musik, die nur in der Oberwelt gespielt wird!"
Ich überlegte kurz und entschied mich dann für Dion's The Wanderer, weil ich den Song schon viel zu lange nicht mehr gehört hatte.
Eve nickte und legte ihre Hand auf die Tischplatte. "The Wanderer von Dion", sagte sie, woraufhin wie aus dem Nichts die ersten Takte des Liedes ertönten.
Ich blickte mich nach Lautsprechern oder einer Musikanlage um, konnte jedoch nichts entdecken.
"Woher kommt die Musik?", fragte ich Eve, während ich zu dem Paar am Tisch neben uns blickte, welches im Takt einer anderen Musik hin und her wippte. "Und wieso hören wir nicht die Musik der anderen?"
Eve schmunzelte nur.
"Magie", war alles, was sie dazu sagte.
Dann begann Eve davon zu erzählen, dass sie später Friedenswächterin werden wollte, was wohl etwas ähnliches wie eine Polizistin war.
Außerdem erfuhr ich, dass sie eine sieben Jahre ältere Schwester hatte, die jedoch, nachdem sie auf die Akademie gekommen war, den Kontakt zu ihrer Familie abgebrochen hatte.
"Du kannst dich wirklich glücklich schätzen, dass du an der Academy of Salem angenommen wurdest", murmelte sie, während irgendein Song von den Beatles erklang.
"Das ist echt die mit Abstand beste Akademie der Unterwelt und wenn man nicht aus Salem kommt, muss man schon besondere Leistungen aufweisen, um überhaupt in Betracht gezogen zu werden"
"Oder eben eine Mutter haben, die an der Akademie unterrichtet", fügte ich bitter hinzu.
"Tja, du bist immerhin nicht die Einzige mit einer verkorksten Familie", versuchte Eve mich aufzumuntern und ließ ein Lied von AC/DC laufen.
"Weißt du, wo deine Schwester jetzt ist?", fragte ich vorsichtig. "Oder was sie macht?"
Eve schüttelte traurig den Kopf.
"Nein, keine Ahnung. Selbst ihr ehemaliger bester Freund konnte mir nichts über sie sagen.
Aber so überraschend kam es auch nicht - sie war schon früher immer die Rebellin in meiner Familie."
Ich wollte gerade antworten, da fiel mir auf, dass uns die dunkelhaarige Frau am Tisch uns gegenüber unentwegt anstarrte.
"Kennst du die?", raunte ich Eve zu.
"Die Frau dort?", erwiderte Eve und zog nachdenklich die Augenbrauen zusammen. "Nicht, dass ich wüsste."
Schulterzuckend nahm sie wieder das Gespräch auf. Ich hingegen blickte immer wieder zu der Frau herüber und fragte mich, warum sie uns so unverblümt anstarrte.
Als Eve dann eine halbe Stunde später zur Toilette ging, stand die Frau plötzlich auf und lief schnurstracks zu mir herüber.
"Hallo Aline", begrüßte sie mich, als sei ich eine alte Bekannte, und setzte sich ungefragt auf Eves Platz.
"Hallo?", erwiderte ich etwas verunsichert. "Sollte ich Sie kennen?"
"Nein. Aber ich bin eine gute Freundin deiner Mutter", erklärte sie. "Wie ist es so für dich an der Akademie? Kommst du klar?"
Ich nickte etwas unbeholfen.
"Ja. Ist alles noch etwas neu. Aber ich komm schon klar"
"Gut", entgegnete die Unbekannte. "Ich hoffe sehr, dass du und Minerva das hinkriegt. Sie hat es immer bereut, dass sie dich zurücklassen musste."
Ich runzelte die Stirn.
"Ja, ich weiß. Aber ich schätze, das muss ich mit ihr klären - nicht mit Ihnen, Ma'am", sagte ich höflich, aber entschieden.
"Natürlich, entschuldige", sagte die Frau schnell. "Bitte gib ihr einfach eine Chance"
Dann erhob sie sich und verließ eilig das Café.
Verdattert blickte ich ihr hinterher.
"Hey, was ist denn mit dir los?", fragte Eve lachend und ließ sich mir gegenüber nieder.
"Da war nur diese komische Frau", murmelte ich und schüttelte verwirrt den Kopf. "Sie hat sich einfach zu mir gesetzt und irgendetwas von meiner Mutter geredet. Sie meinte, sie ist eine Freundin von ihr und, dass ich ihr eine Chance geben soll"
Ich zuckte die Schultern. "Wie auch immer"
Dann legte ich meine Hand auf den Tisch und sagte: "Beggin' von Måneskin."

"Ich kenne diese Frau nicht - und ganz sicher ist sie keine Freundin von mir", erklärte Professor Morgan, als ich sie auf die schwarzhaarige Frau aus dem Café ansprach.
"Wie können Sie da so sicher sein?", hakte ich nach. "Diese Frau kannte Sie definitiv - und sie wusste sogar, dass Sie meine... Mutter sind"
Dieser Satz kam mir immer noch nicht leicht über die Lippen.
"Das kann nicht sein", entgegnete Professor Morgan entschieden.
"Weil ich seit Jahren nahezu keinen Kontakt mehr zu jemandem außerhalb der Akademie habe", fügte sie leise hinzu.
Überrascht blickte ich sie an. "Das... klingt einsam."
Sie schüttelte den Kopf.
"Nein. Ich will es schließlich so."
"Aber wer könnte diese Frau dann gewesen sein?", fragte ich weiter.
"Keine Ahnung", seufzte Professor Morgan.
"Aber vielleicht jemand, den ich früher einmal kannte. Sag mir einfach Bescheid, falls du dieser Frau noch einmal begegnest, ja?"
Ich nickte. "Okay, Professor."
Als ich gerade das Büro der Leiterin der Artemis verlassen wollte, rief sie noch einmal meinen Namen.
Ich drehte mich zu ihr um.
"Ja?"
"Du musst mich nicht Siezen, Aline", sagte sie leise.
Ich nickte. "Ja, vielleicht."
Vielleicht irgendwann.
Noch war ich dazu nicht bereit, denn das würde bedeuten, dass ich das alles einfach so akzeptieren würde.
Nach einem Blick auf die Uhr, wurde mir bewusst, dass ich entweder sprinten musste oder zu spät zu Geschichte kommen würde.
Und da ich keine Lust hatte, mal wieder von Professor Jones bloßgestellt zu werden, entschied ich mich für ersteres.
Leider hatte ich dabei nicht einen gewissen Idioten eingeplant, der kurz, bevor ich den Klassenraum erreicht hatte, plötzlich um die Ecke schlenderte und in den ich nur einen Bruchteil von Sekunden später hineinrannte.
"Mein Gott! Kannst du nicht einmal aufpassen", beschwerte sich Shadow und rieb sich den Kopf, den ich wohl mit meinem Ellenbogen erwischt hatte.
"Deinem Dickschädel schadet es sicher nicht", erwiderte ich nur und flüchtete in den Klassenraum.
Argon wartete bereits auf mich und sag mich mit hochgezogenen Augenbrauen und einem schiefen Grinsen an.
"Ich dachte, du wolltest heute mal pünktlich kommen."
"Ist nicht so meine Stärke", gab ich zurück.
Professor Jones ließ nicht lange auf sich warten und heftete seine Augen sofort auf mich, als er den Raum betrat.
"Aline Blackwell. Die letzte Stunden war ich so gnädig, dich wegen deiner privaten Angelegenheiten zu verschonen. Doch nun bin ich wirklich gespannt, was du mir über die Herrscher von Atlantis und Game City erzählen kannst."
Ich schluckte. Was wusste er über die Sache mit Professor Morgan?
Und warum zum Teufel hatte ich vergessen, die Namen der bescheuerten Herrscher auswendig zu lernen?!
"Also? Wer ist der aktuelle Herrscher von Game City?", fragte Professor Jones und verschränkte die Arme.
Ich schwieg eine Weile. Dann murmelte ich: "Ich weiß es nicht. Tut mir leid, Professor."
"Caius Hilarius Goldery", sagte Shadow in gelangweiltem Ton.
"Richtig", erwiderte Professor Jones und fokussierte mich mit seinem Blick.
"Die Herrscherin von Iluminaya?"
Ich biss mir auf die Lippe und warf Argon einen hilflosen Blick zu.
"Lady Twilight", sagte Shadow.
"Das ist korrekt. Aber du bist nicht Aline Blackwell soweit ich weiß", zischte Professor Jones.
Shadow zuckte die Schultern.
"Sie weiß es doch eh nicht. Stimmt's Aline?"
Wütend funkelte ich ihn an.
Shadow beachtete mich jedoch gar nicht.
"Die Herrscherin von Salem solltest du mir aber wenigstens nennen können", fuhr Professor Jones fort.
"Aymara", flüsterte Argon mir den Namen seiner Mutter zu.
"Hältst du mich wirklich für so bescheuert, Argon?", fragte Professor Jones in bedrohlich leisem Ton.
Argon schüttelte den Kopf.
"Nein. Aber Ihre Unterrichtsmethoden, Sir"
Der Leiter der Nyx trat näher an Argon heran. "Dann werde ich dir gleich noch eine andere Methode von mir zeigen."
Er blickte höhnisch auf Argon herab. "Eine, bei der du deine nächsten Wochenenden in der Akademie verbringst"
"Ist das Ihr Ernst?!", platzte es aus mir heraus. "Er wollte mir doch nur helfen. Wenn Sie jemandem eine Strafarbeit aufdrücken wollen, dann mir."
Professor Jones ließ seinen Blick zwischen uns hin und her wandern und seine Lippen kräuselten sich zu einem boshaften Lächeln.
"Wie heroisch von dir, Aline. Dann wirst du deinem Freund wohl die nächsten Wochenenden Beistand leisten."

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