Kapitel 18

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Sie blieben vor der Tür gegenüber von Markus' Allerheiligstem stehen.

»Später schauen wir nach einem Gästezimmer für dich, heute wirst du bei mir schlafen.«

Sorin öffnete die Tür und stieß sie auf.

»Willkommen in meinem Reich!«

Caleb schaute sich um. Als er etwas von ›Zimmer‹ gehört hatte, war ihm unwillkürlich das Kabuff eingefallen, in dem er zusammen mit Aaron gehaust hatte, aber das hier war riesig, nur geringfügig kleiner als es bei Marcus gewesen war. Die Einrichtung war minimalistisch, der direkte Gegensatz zu dem ganzen Prunk und Kitsch in Venthis Unterkunft. Indirekte Beleuchtung erhellte den Raum. Eine breite Couch lud zum Sitzen ein, gegenüber ein großer Flachbildfernseher. Am anderen Ende stand ein Tresen mit Barhockern, der eine Küchenzeile verdeckte. Zentrum des Ganzen bildete ein riesiges Bett mit einer altmodischen Wäschetruhe davor. Ein moderner Ankleidespiegel stand vor der Wand und verriet Caleb, dass der Besitzer wohl etwas eitel war. Neben der Küchenzeile, die Sorin ansteuerte, gab es eine weitere Tür, die in ein angrenzendes Zimmer führte.

»Na, wie gefällt's dir?«, fragte er und machte sich am Kühlschrank zu schaffen.

»Ähm, schön, hatte ich mir anders vorgestellt. Aber da steht nur ein Bett. Sollen wir da beide drin schlafen?«

Amüsiert blickte Sorin zu ihm auf und schloss den Kühlschrank.

»Natürlich. Was hast du erwartet? Eine feuchte Gruft und einen knarrenden Zwei-Personen-Sarg?«

Er legte Blutkonserven in die Mikrowelle und stellte den Timer.

»Erst ein kleiner Schlummertrunk. In zwanzig Sekunden ist es halswarm. Setz dich.«

Zögerlich kam Caleb näher. Er hatte für eine Nacht zu viel erlebt, aber die Aussicht auf Blut war immer verlockend.

Vor sich hinsummend wartete Sorin, bis die Mikrowelle fertig war, schüttelte die Blutkonserven und goss den Inhalt in zwei große Kristallgläser. Der mittlerweile vertraute Druck im Oberkiefer verriet Caleb, dass seine Fangzähne wieder ausfuhren. Gierig griff er nach dem Glas, das Sorin vor ihm abgestellt hatte und nahm einen Schluck.

»Du sabberst.«

Caleb zwang sich, das Glas nicht leerzutrinken, und stellte es wieder ab. Er wischte sich über den Mund und schaute Sorin zu, der ohne sich zu verändern, ganz zivilisiert einen Schluck trank.

»Wie machft du daf?«, nuschelte er an seinen überdimensionalen Eckzähnen vorbei.

»Reine Übungssache. Du machst ja auch schon Fortschritte und musstest nicht über das Blut herfallen. Bald wirst du nicht mehr automatisch in deine Vampirgestalt wechseln, sobald du Blut riechst, sondern erst beim Trinken, dann wirst du dich willentlich verwandeln können und schließlich ganz gezielt nur Teile deines Körpers.«

Zum Beweis hielt er beide Hände hoch. Eine wurde zur Klaue und die Fingernägel wurden dicker und verhornter. Sie wuchsen und standen scharfen Krallen gleich von den eigentlichen Fingern ab. Die andere Hand und der restliche Körper blieben unverändert.

»Und ans Reden mit den Zähnen gewöhnst du dich schnell.« Unvermittelt fuhren Sorins Hauer aus. »Süße Säue saugen schöne Schwänze.«

Schon bildeten sich die Reißzähne zurück.

»Reine Übungssache. Hey, warum wirst du denn rot?«

Caleb ersparte sich eine Antwort und trank schnell aus seinem Glas.

»Ooch, schüchtern, der Kleine! Süß!«, sagte Sorin entzückt.

Caleb fühlte, wie seine Ohren heißer wurden, und fand die Maserung der Theke plötzlich unglaublich faszinierend.

Wolfswandler II: BlutwandlerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt