Kapitel 31

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Vor sich hinsummend verließ Caleb den Aufzug. Heute stand ein Besuch bei der Finanzabteilung auf seinem Programm. Wie schon beim ersten Mal empfingen ihn dort Hektik und Stimmengewirr. Im Gegensatz zu seinem letzten Besuch war Finanzchef Mitch heute nicht mit drei Telefonen und fünf Bildschirmen beschäftigt, sondern befand sich in einer lebhaften Diskussion mit einem grauhaarigen Menschen im Anzug.

Ein Offizieller.

Irgendwoher kam er ihm bekannt vor. Woher nur?

Eine Frau, die aussah wie Mitte fünfzig, kam zu ihm.

»Hallo Caleb, ich bin Abby. Mitch hat mich gebeten, mich um dich zu kümmern. Wie du siehst, ist er ja mit seiner Majestät beschäftigt.«

»Majestät?«

»Dr. Michael Barlow, der Vorstandsvorsitzende von Red Life.«

»Was will er?«

»Es gab da ein paar Vorfälle in letzter Zeit. Langfristig geplante Geschäfte, die nicht zustande kamen, geplatzte Übernahmen und so weiter. Das kann einmal vorkommen, dann ist es Pech, aber wenn sich sowas häuft, muss man misstrauisch werden. Bisher konnten wir nicht herausfinden, was dahintersteckt, da waren ganze Busladungen von Mittelsmännern beteiligt.«

Mitch rief jemanden an, dann diskutierte er weiter mit Barlow. Kurz darauf betrat Marcus das Büro.

»Oh, jetzt wird's spannend«, sagte Abby.

Marcus nickte verschiedenen Anwesenden grüßend zu und gesellte sich zu den beiden Alphatieren am Tisch. Dr. Barlow redete auf Marcus ein. Bei dem ganzen Lärm war nicht zu verstehen, worum es ging, aber durch die Gestik wurde deutlich, dass Marcus nicht einverstanden war. Dr. Barlow verzog keine Miene, stand auf und knöpfte seine Anzugjacke zu. Gemessenen Schrittes verließ er das Büro. Mitch und Marcus redeten noch kurz miteinander, dann gingen beide ebenfalls hinaus.

»Sieht so aus, als hätte er mal wieder das alte Thema angesprochen«, kommentierte Abby. »Er will verwandelt werden und Marcus hat abgelehnt.«

»Kommt das öfter vor?«

»Regelmäßig. Ist heute ruhig abgelaufen. Er hat früher deswegen schon Wutanfälle bekommen, aber in letzter Zeit nimmt er es ziemlich abgeklärt hin. Na ja, egal. Du bist ja nicht wegen dem Büroklatsch hier. Lass uns arbeiten. Also, hier in der Finanzabteilung ...«

Caleb hörte Abby nur mit einem halben Ohr zu. Die Information, dass offenbar jeder hier wusste, dass jemand gezielt die Geschäfte sabotiert und Barlow aufgetaucht war, war viel interessanter. Das würde Sorin interessieren. Nach dem ereignisreichen Morgen war der Abschied voneinander unspektakulär gewesen. Jamaal hatte einen Blick auf sein Handy geworfen, laut geflucht und war bildschirmscrollend davongestürzt. Derek hatte Wachdienst und musste schnell aufbrechen, Sorin war auf dem Sprung zu einem Termin gewesen und bat Caleb, um ein Uhr zu ihm zu kommen und über seine Ergebnisse zu berichten.

Aber das stand erst später an. Er konzentrierte sich wieder auf Abby, die begeistert über neue Entwicklungen auf dem Aktienmarkt berichtete.

Pünktlich um ein Uhr klopfte er an Sorins Tür. Er war immer noch dabei, seine Gedanken zu sortieren, damit er ein vernünftiges Fazit ziehen konnte. Sorin öffnete und bat ihn herein.

»Setz dich. Willst du was trinken?«

Caleb nickte und Sorin kredenzte zwei Gläser Blut.

»So, dann erzähl. Wie war's?«

Aus Unsicherheit verfiel Caleb wieder in seine alte Taktik, Antworten kurz und knapp zu halten.

»Gut.«

Wolfswandler II: BlutwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt