26. Kapitel

2.7K 134 10
                                    

Leider musste ich Professor Jones noch zwei weitere Stunden beim Kampftraining ertragen. Im Gegensatz zum Kampftraining bei Harry, kämpften wir bei ihm mit Hilfe von Magie gegeneinander.
Dabei gab es kein fair oder unfair, denn schmutzige Tricks waren erlaubt.
"Was ist eigentlich deine Kraft?", fragte ich Lucas neugierig, während dieser mal wieder den oberkörperfreien Damien anschmachtete.
"Warte, ich zeig's dir", erwiderte er und riss sich widerwillig von Damiens Anblick los.
"Okay, mach die Augen zu"
Ich tat wie mir geheißen und spürte, wie er eine Hand auf meinen Arm legte.
Dann sah ich auf einmal das Trainingsgelände, die anderen Schüler und... mich!
Überrascht riss ich die Augen auf.
"Deine Kraft ist es, andere durch deine Augen sehen zu lassen?"
Lucas grinste.
"Nicht nur das", erklang seine Stimme in meinem Kopf.
Ich weitete die Augen. "Du kannst also quasi in den Kopf anderer Leute eindringen?" Dann stockte ich. "Warte, meine Gedanken kannst du aber nicht lesen, oder?"
Ein schelmisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht.
"Wäre bestimmt interessant... aber nein, leider nicht. Apropos interessante Gedanken, was läuft eigentlich zwischen Eve und Kilian? Ich hab gehört, sie haben sich geküsst"
Ich schmunzelte und betrachtete die beiden.
"Ich glaube die sind bis über beide Ohren verknallt"
"Und was ist mit dir und Argon?", fragte Lucas.
"Was soll mit mir und Argon sein?", gab ich zurück.
Lucas hob die Augenbrauen, woraufhin ich den Kopf schüttelte. "Wir verstehen uns einfach gut, mehr nicht. Freundschaftlich."
"Wie du meinst", entgegnete er.
Skeptisch betrachtete ich Lucas.
"Sag mal, wie willst du mit deiner Kraft eigentlich kämpfen? Ich meine, was bringt es dir, in den Kopf anderer zu dringen, außer sie zu Tode zu nerven?"
Lucas lachte. "Es ist nützlicher als du denkst. Ich kann vielleicht nicht einfach wie Argon jemanden in Flammen aufgehen lassen, aber glaub mir, ich weiß mich zu verteidigen."
"Das musst du mir erst noch beweisen, bis ich es glaube", entgegnete ich und verschränkte schmunzelnd die Arme.
"Die Herausforderung nehme ich an. Aber du wärst ein zu leichter Gegner"
Seine Augen wanderten über die anderen Schüler und blieben an einem hängen.
Ich kicherte.
"Ich weiß ja, du schmachtest ihn gerne an. Aber denkst du wirklich, dass du es mit Damien aufnehmen kannst? Selbst für Argon ist das schwierig"
"Tja" Lucas zwinkerte mir zu. "Glücklicherweise bin ich nicht Argon"
Mit diesen Worten lief er zu Damien herüber.
Amüsiert beobachtete ich, wie er ihn herausforderte und dabei ziemlich schmächtig neben dem muskelbepackten Damien wirkte, der zudem um einiges größer war als Lucas.
Damien verdrehte entnervt die Augen und musterte Lucas von Kopf bis Fuß. Dann willigte er mit einem verächtlichen Lächeln ein.
Mittlerweile verfolgten auch die meisten anderen das Geschehen mit.
"Oh mein Gott, was hat er sich nur dabei gedacht?!", flüsterte Eve mir besorgt zu. "Selbst Argon hat er schon mal ein blaues Auge verpasst. Stell dir mal vor, was der dann mit Lucas macht!"
Und tatsächlich holte Damien genau in diesem Moment aus und traf Lucas mit voller Wucht ins Gesicht, sodass dieser nach hinten taumelte.
Erst versuchte sich Lucas mit ein paar schwachen Schlägen zu wehren, die Damien mühelos abwehrte.
Dann änderte er jedoch plötzlich seine Taktik und schloss konzentriert die Augen.
Als er sie wieder öffnete, taumelte Damien etwas zur Seite und blickte Lucas überrascht an, ehe er seine Augen zu Schlitzen verengte.
Abermals holte er zum Schlag aus, doch diesmal verfehlte er Lucas um einige Zentimeter. So war es auch bei den nächsten Schlägen.
"Ist das alles, was du drauf hast?", fragte Lucas grinsend und erwischte Damien mit einem Tritt.
Der stieß allerdings nur ein wütendes Knurren aus und wollte Lucas nach hinten schubsen, als er plötzlich in der Bewegung inne hielt und sich verwirrt umblickte. Er machte wankend einige Schritte nach hinten und stolperte schließlich zu Boden.
"Ich schätze damit ist euer Kampf wohl entschieden", murmelte Jones, der den beiden mit verschränkten Armen zugesehen hatte.
"Du solltest wirklich lernen, deine Kräfte sinnvoll einzusetzen, und nicht bloß mit stumpfer Gewalt kämpfen", wandte er sich an Damien, der sich vor Wut schnaubend vom Boden aufrappelte und Lucas einen ziemlich finsteren Blick zuwarf. Dieser hob jedoch nur mit einem doppeldeutigen Grinsen die Augenbrauen und wandte sich dann von Damien ab.

Am nächsten Tag hatte sich Harrys Zustand wieder verschlechtert, da sich eine der Wunden stark entzündet hatte. Da wir so auch kein Kampftraining hatten, nutzten Argon und ich die Zeit, um Harry einen Besuch abzustatten und anschließend einen Plan auszutüfteln, wie wir Jones am besten ärgern konnten.
Allerdings war es wirklich schwierig, etwas zu finden, bei dem er uns nicht erwischen würde.
Ich hatte die Idee, Professor Morgan einige Informationen über Jones Schulzeit zu entlocken, mit denen wir ihn wahrscheinlich hart treffen würden. Doch Jones schien bereits zu wissen, dass mich etwas mit Professor Morgan verband. Er würde also eins und eins zusammenzählen und wissen, dass ich es war, die ihn bloßgestellt hatte.
"Wie wäre es, wenn du ihn einfach aus Versehen in deinem Wasserstrudel ertränkst?", fragte Argon lachend.
"Keine so schlechte Idee", entgegnete ich, wurde dann jedoch wieder ernst, da ich an Shadow dachte, und daran dass ich meine Kräfte wirklich besser kontrollieren sollte.
Kurz tauchte in meinem Kopf wieder das Bild von Shadow im See auf - was ich jedoch schnell wieder zu verdrängen versuchte.
"Ich glaube wir sollten langsam los, sonst kriegen wir noch Ärger von der Morgan", murmelte Argon und erhob sich von seinem Bett.
Das Elementartraining verlief heute verhältnismäßig ereignislos - außer dass Shadow mich mal wieder mit irgendwelchen blöden Sprüchen aufziehen musst, woraufhin ich ihn einige Zentimeter in die Höhe schweben und ihn dort ein paar Minuten zappeln ließ.
Sogar von Professor Rutherford bekam ich einem anerkennenden Blick für meine Verbesserung.
Langsam hatte ich das Gefühl, wenigstens etwas Kontrolle über meine Kräfte zu haben.
Als ich nach dem Abendessen Leonora anrief, musste ich mir erst mal einen Haufen Vorwürfe anhören. Ich versicherte meiner Tante, dass es mir gut ging und ich klar kam, ging jedoch nicht so genau auf die magischen Details ein. Denn ich hatte noch immer das Gefühl, dass sie nicht sehr begeistert von der Unterwelt war.
Es schien ihr allerdings ziemlich gut zu gehen - und mit ihrem neuen Lover lief es wohl ausgezeichnet.
Nach ein paar Minuten verabschiedete ich mich von Leonora, um mich für die Party fertig zu machen.
Auf dem Weg zu den Waschräumen traf ich Eve, die bereits ein knalliges Make-up aufgetragen hatte und in einem ziemlich kurzen Kleid steckte.
Stirnrunzelnd betrachtete ich das zerknittertes Rolling Stones T-Shirt in meiner Hand mit der rausgestreckten Zunge darauf, zuckte dann jedoch die Schultern.
"Was soll's", murmelte ich. Ich war noch nie der Typ Mädchen gewesen, der stundenlang im Bad brauchte, um sich fertig zu machen oder rosafarbene Minikleider trug.
Bei meinen widerspenstigen Haaren brachte Glätten ja sowieso nicht viel - höchstens für einige Minuten. Und ein Eyeliner sah bei meinen Make-up-Künsten eher nach einem versteckten Hilferuf aus.
"Hey Aline", begrüßte mich eine Stimme, als ich die Waschräume betrat. "Werden unsere Treffen in den Waschräumen etwa zur Gewohnheit?"
Wie erstarrt blieb ich stehen, als ich Shadow sah, der gerade aus einer der Duschkabinen kam und nur ein Handtuch um die Hüften geschlungen hatte. Ich schluckte und zwang mich, nicht darüber nachzudenken, dass sein Handtuch ziemlich tief saß oder dass ihn die noch leicht nassen Haare ziemlich attraktiv aussehen ließen.
"Na?", fragte Shadow, als ich nicht antwortete. "Hat es dir die Sprache verschlagen?"
Ich verdrehte genervt die Augen.
"Hättest du wohl gerne"
Er grinste nur. "Also ich verstehe ja, dass du diesem Anblick", er blickte selbstgefällig an sich herunter, "einfach nicht widerstehen kannst. Ist ja auch schwierig"
Ich schnaubte.
"In der Oberwelt würde ich dir jetzt sagen: Alle elf Minuten verliebt sich ein arroganter Kotzbrocken in sich selbst. Aber Parship oder Tinder kennt ihr hier wahrscheinlich nicht?"
Er runzelte die Stirn. "Was soll das sein?"
"Dating-Apps. Würde sogar verzweifelten Typen wie dir helfen", entgegnete ich und machte mich daran, meine Haare zu einem halbwegs ordentlichen Zopf zu flechten.
"Ha ha", antwortete er und drehte sich dann grinsend zur Tür.
"Na dann, bis später"
Ungläubig schmunzelnd sah ich ihm hinterher, wie er nur mit Handtuch bekleidet den Gang entlang lief. Gott, dem Typ musste echt gar nichts peinlich sein!

Academy of Salem Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt