"Guten Morgen, Schlafmütze!", hörte ich eine viel zu motivierte Eve rufen. Langsam öffnete ich die Augen und blinzelte gegen das helle Tageslicht an, welches in unser Zimmer fiel.
"Und? Bist du bereit für heute Abend?", fragte sie und kicherte aufgeregt.
"Können wir ausnahmsweise mal nicht über den Talentwettbewerb reden?", brummte ich, da ich noch immer keine Ahnung hatte, was ich dort als mein Talent zeigen würde.
"Okay. Was hälst du davon, wenn wir über Shadow reden?", fragte sie und hob die Augenbrauen.
"Was soll mit Shadow sein?", fragte ich betont gleichgültig.
"Oh, komm schon, Aline! Du denkst doch nicht, dass ich so blöd bin, dass ich nicht merke, dass da irgendwas zwischen euch abgeht!"
"Naja blöd nicht, aber blind vor Verknalltheit vielleicht schon", erwiderte ich grinsend.
"Hey!", rief Eve laut und boxte mich - allerdings nicht sehr doll - gegen die Schulter.
"Aber mal im Ernst... Magst du ihn? Also ich meine... Stehst du auf Shadow?", platzte sie mit ihrer Frage heraus.
Perplex starrte ich sie an.
"Nein!", antwortete ich dann viel zu energisch. "Ich bin einfach nur... also er ist eben... naja..."
Hilfesuchend sah ich mich um, doch leider war da niemand, der mich vor diesem Gespräch bewahren konnte.
"Das ist sowieso egal", sagte ich schnell. "Weil Shadow nämlich nicht mehr mit mir redet."
Eve blickte mich schuldbewusst an.
"Tut mir echt leid, Al. Ich weiß, daran bin ich auch Schuld."
Ich schüttelte den Kopf.
"Nein. Das habe ich mir ganz alleine eingebrockt. Und deswegen muss ich das auch alleine wieder geradebiegen."
Sie nickte und verstand glücklicherweise meinen Wink, dass ich jetzt lieber das Thema wechseln wollte.
"Wie geht es denn deiner Tante? Ich hab gehört, dass du gestern noch mit ihr telefoniert hast"
"Ja, sie hat sich mal wieder Sorgen und Vorwürfe gemacht, dass sie mich alleine hat in die Unterwelt gehen lassen", erklärte ich seufzend und musste bei dem Gedanken an meine überängstliche Tante schmunzeln.
"Aber ansonsten geht es ihr wohl echt gut. Und ich schätze mal, sie hat endlich den Richtigen gefunden. Kein Arschloch, das sie für den Alkohol oder für eine andere verlässt."
Eve nickte mitfühlend.
"Das freut mich für sie. Wann lerne ich sie denn mal kennen? Stellst du uns einander in den Sommerferien vor?"
Ich lächelte. "Klar. Sie wird dich bestimmt total mögen."
Zwar waren es noch drei Monate bis zu den Ferien, doch es tat gut, mal wieder über etwas so Unbeschwertes und Alltägliches zu sprechen.
Als ich Eve mehr über mein bisheriges Leben in der Oberwelt und über meine Tante Leonora erzählte, wurde ich irgendwann von einem Klopfen an unserer Tür unterbrochen.
"Herein", sagte ich laut, woraufhin Lucas in unser Zimmer geplatzt kam.
"Hey, Leute. Ich störe ja nur ungern, aber du wolltest mit mir noch einmal für den Wettbewerb heute Abend üben, Eve", erklärte er sichtlich nervös.
"Du kannst natürlich auch gerne mitkommen", fügte er an mich gewandt hinzu.
Ich winkte dankend ab.
"Nein, nein. Macht ihr nur. Ich gehe erst mal was Frühstücken. Und danach sollte ich wohl selbst noch ein bisschen mit Poseidon trainieren."
Lucas verdrehte grinsend die Augen.
"Ich verstehe echt nicht, wieso du dieses Kelpie magst! Es ist total unheimlich und außerdem ärgert es ständig alle"
"Poseidon ist überhaupt nicht unheimlich!", protestierte ich.
"Gut, ein bisschen vielleicht", murmelte ich auf Eves skeptischen Blick hin. "Aber wenn man ihn erst richtig kennt, ist er wirklich fürsorglich!"
Lucas lachte.
"Na klar. Dann viel Spaß mit deinem fürsorglichen Kelpie. Bis später."Poseidon begrüßte mich - wie so oft - damit, dass er mit seiner Schwanzflosse eine große Welle erzeugte, die er auf mich zuschießen ließ. Zwar riss mich die Welle von den Füßen und ließ mich mit einem lauten Platschen im Wasser landen, doch mittlerweile konnte ich das Wasser so gut kontrollieren, dass ich spielend leicht zurückschlagen und das Kelpie ärgern konnte.
Daraufhin schnaubte Poseidon etwas eingeschnappt, schwamm jedoch wenige Sekunden später zu mir herüber und ließ sich neben mir durchs Wasser treiben. Ich legte mich auf den Rücken, verschränkte meine Arme hinter dem Kopf und vertraute darauf, dass das Wasser mich trug, während ich nachdenklich in den leicht bewölkten Himmel blickte.
"Weißt du, Poseidon, du hast es echt leicht!", murmelte ich mehr zu mir selbst als zu dem Kelpie. "Du kannst hier einfach den ganzen Tag entspannt herumschwimmen..."
Poseidon wieherte und ich meinte, dabei einen beleidigten Unterton heraushören zu können.
"Was denn?", gab ich zurück. "Sei du mal für einen Tag eine Teenagerin! Das ist viel komplizierter als du denkst"
Poseidon schnaubte und jetzt wusste ich eindeutig, dass er mich nicht ernst nahm.
"Gibt es eigentlich auch weibliche Kelpies?", fragte ich neugierig und betrachtete Poseidon, der mich ebenfalls ansah.
"Ach ne, stimmt ja!", fuhr ich grinsend fort. "Du warst ja in meinen Vater verliebt"
Poseidon blähte eingeschnappt die Nüstern auf und schwamm dann etwas zur Seite.
"He, warte! War doch nur ein Spaß!", rief ich und schwamm Poseidon eilig hinterher.
"Du weißt doch eh, weshalb ich das frage... Ich habe mich ja mehr als einmal bei dir über Shadow aufgeregt!"
Poseidon drehte sich wieder zu mir und neigte seinen Kopf leicht schief.
Allerdings schien er mehr Interesse an dem Schwarm bunter Fische zu haben, der gerade seine Runden durch den See zog, als an dem, was ich erzählte.
Schmunzelnd betrachtete ich Poseidon, während er wiederum die Fische gebannt verfolgte.
"Du redest also häufiger über mich", stellte plötzlich eine amüsierte Stimme aus ein paar Metern Entfernung fest.
Erschrocken zuckte ich zusammen und drehte mich dann zu Shadow um, der lässig an einem der Bäume lehnte und mich von dort aus beobachtete.
"Was machst du denn hier?!", fragte ich und klang dabei entrüsteter als beabsichtigt.
"Dich stalken natürlich", antwortete Shadow gespielt ernst.
"Und außerdem wollte ich mir ein paar Tricks für den Wettbewerb von der großen Aline abschauen!"
Ich setzte ein süffisantes Grinsen auf.
"Tja, da wirst du dich bei meinen vielen Fans wohl leider hinten anstellen müssen"
Poseidon türmte sich stolz hinter mir auf, als wollte er beweisen, dass er tatsächlich mein größter Fan war.
Shadow lachte und es war ein so ansteckendes Lachen, dass ich nicht anders konnte, als mit einzustimmen.
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Academy of Salem
FantasyAls Aline an der mysteriösen Akademie angenommen wird, verändert das ihr Leben vollkommen. Sie entdeckt eine neue Welt voller Magie und düsterer Geheimnisse. Und dann ist da noch dieser Junge, den sie eigentlich nicht mögen sollte, der ihr aber einf...