Mit der Eröffnung den Fives gegenüber geriet ein Stein ins Rollen, der nicht mehr zu stoppen war. Dass dies meine Chance zurück zu einem normaleren Leben war, einem unbeschwerteren Leben, stand außer Frage. Jetzt, wo ich die Tatsache ausgesprochen hatte, dass ich sie nutzen musste und wollte, waren Fakten geschaffen, die nach geradezu hektischer Aktivität schrien. So vieles war zu organisieren, so viele Menschen zu informieren. Ich wusste gar nicht, wo anfangen. Mal abgesehen vom Offensichtlichen. Wo ich schon mal hier im Projekt war, waren Zoe und Nicolai die nächsten, die von der anstehenden Veränderung erfuhren. In diesem Gespräch wurde mir erst wirklich klar, wie unvorbereitet ich auf die nächsten Tage war. Weder hatte ich einen Augenarzt für die Nachsorge, noch eine Kliniktasche, geschweige denn eine konkrete Vorstellung, wie lange ich krankgeschrieben sein würde, oder wie gut ich danach sehen konnte.
Konnte ich allein im Wohnheim zurechtkommen? Wer begleitete mich zur Nachsorge? Wer informierte mich über den Stoff der Vorlesungen und hatte ich in der Bücherei Anspruch auf Krankengeld? Oder wurde ich gar gekündigt, weil ich noch in der Probezeit war? Wer kümmerte sich um mich, falls ich nicht klarkam oder Komplikationen auftraten?
Meine Euphorie über die Tatsache, endlich eine Entscheidung getroffen zu haben, wurde von den Sorgen, die Zoe heraufbeschwor, völlig überdeckt. Vor dem Haus atmete ich zittrig ein. Die Zeit war zu kurz. Sie hatte ausgereicht, eine Entscheidung zu treffen, aber nicht, um mich auf den großen Tag vorzubereiten. Statt einen Schritt nach dem anderen zu machen, stolperte ich gerade in eine ungewisse Situation und das fühlte sich nicht gut an. Überstürzt.
Ich war so planlos, dass ich Leuten mitteilte, was ich vorhatte, bevor der Chirurg davon wusste oder ich geklärt hatte, wie ich in den Stützpunkt kam, ob oder wie lange ich im Krankenhaus blieb und was ich brauchte. Bis auf Davis ahnte noch keiner aus meiner Familie, welche Veränderungen in naher Zukunft auf mich warteten.
Wie konnten der Arzt, Davis und auch Carter nur annehmen, eine Woche würde reichen, um alles vorzubereiten?
Carter reagierte bei unserem Telefonat auf diese Frage mit einem Schnauben.
„Das ist aber Jammern auf hohem Niveau. Du hast noch drei Tage, um dich vorzubereiten. Ich hatte keine drei Sekunden dafür, Anna."
Jetzt war es an mir zu schnauben.
„Der feine Unterschied ist, dass du zu dem Zeitpunkt bewusstlos warst. Du konntest dir also gar keine Gedanken machen."
„Ist ein Argument", gab Carter widerwillig zu. „Versuch dich abzulenken. Damit, dass du dich verrückt machst, wird es nicht besser. Du kannst weder Cal noch die Uni vor Montag informieren und ich würde dir davon abraten, deine Granny oder deine Mum anzurufen. Die machen dich die nächsten zweiundsiebzig Stunden nur kirre."
„Und was soll ich machen?", motzte ich Carter an, weil ich ein Ventil brauchte und er gerade zur Verfügung stand. „Soll ich Socken stricken?"
Carter lachte.
„Ich würde ein Paar nehmen. Bitte Größe 45."
„Gott, im Ernst ,Carter. Ich bin so angespannt, dass ich die ununterbrochen auf und ab tigere. Wie soll ich bis Mittwoch überleben?"
„Tja, Anna, dann weißt du jetzt, warum ich mit dir essen gehen wollte, nicht wahr?" Für den Fall, dass ich es nicht kapierte hatte, fügte er an: „Um dich abzulenken."
Genervt strich ich mir meine Locken aus der Stirn. Ich hätte zusagen sollen. Ein Essen unter Freunden. Aber ich Schaf hatte Angst, dass er es anders meinen könnte.
„Vermutlich gilt das Angebot nicht mehr?", erkundigte ich mich kleinlaut.
Einen Moment zögerte Carter und bangen Herzens wartete ich. Mental stellte ich mich bereits auf einen langen Abend und eine noch längere Nacht ein.
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BLINDFOLDED - Blindes Vertrauen
RomanceManchmal muss man blind vertrauen: Anna findet Ian unerträglich. Selbstverliebter Mädchenschwarm. Der Mittelpunkt seines Universums. Rauchender Partygänger, der Gott und die Welt kennt. Genau der Typ, den Anna meidet wie der Veganer das Fleisch. Doc...