40. Kapitel

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Vor der Tür erwarteten uns etwa vierzig Nymphen, die sofort auf einige Schüler und Lehrer zusprangen und sie angriffen.
Harry tötete im Alleingang zwei der Nymphen, während Professor Morgan und Professor Rutherford sich darauf konzentrierten, die Schüler zu verteidigen.
Ich fragte mich, ob die Lehrer alleine nicht sogar stärker gewesen wären, weil wir nun mal keine Erfahrung im Umgang mit den Nymphen hatten.
Dann sah ich jedoch Damien, der einer Nymphe einfach das Genick brach, als wäre es ein Spielzeug.
Meine Beeindruckung hielt jedoch nur für wenige Sekunden an, denn dann stand dieses Ding wieder auf, renkte sein Genick wieder ein und sprang auf Damiens Rücken.
Wahrscheinlich hätte es ihn in der Luft zerfetzt, wenn Argon ihm nicht zur Hilfe geeilt wäre.
Es war ein eigenartiges Bild, die beiden Jungs gemeinsam kämpfen zu sehen.
"Pass auf, Aline!", schrie Shadow, als plötzlich aus dem Nichts eine Nymphe auf mich zu sprang.
Doch ich brauchte viel zu lange, um zu reagieren, sodass sie mich zu Boden riss und ihre Hände auf meine Kehle drückte.
In mir stieg Panik auf und ich merkte, wie langsam alles um mich herum verschwamm.
Nur das Gesicht der Nymphe mit ihrem boshaften Grinsen sah ich noch viel zu deutlich.
Der Schmerz an meinem Hals ging langsam über in Taubheit und auf einmal verschwand auch meine Panik.
Ich wusste nicht, woher diese innere Ruhe kam, doch mit dem Gefühl, alles würde gut werden, erhob ich meine Hand und konzentrierte mich auf das Kribbeln in meinen Fingerspitzen.
Diesmal war es kein sanftes, kitzelndes Kribbeln, sondern ein starkes, machtvolles.
Ich richtete meine Hände mit aller Kraft, die ich gerade noch hatte, auf die Nymphe, um die Luft dazu zu nutzen, sie von mir wegzuschleudern.
Doch sie rührte sich nicht vom Fleck.
Langsam kehrte die Panik zurück und aus dem magischen Kribbeln wurde ein Pulsieren.
Was dann geschah, konnte ich selbst nicht begreifen. Die Nymphe sah plötzlich aus, als ringe sie nach Atem, dann wurde ihr Druck auf meine Kehle lockerer. Ihr Gesicht fiel in sich zusammen und hinterließ eine leere graue Hülle und ausdruckslose schwarze Augen. Erst als ihr Körper zur Seite sackte, realisierte ich, dass sie tot war.
Nach Luft schnappend versuchte ich mich aufzurappeln.
Alles um mich herum nahm ich wie durch einen Schleier wahr.
So kam es mir vor, als würde Argon wie in Zeitlupe zusammensacken und als würde Jones eben so langsam auf ihn zurennen, um ihm aufzuhelfen.
Ich stolperte auf die beiden zu, wurde dabei jedoch von irgendetwas am Arm gestreift, woraufhin ich das Gleichgewicht verlor.
Als mein Arm stark zu brennen begann und ich merkte, dass ich ihn kaum noch bewegen konnte, riss mich das in die Realität zurück.
Schnell versuchte ich aufzustehen und zu Argon zu gelangen, doch irgendjemand, hielt mich fest.
"Komm mit, Aline! Du bist verletzt!", rief Harry streng und hob mich hoch. Ich versuchte, mich zu wehren, doch er trug mich einfach davon.
"Rückzug! Alle sofort rein!", hörte ich Professor Morgan rufen und die Panik in ihrer Stimme bereitete mir ernsthafte Sorgen. Doch mittlerweile begann mein Arm unkontrolliert zu zucken und ich schaffte es nicht, mich nach ihr umzudrehen.
Als Harry mit mir durch den Speisesaal zur Krankenstation lief, war in meinem Kopf nur noch ein Gedanke: Wo verdammt war Shadow? Und ging es ihm gut?

Die Krankenschwester gab mir zuerst eine Spritze, woraufhin das Zucken meines Arms aufhörte, begutachtete dann die Aufschürfung an meinem Arm und entfernte mit einer Pinzette die blauvioletten Blütenblätter, die sich dort befanden.
Ich hatte keine Ahnung, worum es sich dabei handelte, doch ich nahm an, dass es giftig war.
Als Argon, von Jones und Kilian gestützt in den Krankenflügel wankte, sah ich, dass er eine tiefe Wunde in seiner Schulter hatte, aus der violetter Schaum quoll.
"Er wurde von einem der Pfeile getroffen", erklärte Jones der Krankenschwester, während er half, Argon auf das Bett abzulegen.
"Dann waren die Pfeile in blauem Eisenhut getränkt", erwiderte sie.
Von Eisenhut hatte ich sogar in der Oberwelt schon einmal gehört und ich meinte mich zu erinnern, dass es eine der giftigsten Pflanzen war.
Plötzlich begann Argon zu schreien und wild zu zucken.
Die Krankenschwester eilte zu ihm und verpasste ihm ebenfalls eine Spritze - diesmal jedoch mit einer weitaus höheren Dosis als bei mir.
Argons Augenlider flatterten, dann sackte er in die Bewusstlosigkeit ab.
"Machen Sie sich keine Sorgen", erklärte die Krankenschwester.
"Das Gift ist zwar durch die Wunde in sein Blut gelangt, doch Sie haben ihn rechtzeitig hier hergebracht, sodass das Gegenmittel wirken müsste."
Ängstlich betrachtete ich Argon.
Am liebsten wäre ich aufgesprungen und zu ihm gegangen, doch so konnte ich nur da liegen und sehen, wie ich langsam in eine tiefe, ruhige Schwärze sank.
Als ich wieder aufwachte, sah ich, dass sieben andere Schüler auf der Krankenstation lagen. Mittlerweile war es wieder Tag und ein paar helle Sonnenstrahlen fielen durch die kleinen Fenster herein.
"Hey", hörte ich eine raue Stimme.
"Hey", antwortete ich, als ich Argon sah, der im Krankenbett schräg gegenüber von mir lag und seinen Kopf leicht angehoben hatte, um mich ansehen zu können.
"Alles okay bei dir?", fügte ich hinzu und setzte mich auf.
Er nickte. "Ich habe wohl noch mal Glück gehabt. Wie geht es dir?"
Ich winkte ab. "Nur ein Kratzer."
Dann erhob ich mich.
"Wo willst du hin?", fragte Argon misstrauisch.
"Etwas Wichtiges klären", antwortete ich eilig. "Ruh du dich schön aus. Ich komme später wieder."
Mit diesem Versprechen verließ ich die Krankenstation und machte mich auf die Suche nach Shadow.
Ich traf ihn im Speisesaal an, wo er etwas abseits von den anderen saß und nachdenklich in die Luft starrte.
"Dir geht es gut", sagte ich erleichtert, ließ mich neben ihm nieder und schnappte mir ein Sandwich.
Er lachte trocken. "Das sagt die Richtige! Ich war immerhin nicht so dämlich, mich von den Nymphen anschießen zu lassen."
Ein vorwurfsvoller Ton schwang in seiner Stimme mit.
"Bereust du es jetzt schon, dass du dich dafür eingesetzt hast, dass Argon mich mitkämpfen lässt?", schnaubte ich.
Shadow schüttelte den Kopf.
"Du hättest trotzdem besser aufpassen können"
Ich zuckte nur die Schultern.
"Ist ja alles gut gegangen."
"Das würde ich so nicht sagen... Die Nymphen haben sich zurückgezogen, aber durch die vergifteten Pfeile haben sie uns mehr Schaden zufügen können, als alle dachten. Und sie werden ganz sicher wiederkommen", murrte Shadow.
Ich schwieg eine Weile.
"Danke für die Entschuldigung", sagte ich irgendwann leise.
Er hob nur abschätzig die Augenbrauen. "Ach? Du hast meine Nachricht also doch bekommen?"
"Tut mir leid, ich...", setzte ich an, doch Shadow unterbrach mich unwirsch.
"Das will ich nicht hören, Aline. Nur weil ich gesagt habe, wir bräuchten dich im Kampf, heißt das nicht, dass ich dich brauche oder dass wir keine Feinde mehr sind. Du hast klar gemacht, auf welcher Seite du stehst. Also tu mir einen Gefallen und lass mich jetzt alleine."
"Tja, das ist aber nicht mein Problem! So leicht wirst du mich garantiert nicht los", entgegnete ich. "Erst wirst du dir anhören müssen, was ich zu sagen habe. Dann kannst du mit deinen arroganten Sprüchen weitermachen!"
Shadows Blick verfinsterte sich.
"Erinnerst du dich noch an unsere Wette?"
"Was?", fragte ich perplex.
"Du wolltest mir beweisen, dass wir Nyx nicht immer als 'die Bösen' gesehen werden und dass alle die gleichen Chancen haben können."
Ich schluckte, weil ich ahnte, worauf er hinaus wollte.
"Aber langsam sollte dir klar sein, dass manche Leute immer wichtiger sein werden als andere.
Jemand wie er wird doch immer bevorzugt!"
Auch wenn Shadow keinen Namen nannte, wusste ich doch ganz genau, von wem er sprach.
In seinen Augen blitzte eine Verwundbarkeit auf, die ich bei ihm bisher noch nie gesehen hatte.
"Selbst du wirst dich immer für jemanden wie ihn entscheiden!", rief er wütend.
Frustriert schüttelte ich den Kopf.
"Begreifst du es denn nicht?!
Ich hatte mich die ganze Zeit schon für dich entschieden, verdammt!"
Meine Stimme bebte.
"Ich wollte nur mit ihm ausgegangen, um dich eifersüchtig zu machen - weil ich viel zu viel an dich denken musste... und das wollte ich auf keinen Fall - weil ich dachte, du hättest mich verraten!"

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