Kapitel 41

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Marcus raste durch die Nacht. Am Empfang von Red Life hatte er sich den erstbesten Autoschlüssel geschnappt und war losgefahren. Um Verkehrsvorschriften und Geschwindigkeitsbeschränkungen scherte er sich von Anfang an nicht. Nervös rückte Caleb an seinem aufgesammelten Schwert herum, das ihm in die Seite drückte.

»Wo fahren wir überhaupt hin?«, fragte er, um sich von Marcus' halsbrecherischem Fahrstil abzulenken.

»Zu den Sacred Spires, dem Kianag, den du auf Venthis iPad gesehen hast.«

»Was ist denn ein Kianag?«, meldete sich Derek vom Rücksitz aus.

»Kianag bedeutet Ort, an dem die Toten trinken. Man verehrte die Ahnen dort und brachte ihnen Opfer. Wisst ihr, was Ley-Linien sind?«

Caleb und Derek verneinten.

»Die ganze Erde ist umgeben von einem Netz aus Linien mit besonderer Energie. Es gibt dort Anomalien im Magnetfeld, aber das ist nur das, was physikalisch messbar ist. Doch da ist mehr. Wünschelruten schlagen immer nur in eine Richtung aus, sensitive Menschen haben dort schon immer etwas gespürt und es für heilige Stätten gehalten. Entlang dieser Ley-Linien wurden daher seit Alters her Kultstätten, Kirchen, Tempel, heilige Steine und so weiter errichtet. Ein Kianag ist die Kreuzung dreier Ley-Linien. Dort wird er Senef-sewar erwecken.«

»Warum der Aufwand?«, fragte Caleb, »Ich dachte, da braucht man nur die Asche dazu und genug Blut?«

Marcus warf ihm einen empörten Blick zu.

»Asche rein, Blut rein und kurz umrühren? Die Wiedererweckung eines Vampirs ist keine Drei-Minuten-Terrine! Da gehört mehr dazu! Und bei einem alten und mächtigen Vampir wie Senef-sewar braucht es eben ein Kianag und ... ähm, ja«, sagte Marcus nach einem kurzen Blick auf Derek im Rückspiegel.

Was verheimlicht uns Marcus?

Derek reagierte allerdings nicht auf diese halbe Antwort. Er war immer noch aufgeregt über die ganze Situation und dass sein Schwarm ihn als Begleiter und Schutz dabei haben wollte. Er lehnte sich nach vorne und fragte: »Du hast vorhin gesagt, du weißt, was vorgegangen ist. Kannst du uns das erklären, Herr?«

»Ich weiß es nicht genau, es sind Vermutungen, aber so würde alles zusammenpassen. Würde auch die Unterschiede zwischen den sorgfältig geplanten Aktionen und den überhasteten erklären.«

»Was meinst du?«

»Es sind hier die Falschen zusammengetroffen. Ich vermute, dass der Ursprung bei Abel lag. Er wollte mich loswerden und die Vampire zu Herrschern machen. Sein Geschöpf Christina, die in ihn verliebt war, hat ihn wie immer unterstützt. Abel war klar, dass er einen Kampf gegen mich verlieren würde, und hat Christina auf Venthi angesetzt. Sie kennt Venthi gut und weiß, wie er tickt. Sie hat ihm das iPad erklärt und in den Kopf gesetzt, dass die Menschen eine Bedrohung sind. Sie musste Venthi nur davon erzählen und ihn im eigenen Saft schmoren lassen. Er war schon immer neugierig und würde selbst nachforschen. Dann noch ein paar Andeutungen und Venthi wäre überzeugt gewesen, dass er die Vampire retten muss, zur Not, indem er mich beseitigt.«

»Und ich dachte, das ist nur ein alter Spinner, der in der Vergangenheit lebt«, warf Derek ein.

»Den Fehler haben wir alle gemacht. Ich vermute, dass ein Großteil des Plans von Venthi stammt. Ihr kennt ihn nicht so wie ich, aber er ist ein brillanter Stratege mit einer unendlichen Geduld. Er plant in Jahren und Jahrzehnten. Barlow zu ködern, die finanziellen Angriffe, nach und nach andere Unzufriedene auf ihre Seite zu ziehen, das trägt seine Handschrift.«

»Und was ist dann schiefgelaufen?«, fragte Caleb.

»Die Werwölfin tauchte auf. Abel war schon immer ungeduldig. Er sah eine günstige Gelegenheit und wollte nicht länger warten. Er beschloss, die Dinge zu beschleunigen, und forderte mich auf der Versammlung heraus. Seinen Mitverschwörern aber war das Risiko zu groß und sie ließen ihn hängen. Ab dann waren sie gezwungen, zu improvisieren. Dazu kam Christina, die den Tod ihres Erzeugers rächen wollte. Ich nehme an, sie war es, die von deinem Computer aus die Überwachungskameras sabotiert hat. Sie wollte, dass ich dich verdächtige, Caleb.«

Wolfswandler II: BlutwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt