33. Kapitel

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Jeder kennt diese Filme, in denen ein fieses Gerücht in einer High-School verbreitet wird und jeder den Protagonisten plötzlich anstarrt, als wäre er ein Aussätziger.
Genauso fühlte ich mich am Montagmorgen.
Schon als ich den Speisesaal betrat, hatte ich das Gefühl, dass die Blicke der anderen an mir hafteten und als eine Gruppe älterer Mädchen zu tuscheln begann, als ich an ihnen vorbeilief, wurde es langsam wirklich unangenehm.
"Was ist hier los?", flüsterte ich verunsichert, als ich mich neben Eve setzte.
"Reg dich jetzt nicht auf, Aline", setzte Eve an. "Aber..."
Weiter kam sie nicht, denn Damien unterbrach sie und lieferte mir meine Antwort.
"Ey, Aline! Hab gehört du musst jetzt nicht mehr bei Jones nachsitzen, weil sich deine tolle Mommy für dich eingesetzt hat."
Entsetzt starrte ich ihn an.
"Ja. Kannst ihr ja sagen, sie soll sich auch mal für uns einsetzen und nicht nur ihre Tochter bevorzugen!", mischte sich die brünette Nyx ein, die auf der Party mit Shadow geflirtet hatte.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass er mich verraten hatte.
"Halt die Klappe und kümmer' dich um deinen eigenen Kram", fuhr ich die Nyx an und suchte den Speisesaal nach Shadow ab.
Doch von ihm war natürlich keine Spur.
Dieser Arsch!
Ich hatte ihm vertraut und er musste es gleich seinen blöden Nyx-Kumpeln erzählen!
Und jetzt war er auch noch zu feige, mir unter die Augen zu treten.
"Mir ist der Appetit vergangen", murmelte ich und erhob mich wieder.
Mit erhobenem Haupt und dem Versuch die Blicke der anderen zu ignorieren, lief ich aus dem Speiseaal.
Im Flur blieb ich jedoch stehen, da ich nicht wirklich wusste, wohin ich jetzt gehen sollte. Schließlich entschied ich mich für Professor Morgans Büro, in der Hoffnung, dass sie da war.
Nachdem ich zweimal an die Tür geklopft hatte, ertönte endlich ein 'Herein'.
"Ich muss dringen mit Ihnen reden, Professor", redete ich sofort los.
Professor Morgan nickte nur gelassen. "Ich weiß Bescheid."
"Dieser verdammten Arsch!", fluchte ich, während ich mich frustriert gegen die Wand sinken ließ.
Professor Morgan hob fragend die Augenbrauen.
"Egal", winkte ich ab. "Ich kann es ja nicht mehr ändern."
Sie seufzte. "Ist es wirklich so schlimm für dich, wenn deine Mitschüler wissen, dass du meine Tochter bist?"
Ich zuckte die Schultern. "Keine Ahnung. Es geht die jedenfalls nichts an! Und ich weiß es ja selbst erst seit Kurzem. Ich will einfach nicht, dass..."
Ich stockte, weil ich keine Ahnung hatte, was ich eigentlich sagen wollte.
Professor Morgan nickte nach einiger Zeit des Schweigens.
"Schon okay. Das verstehe ich. Und ich werde auch eine Lösung suchen müssen, da Lehrer für gewöhnlich nicht ihre eigenen Kinder unterrichten dürfen. Allerdings ist dieser Fall bisher auch noch nie eingetreten."
Sie seufzte erneut.
"Aber ich werde schon eine Lösung finden. Mach dir darüber keine Gedanken. Und falls dir jemand der anderen Schüler blöd kommen sollte...", fing sie an.
"Mischen Sie sich einfach nicht mehr ein", unterbrach ich sie barsch.
"Ich brauche keine Mom."
Sie schluckte.
"Okay"
Einige Sekunden lang, starrten wir uns bloß schweigend an.
Dann wandte ich mich zum Gehen.

Als ich Shadow in 'Magische Talente' sah, ignorierte ich ihn schlichtweg.
Auch am nächsten Tag im Geschichtsunterricht würdigte ich ihn keines Blickes.
"Heute befassen wir uns mit der Geschichte der Akademie", verbündete Jones, als er den Raum betrat.
"Wie ihr wisst, gab es früher sehr viele, schlimme Kämpfe zwischen den verschiedenen Reichen. Doch durch den Friedensvertrag, den alle Herrscher vor über dreihundert Jahren unterschrieben haben, wurde den Kämpfen ein Ende gesetzt.
Und als Zeichen des Bündnisses der drei großen Herrscher wurde die erste Akademie in Salem gegründet. Wer kann mir darüber genaueres erzählen?"
Sein Blick wanderte zu mir.
"Aline. Möchtest du uns mitteilen, was du darüber weißt? Oder brauchst du dazu auch die Hilfe deiner Mutter?"
In diesem Moment hasste ich Jones aus tiefstem Herzen.
Er war vielleicht sauer, dass ich von seinem Nachsitzen befreit war, doch das gab ihm nicht das Recht, mich nur so zum Spaß vor den anderen Schülern vorzuführen.
Als einige der Nyx zu lachen begannen, beschloss ich, dass es jetzt wirklich an der Zeit war, sich einen Rache-Plan gegen Jones zu überlegen. Und ich würde dabei sicherlich nicht zurückhaltend vorgehen!
"Das Bündnis der großen Drei wurde 1712 geschlossen", sagte Shadow plötzlich.
Ich sah zu ihm herüber und stellte fest, dass er mich ebenfalls ansah.
Schnell blickte ich zur Seite.
"Die großen Drei waren die mächtigsten Herrscher und die Anführer der drei größten Clans der gesamten Unterwelt.", fuhr er fort. Ich spürte, dass sein Blick weiterhin auf mir lag.
"Wenn man sich einen von ihnen zum Feind machte, war man so gut wie tot.
Durch ihren Zusammenschluss verhinderten sie einen sonst höchstwahrscheinlich unvermeidbaren Krieg zwischen den drei Reichen und vereinten ihre Stärke.
Als ein Zeichen des Friedens und der neuen Aufgeschlossenheit und Toleranz ließen die großen Drei die erste Akademie der Unterwelt errichten. Hier sollte jeder willkommen sein, hieß es. Keine Benachteiligung aufgrund der Herkunft." Shadow stieß ein verächtliches Lachen aus. "Allerdings nahmen sie nur Schüler auf, die ihnen in gewisser Weise ähnlich waren. Die sie kontrollieren konnten. Nur wenn man in ihre Fraktionen passte, konnte man bestehen. Was daran Gerechtigkeit sein soll, geht mir nicht wirklich auf."
Als Shadow verstummte, war es für einige Sekunden so still im Klassenraum, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Alle Blicke waren auf Shadow gerichtet.
"Das ist richtig", brach Professor Jones die Stille.
"Die großen Drei errichteten die Akademie auf dem Konzept der Fraktionszugehörigkeit.
Der große Herrscher von der heutigen 'Game City' war seinen Gegnern durch seine Kampfstrategien immer einen Schritt voraus. Seine Kraft war es, die Zukunft wortwörtlich zu schreiben, was ihn zu einem der mächtigsten Unterweltler überhaupt macht. Die Fraktion der Metis sollte sein Ebenbild darstellen. Die damalige Herrscherin über das 'Reich des ewigen Eis' hatte den Ruf trotz ihrer Erbarmungslosigkeit die gerechteste aller Herrscher zu sein und besaß die einmalige Gabe, in das Innerste der Menschen zu blicken und ihre wahren Absichten zu erkennen. Durch sie entstand die Fraktion der Eunomia. Und zuletzt gründete der erste Herrscher von Salem die Fraktion der Artemis. Wie ihr sicher wisst, war er der mächtigste Elementarier und der erste, der in dieser Blutlinie über die Kraft des Feuers verfügter.
Die Nyx wurden erst vor etwas fünfzig Jahren an der Akademie aufgenommen..."
"Was nicht gerade von Fairness zeugt", unterbrach ihn Shadow abfällig.
"Sie hatten ihre Gründe", erwiderte Jones streng.
Shadow lachte trocken. "Wie könne sie das als einer von uns sagen? Sie gehören genauso wenig zur Gesellschaft der anderen Fraktionen dazu, wie wir! Keiner von uns hat sich das ausgesucht - und doch werden wir immer 'Die Bösen' sein. Es wird nie eine Gleichheit der Fraktionen geben."
Einige der anderen Nyx applaudierten Shadow und begannen zu grölen.
Ich warf Argon einen besorgten Blick zu, doch dieser zuckte nur die Schultern.
"Ruhe!", rief Jones plötzlich so laut, dass ich zusammenzuckte. Augenblicklich verstummten alle.
"Du hast Recht, Shadow. Es herrscht eine Ungleichheit. Aber so wie ihr euch verhaltet, werden ihr diese niemals beenden können. Ihr verschlimmert sie nur."
Dann holte er tief Luft und fuhr mit seinem Vortrag über die großen Drei und den Friedensvertrag fort, als wäre nichts gewesen.
Ich beobachtet Shadow, der mit verschränkten Armen lässig auf seinem Stuhl lehnte und Jones mit hochgezogenen Augenbrauen skeptisch zuhörte.
Wäre ich nicht unglaublich wütend auf ihn gewesen und hätte ich nicht gewusst, was für ein Arschloch er war, hätte ich ihn für seinen Mut und seine Direktheit bewundert.
Doch so wandte ich nur den Blick ab und versuchte, mich auf den Unterricht zu konzentrieren.

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