Kapitel 51

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Kajas POV

„Ich spür'es frisst dich auf.
Die Gedanken so laut- es tut weh.
Und obwohl du's nicht zeigst, dass es dich grad zerreißt
-Ich kann's sehen"
Lea - Wenn du mich lässt


Eher halbherzig verfolgte ich das Geschehen auf dem Bildschirm des Fernsehers, wo irgendeine Netflix-Serie lief, die ich eher zufällig ausgewählt hatte. Während Julian heute eine erneute Einheit bei der Physiotherapie hatte, hatte ich die Zeit genutzt und für Ordnung in der großen hellen Wohnung gesorgt. Seit unserem Spontantrip in Hamburg war mittlerweile eine Woche vergangen und mein Freund steckte seine gesamte Energie in sein Comeback. Ich wusste von Jannis, dass die Ärzte ihn eher bremsen mussten den Fuß nicht zu früh zu sehr zu belasten, doch Julian war zu ehrgeizig, als dass er darauf hörte. So bekam ich des Öfteren mit wie er nachts doch noch zu einem Schmerzmittel griff, wenn der Fuß zur Ruhe kam. Doch ich hatte es aufgegeben ihn zurecht zu weisen, da es immer nur zu Diskussionen führte, die ich einfach vermeiden wollte.

Nach Julians Liebesgeständnis schwebten wir wie auf einer rosa Wolke und waren dadurch nur umso näher zusammen gerückt. Wir hatten den Sonntag in Hamburg noch in einem süßen Café gefrühstückt und uns dann wieder auf den Weg nach Dortmund gemacht, wo wir den Abend bei einem guten Film auf der Couch hatten ausklingen lassen. Allein der Gedanke an diesen Tag ließ mich lächeln und ich versuchte die Tatsache zu verdrängen, dass dieses Glücksgefühl nicht allzu lang angedauert hatte. Nachdem Julian am Montag wieder mit seinem Reha-Programm gestartet war, fing er an sich wieder mehr zu verschließen. Während er das Wochenende über der liebevolle Partner an meiner Seite gewesen war, so igelte er sich jeden Tag ein bisschen mehr ein und war eher wortkarg. Es war eher ein schleichender Prozess, doch es beunruhigte mich, da ich Julian eigentlich nur als glücklichen Sunnyboy kannte, der sich nicht von so einer blöden Verletzung runter ziehen ließ. Ich wusste, dass er sich selbst einem enormen Leistungsdruck aussetzte und es in seinen Augen viel zu langsam voran ging, doch er musste einfach geduldig sein und sich an die Vorgaben des Ärzteteams halten, wenn er schnell wieder auf dem Platz stehen wollte. Er sprach nicht viel mit mir über die Fortschritte, doch ich merkte an seiner Laune, dass es wohl nicht ganz so gut lief, wie er es sich vorgestellt hatte.

„Lass ihm ein bisschen Zeit. Er wird schon reden, wenn er so weit ist", hatte Jannis erst gestern am Telefon zu mir gesagt und ich versuchte wirklich mich an diesen Tipp zu halten. Auch wenn es alles Andere als leicht war, denn ich konnte Julian nur allzu deutlich ansehen, dass er sich selbst viel zu viel Druck machte. Doch ich musste seinem Bruder da wohl vertrauen, dass mein Freund sich irgendwann wieder öffnen und mit mir sprechen würde.

Der Knall, den die Wohnungstür mit einem Mal von sich gab, riss mich aus meinen Gedanken und ich zuckte erschrocken zusammen, ehe ich mich in Richtung Flur drehte. Es dauerte einen Augenblick, bis ich Julian erblickte, der mit seinen Krücken ins Wohnzimmer humpelte. Er begrüßte mich mit einem knappen „Hey", was mich kurz die Stirn runzeln ließ. Diese Begrüßung toppte alles, was in den letzten Tagen passiert war. So schlecht gelaunt war er noch nie gewesen. Auf den ersten Blick wirkte es, als würde er schlechter laufen als noch heute Früh, doch ich machte mir zunächst keine Gedanken darum. Marius war heute so nett gewesen und hatte den Chauffeur für ihn gespielt, damit ich nicht extra los fahren musste. Seine Lippen waren zu einem schmalen Strich verzogen und er sah nur kurz zu mir auf, ehe er den Blick wieder abwandte und sich langsam zum Kühlschrank begab, um sich eine Flasche Wasser zu nehmen. Er lehnte sich mit der Hüfte gegen die Küchenzeile und obwohl ich es kommen sah, erschreckte ich mich trotzdem, als die Krücken scheppernd auf dem Fliesenboden aufschlugen. „Fuck!", kam es Julian fluchend über die Lippen und ich beobachtete mit hochgezogenen Augenbrauen, wie er mit dem rechten Fuß gegen eine der Gehhilfen trat. Ich entschied mich kurzerhand dazu ihm zu helfen, ehe er sich den anderen Fuß auch noch kaputt machte. Also stand ich auf und trat mit einem leichten Lächeln auf den Lippen an Julian heran, der gerade einen großen Schluck aus der Flasche trank. Ich bückte mich und hob die Krücken auf, um sie gegen den Unterschrank zu lehnen.

All I Need (Julian Brandt)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt