16. Kapitel

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"Du bist ganz schön spät", erklang eine Stimme aus der Dunkelheit.
"Hast du mich so sehr vermisst?", konterte ich und versuchte Shadow in der Schwärze der Nacht auszumachen.
"Na klar", erwiderte Shadow gespielt ernsthaft. "Ich wollte unbedingt wieder deine schlechten Sprüche hören"
Ich grinste und war in diesem Moment wirklich froh, dass es stockdunkel war.
"Folg mir", wies Shadow mich an.
"Ich sehe dich ja nicht mal", entgegnete ich und fragte mich, wieso am Himmel weder der Mond noch Sterne zu sehen waren.
Das einzige Licht ging von der Dachterrasse der Akademie aus.
"Ach, stimmt ja", erwiderte Shadow und ich hörte das Grinsen in seiner Stimme. "Ich hab vergessen, dass nicht jeder im Dunkeln sehen kann"
Verblüfft starrte ich Shadow an - zumindest glaubte ich, dass ich ihn anstarrte. Ich sah schließlich nichts.
"Jetzt guck nicht so", sagte Shadow und bewies so, dass er wirklich etwas in der Dunkelheit erkennen konnte.
"Ich habe Schattenkräfte. Das heißt die Dunkelheit und ich sind quasi Verbündete"
Wieder hörte ich das selbstgefällig Grinsen in seiner Stimme.
"Na, das passt ja", murmelte ich.
Shadow lachte. Ein leises, heiseres Lachen.
"Wird wohl dauern, bis du es mit mir aufnehmen kannst", meinte er und zog mich hinter sich her.
Als seine Finger auf meine trafen, schoss ein Kribbeln durch meinen Körper. Schnell versuchte ich meinen kurzen Moment der Unsicherheit zu überspielen.
"Du denkst also, ich kann es mit dir aufnehmen?"
"Nö.", antwortete er. "Aber irgendeinen Anreiz musst du ja haben"
Ich schnaubte.
"Bild dir lieber nicht zu viel auf deine Kräfte ein. Ich werd' dich schon noch fertig machen"
Einige Minuten lang schwiegen wir und ich versuchte nicht zu sehr über das Gefühl nachzudenken, das mich durchströmte, seit sich unsere Hände berührt hatten.
Dann irgendwann blieb Shadow stehen und ließ meine Hand los.
Ich hörte, wie sich seine Schritte einige Meter entfernten.
"Wenn du mich einfach entführen und hier verhungern lassen willst, hättest du dir auch einen weniger aufwendigen Plan überlegen können", murrte ich.
"Ich dachte, du wolltest mit deinen Vorurteilen aufhören?", entgegnete Shadow aus einiger Entfernung.
"Entschuldige. Aber hast du mir einen Grund gegeben, dir zu vertrauen?"
Ich wartete auf eine Antwort, doch stattdessen flackerte plötzlich ein helles Licht auf, was mich endlich etwas erkennen ließ.
Anscheinend hatte Shadow eine Fackel entzündet, die den See, an dem wir uns befanden, in ein mysteriöses Licht tauchte.
Um uns herum war nichts außer Bäumen, wir befanden uns also mitten im Wald.
Als Shadow sein T-Shirt mit einer geschmeidigen Bewegung auszog, warf ich ihm einen skeptischen Blick zu. "Was wird das? Eine schlechte Anmache?"
Shadow lachte. "Na klar. Du wärst bestimmt die Letzte, bei der ich sowas versuchen würde"
"Gut", entgegnete ich etwas kühler. "Dann sind wir uns ja einig"
Shadow streifte ebenfalls seine Hose ab und lief dann auf den dunklen See zu.
"Na los, Aline. Komm jetzt", rief er mir zu, während er sich langsam ins Wasser gleiten ließ.
Ich zögerte, dachte dann jedoch daran, dass er mich eh schon einmal in Unterwäsche gesehen hatte und es jetzt auch keinen Unterschied mehr machte.
Also zog ich T-Shirt und Jeans aus und folgte Shadow in den See.
Das Wasser war relativ kühl, doch nachdem ich ein paar Züge geschwommen war, gewöhnte sich mein Körper daran.
"Und was mache ich jetzt?", fragte ich.
"Also meine Kräfte funktionieren am besten, wenn ich mich am meisten mit ihnen verbunden fühle", erklärte Shadow. "Oder wenn ich besonders wütend bin"
"Ah. Das erklärt, wieso du denkst, dass ausgerechnet du mir helfen kannst", mutmaßte ich.
Shadow verdrehte bloß die Augen.
"Vielleicht sind es ja aber auch andere Emotionen, die besonders gut bei dir wirken", überlegte er. Und dann hob er plötzlich die Arme und etwas Dunkles schoss aus seinen Händen hervor, direkt auf mich zu.
Erschrocken riss ich die Augen auf und hob instinktiv meine Arme schützend vor meinen Körper.
Da bildete sich auf einmal eine ungeheure Wand aus Wasser, die mich vor den Schatten abschirmte und sie zurückprallen ließ.
Ich grinste, als ich wieder das Kribbeln der Magie in meinem Körper fühlte, und hob meine Hände.
Dann streckte ich sie mit einer schnellen Bewegung nach vorne, woraufhin das Wasser ruckartig vorschoss. Shadow war so überrascht, dass er von der gewaltigen Welle überrollt und von den Füßen gerissen wurde.
Sofort ließ ich das Wasser zu seinem normalen Zustand zurückkehren, doch ich sah in dem schwachen Licht der Fackel keine Spur von Shadow.
"Du bist ja doch gar nicht so schlecht", raunte plötzlich eine Stimme in mein Ohr.
Shadow war so nah hinter mir aufgetaucht, dass ich seinen Atem in meinem Nacken spüren konnte.
Ich merkte, wie das Kribbeln in meinen Körper zurückkehrte, ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte.
Als mir bewusst wurde, dass mir gerade nicht nur ziemlich heiß wurde, sondern ich tatsächlich das Wasser um uns herum erhitzt hatte, schoss mir die Röte in die Wangen.
"Erschreck mich nicht so", fuhr ich Shadow an und schwamm schnell etwas von ihm weg.
Erleichtert stellte ich fest, dass die Wassertemperatur jetzt wieder kühl war. Doch Shadows Blick sagte mir, dass er diese Situation sicher nicht so schnell vergessen würde und ich mir wohl noch einige blöde Sprüche würde anhören müssen.
"War doch ein guter Anfang", sagte Shadow und betrachtete mich eingehend.
Das Grün-grau in seinen Augen glich dem des Sees und schien dunkler als sonst.

Auf dem Weg zum Flügel der Artemis versuchte ich die Gedanken, die seit dem seltsamen Moment zwischen mir und Shadow durch meinen Kopf wirbelten, zu verdrängen.
Er hatte mir geholfen. Dadurch war er zwar kein komplettes Arschloch mehr, aber immer noch ein selbstgerechter Idiot.
Beim Öffnen der Zimmertür versuchte ich besonders leise zu sein, doch Eve saß hellwach auf ihrem Bett und blickte mich gespannt an.
"Wo warst du? Argon hat dich vorhin gesucht"
Ich zuckte betont lässig die Schultern.
"Ich war nochmal draußen. Wie war es mit Kilian?"
Sie kicherte. "Was meinst du?"
Grinsend musterte ich sie.
"Na, ich seh' doch die Blicke, die ihr euch zuwerft"
Eve blickte schwärmerisch zur Seite. "Naja, er ist schon echt süß", murmelte sie. Dann hielt sie verwundert inne.
"Sag mal, tropfst du?"
"Ähm..."
Ich blickte an meinem durchnässten T-Shirt herunter.
Schnell tauschte ich die nassen Klamotten gegen mein AC/DC-Shirt und lenkte das Thema wieder auf Kilian.
Leider fand Eve meinen ungewöhnlichen Aufzug so interessant, dass sie beim Frühstück auch den anderen davon erzählte.
"Sie hat getropft?", fragte Lucas verwirrt.
Auch Argon und Kilian musterten mich skeptisch.
"Ich war schwimmen", gab ich zu und nahm mir schnell noch etwas von dem Rührei.
"Mitten in der Nacht?", hakte Argon nach und zog die Augenbrauen zusammen.
Ich zuckte die Schultern und aß weiter, um nicht reden zu müssen.
Glücklicherweise wechselte Kilian das Thema und so blieb Argon keine Zeit, mich weiter misstrauisch zu mustern.
Ich hoffe inständig, dass niemand Shadow und mich zusammen gesehen hatte. Außerdem verwirrten mich die Ereignisse von gestern Nacht noch immer.
Da ich ziemlich in meine Gedanken versunken war, hörte ich das Räuspern hinter mir zuerst nicht.
"Aline", holte mich eine Stimme zurück in die Realität. "Wir müssen uns dringend unterhalten"

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