Kapitel 14

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Ein allgemeines Murmeln setzte ein und verstummte, als Marcus die Hand hob.

»Vor kurzem war eines unserer Mitglieder, Sorin, in einem Club auf der Suche nach Nahrung, als er von einer jungen Dame angesprochen wurde. Sie war ein Werwolf und verlangte, ›zu seinem Boss‹ gebracht zu werden.«

»Werwölfe? Gibt's die?«, rutschte es Caleb heraus. Sorin rammte ihm seinen Ellbogen in die Seite und Marcus sah ihn strafend an, bevor er fortfuhr.

»Sorin war neugierig. Sie wirkte nicht aggressiv und behauptete, Informationen zu haben, die für mich von größtem Interesse seien. Er brachte sie zu mir. Sie forderte freies Geleit, einen neuen Wagen und Geld als Gegenleistung für ihr Wissen über eine große Bedrohung für Vampire, Menschen und Werwölfe. Ich sagte ihr zu, wenn ihre Geschichte wahr und überzeugend wäre. Sie erzählte eine wirre Story über hinterhältige Rudel, die sich bekämpften, eine Verschwörung, einen Überfall von Werwolfsjägern und drogensüchtigen Verrätern, die Schuld daran waren, dass ihre Alphawölfin umgebracht wurde. Das hätte ich als Klatsch und Tratsch abgetan, aber dann verriet sie etwas Interessantes: Auf einer Schule für Werwölfe sei ein Urwolf aufgetaucht, hinter dem sich alle Rudel vereinen sollen.«

Caleb sah schockierte Gesichter. Die Geräuschkulisse schwoll an und erste Zwischenrufe wurden in die Menge geworfen.

»Unsinn! Das kann nicht sein!«

»Das wäre eine Bedrohung für unsere Art!«

»Die spinnt doch!«

Marcus ließ sie einen Moment gewähren, dann sorgte er für Ordnung.

»Ruhe! Hört mir zu! Ich habe der Dame unsere Gastfreundschaft für einen Tag aufgedrängt und Spione darauf angesetzt. Außerdem habe ich unseren Verbindungsmann bei den Mondwölfen kontaktiert. So wie er auf meine Fragen geantwortet hat und vor allem aus dem, was er nicht gesagt hat, musste ich schließen, dass an der Geschichte etwas dran ist. Meine Spione berichteten mir von Aufräumarbeiten und schweren Beschädigungen auf dem Gelände dieser Schule. Irgendetwas ist dort definitiv vorgefallen. Daher frage ich: Sind euch ungewöhnliche oder verdächtige Aktivitäten der Werwölfe aufgefallen? Ich will mehr darüber erfahren.«

»Wo ist diese Wölfin jetzt?«, fragte ein hagerer Vampir mit länglichem Gesicht.

»Ich habe meinen Teil des Geschäfts erfüllt und sie mit Auto und Bargeld ziehen lassen, ganz im Sinne unseres Abkommens mit den Werwölfen. Ich wollte keinen Konflikt auslösen.«

»Du hast sie gehen lassen? Das war unverantwortlich!«

»Ich stehe zu meinem Wort und du hast das nicht zu entscheiden, Abel!«, gab Marcus scharf zurück.

»Abel?«, flüsterte Caleb Sorin fragend zu.

»Dein Erschaffer«, antwortete dieser ebenso leise.

Er musterte den Hageren genauer. Normale Jeans und ein schwarzer Kapuzenpulli. Er wirkte kleiner und schmaler als in seiner Erinnerung an den Angreifer im Dunkeln. Seine Augen lagen tief in den Höhlen und er sah seltsam gehetzt aus.

»Also«, wandte sich Marcus wieder an die Versammelten, »wie sollten wir weiter vorgehen? Ihr dürft offen sprechen.«

»Du hast damals nicht ohne Grund das Abkommen mit den Werwölfen ausgehandelt. Sie waren eine ständige Bedrohung für unsere Art und haben uns viele Verluste beigebracht, genau wie wir ihnen. Warum sollten sie uns plötzlich angreifen? Wir brauchen mehr Informationen, bevor wir entscheiden, Herr«, meldete sich ein älterer, grauhaariger Vampir zu Wort.

Einige andere nickten zustimmend.

Die Rothaarige, mit der sie Marcus vorhin in seinem Zimmer angetroffen hatten, trat zwei Schritte vor.

Wolfswandler II: BlutwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt