Kapitel 28

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Kajas POV

"You're the best present ever
Life's a snow globe when we're together"
Sabrina Carpenter - Silver nights

Ich rieb mir seufzend mit einer Hand über die Stirn, während ich in das entsetzte Gesicht meiner Mutter blickte. Mein Vater hatte erbost die Hände in die Hüften gestemmt, während er vor dem Küchentisch auf und ab lief. Ich hatte den ganzen Tag lang überlegt, wie ich ihnen von meinem Plan erzählen sollte und hatte es schließlich nach dem Kaffeetrinken und einem ausgiebigen Spaziergang mit meiner Oma hinter mich gebracht. Meine Großmutter schien mich als Einzige zu verstehen, denn sie drückte liebevoll meine Hand, die zitternd in meinem Schoß lag. „Du willst also wirklich an Weihnachten abhauen, um einen Fußballer in Bremen zu besuchen?!", polterte mein Vater plötzlich los und ich zuckte zusammen. Es war mir schon klar, dass es ihm missfiel, doch wenn ich auf mein Herz hörte, dann wollte ich gerade viel lieber bei Julian sein als hier, wo ich ohnehin nur für meinen Kontakt mit dem Profi verurteilt wurde. Diese ewigen Diskussionen raubten mir meinen letzten Nerv und ich hatte sie so oft über mich ergehen lassen, dass ich jetzt einfach hier weg musste. So leid es mir auch tat. „Nein, ich bin einfach nur diesen Streit mit dir Leid", gab ich leise von mir, warf meiner Mutter einen entschuldigenden Blick zu und erhob mich, um in mein Zimmer zu gehen. Meine gepackte Tasche lag bereits auf dem Bett und ich ließ meinen Blick noch einmal durch den Raum gleiten, wobei mir der Umschlag auffiel, den ich gestern Abend nicht mehr geöffnet hatte. Ich entschied, dass er bis Bremen warten konnte und verstaute ihn ganz oben in meiner Tasche, bevor ich diese schulterte und mich mit schweren Schritten wieder auf den Weg nach unten machte.

„Kann ich dich nicht noch irgendwie umstimmen?", fragte meine Mutter mich und als ich in ihre glasigen Augen blickte, stiegen auch mir die Tränen in die Augen. Ich brachte nicht mehr als ein leichtes Kopfschütteln zustande und ließ mich in eine herzliche Umarmung ziehen. „Meldest du dich dann wenigstens, wenn du angekommen bist?", bat sie mich und ich gab einen zustimmenden Laut von mir, während ich meine Arme fest um sie schlang. „Sei mir bitte nicht böse, ja?" bat ich sie, als wir uns voneinander lösten und sah ihr tief in die Augen, in denen Tränen schimmerten. Es tat mir leid, dass ich ihr mit meinem plötzlichen Aufbruch so vor den Kopf stieß, doch solange mein Vater sich so verhielt, waren harmonische Tage hier gerade nicht möglich und sie verdiente diesen Streit noch weniger als die Tatsache, dass ich nur zwei Nächte hier geblieben war. „Fahr bitte vorsichtig und genieß die Zeit bei deinem Julian", sagte meine Oma mit einem liebevollen Lächeln auf den Lippen, als sie mich in ihre Arme schloss. Es bedeutete mir sehr viel, dass sie immer bedingungslos zu mir hielt. Seufzend griff ich nach einem kurzen Blick in das Gesicht meines Vaters nach der Türklinke. Insgeheim hoffte ich, dass er sich vielleicht doch noch ein nettes Wort herausdrücken konnte, doch er sah mich mit einem ernsten Blick an, während er seine Lippen fest aufeinanderpresste. Ich schrieb Julian eine kurze Nachricht, dass ich mich auf den Weg machte, nachdem ich die Adresse von seinem Elternhaus in das Navigationssystem eingegeben hatte. Mir wurde eine zweistündige Fahrt vorausgesagt und ich würde somit gegen 20 Uhr in Bremen eintreffen.

„Fahr bitte vorsichtig, Sonnenschein! Ich freue mich auf dich:-*"

Seine Nachricht stimmte mich ein wenig fröhlicher und ich parkte den Mercedes konzentriert aus, bevor ich auf unserer Hofeinfahrt wendete und mit einem mulmigen Gefühl auf die Straße fuhr. Ich verzichtete auf einen Blick in den Rückspiegel, denn das würde mich nur schmerzlich daran erinnern, dass ich sicherlich nicht allzu bald wieder herkommen würde. Mein Vater hatte mir gezeigt, dass ich in seinen Augen offenbar alles falsch gemacht hatte bei meiner Männerwahl und es verletzte mich, dass er mich nicht ein einziges Mal gefragt hatte, wie es mir eigentlich nach Kevins Fehler ging. Es ging ihm immer nur um meinen Ruf und meine Karriere und die Erkenntnis ließ mein Herz wild gegen meinen Brustkorb schlagen. Meine Kehle schnürte sich augenblicklich zu und meine Finger verkrampften sich um das Lenkrad, als ich die Auffahrt auf die A2 nahm und das Gaspedal des Coupés durchdrückte. In Sekundenschnelle hatte ich auf 160 km/H beschleunigt und die Ankunftszeit auf dem Display des Autos änderte sich aufgrund der aktuellen Verkehrslage.Die Autobahn war nahezu frei, was mich nicht wunderte. Schließlich saßen vermutlich gerade alle glücklich bei ihren Familien, während ich vor meiner flüchtete. Tränen brannten in meinen Augen und ich ließ ihnen einfach freien Lauf. Passend dazu prasselten die ersten Regentropfen auf die Windschutzscheibe und ich hätte beinahe über diesen Umstand gelacht, wenn ich nicht so aufgelöst gewesen wäre.

All I Need (Julian Brandt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt