GEHEIMNIS

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Elliott

In mir drinnen herrschte völliges Chaos. Ein einziger Sturm, wütete in meinem Inneren. Alles war komplett durcheinander und trotzdem wirkte ich von außen ruhig und gelassen. Ich ließ mir rein gar nichts anmerken - das tat ich nie. Denn sobald auch nur die klitzekleinste Regung durch diese Maske hindurch sickern würde, hatte jeder Außenstehende etwas in der Hand, selbst wenn es bloß ein Hauch von Nichts war. Menschen waren ebenso, dass sie alles, was sie in die Finger bekamen, dazu nutzten um anderen Schaden zuzufügen. Sie gingen sogar so weit und dichteten sich ihre eigenen Vorstellungen hinzu, um ihre Geschichten aufrechtzuerhalten. Selbst dann noch, wenn das Opfer nicht einmal mehr physisch anwesen war. Denn dann ging es meistens erst richtig los. Ein Toter konnte sich schließlich nicht mehr wehren, also war die Angst, selbst verletzt und einstecken zu müssen, kaum noch vorhanden. Dass der Peiniger sich damit nur selbst schadete, dafür war dieser oftmals schon zu blind, um sehen zu können, wie er sich sein eigenes Grab dabei schaufelte.

Ein Seufzen ließ meine Augen zur Seite schielen, wo Spencer angelehnt und mit verschränkten Armen vor der Brust da stand. Die Scham von heute Morgen, wie ich auf seinem Rücken, halb an ihn gekuschelt aufwachte, schoss mir in den Kopf und färbte meine Wangen rot. Schnell sah ich wieder auf die Computerbildschirme vor mir.
"Elliott, du sollst endlich mit mir reden!" "Worüber?", murmelte ich, "Und wieso bist du überhaupt hier? Falls du auf neue Ergebnisse wartest, enttäusche ich dich." "Glaube mir Liot, nach dem was gestern alles passiert ist, bis du mir im Moment wichtiger, als diese Hackergruppe." Verwundert fragte ich: "Wie hast du mich gerade gennant? Liot?" "Ja, das habe ich! Und es ist mir auch völlig egal, ob dir das passt oder nicht - ich nenne dich so, wie ich will. Jetzt rück mit der scheiß Sprache raus! Was war da los mit dir?"

Angestrengt biss ich mir auf die Unterlippe. Ich wollte Spencer alles erklären - zumindest einen Teil - denn wenn er es verstehen würde, würde ich einen großen Gewinn dadurch machen; nämlich neue Tabletten. Aber was war, wenn Blondie es nicht verstand, geschweige nachvollziehen konnte? Dann war ich schneller in meiner vor gemieteten Zelle, in Brixton als mir lieb war. Zu dem wäre er dann, mit in diese Sache verwickelt und somit definitiv ein toter Mann, durch die Hand der Könige, welche durch mich dadurch geleitet wurde. Das konnte ich nicht zulassen.

Moment mal! - ich konnte Spencer's Tod, nicht zulassen? Verwirrt durch meine Gedanken hielt ich inne. Zum ersten Mal, in meinem Leben, fühlte ich mich irgendwie überfordert. Ich hatte noch nie solche Gefühle gehabt. Ich wusste zwar alles über die Neurotransmitter Dopamin und die Hormone Vasopressin und Oxitocin, welche bei Verliebten vermehrt ausgeschüttet werden und dadurch, das Belohnungssystem beim Anblick eines geliebten Menschen besonders aktiv wird. Aber ich und verliebt? Ich hatte eine Emphatistörung. Ich war theoretisch gesehen, eine Mischung aus Sozio- und Psychophat. Ich war skrupellos; ohne jegliche Reue. Das ging also gar nicht. Es war zwar nicht unmöglich und es gab zu dreißig Prozent immer eine Ausnahme, aber...Oh bitte, sei das nur eine Nebenwirkung, durch den Medikamentenentzug!

"Ich wäre fast zum Prinzen geworden."

"Hä?", fragend sah mich Spencer an. Also gut, soweit schien das R.S.G. nichts über meine Vergangenheit zu wissen.
"Ich wäre fast vollständig zum Prinzen geworden.", wiederholte ich meinen Satz, stand auf und drehte mich zu Spencer, "Einfacher gesagt: ich hatte einen Anfall. Um genau zu sein, einen psychogenen Anfall der Kategorie multipler Persönlichkeitsstörung - die schwerste Form einer dissoziativen Störung. Und das, ist nun mal der Prinz!", ich breitete meine Arme aus, um dies zu verdeutlichen. "Anfangs, da war es nur ein Titel, welchen ich schon vor meiner Geburt besaß; sogar schon hatte, als meine Mutter noch nicht einmal schwanger war. Doch aus diesem Titel wurde jemand. Eine Persönlichkeit. Meine zweite. Und tja, was soll ich dazu noch weiter sagen? Du hast ja gesehen, wie ich dann bin. Was ich dann bin.", den letzten Satz flüsterte ich nur noch.

"Und...wie ist das passiert? Ich meine, warum bist du so geworden?", Spencer's Stimme war ebenfalls leise, "Du bist schließlich erst 16." "Das Alter spielt dabei keine Rolle und schon gar nicht, in so einer Welt. Um im Underground überleben zu können, muss man halt etwas Bedeutendes sein. Ich war es schon von Beginn meines Lebens und habe dies dann immer weiter ausgearbeitet, bis das entstand, was ich heute bin. Es ist hart, in eine der Königsfamilien des Underground's hinein geboren und dort aufgewachsen zu sein. Außenstehende denke, dass solche Leute Privilegien haben, die sie beschützen und die ihnen alles geben was sie wollen. So ist es auch, aber die Realität sieht trotzdem anders aus als die Vorstellungen darüber." Ausrufend unterbrach mich der Agent: "Ha - schon wieder! Gestern hast du - und nicht nur du - ständig von irgendwelchen 'Königen' geredet. Wer sollen die sein?"

Ich schwieg und schloss meine Augen.
"Oh Nein! Elliott mach jetzt keinen Rückzieher und verschließ dich nicht wieder, Kleiner."

Langsam öffnete ich meinen Mund: "Vier Könige. Es waren einmal vier Könige. Vincent da Vinci, Sebastian Morgan, Henry Williams und Liam Lopez. Diese Namen haben die Unterwelt regiert und das, seit Anbeginn der Zeit. Diese Familien haben praktisch gesehen den Underground erschaffen, aus dem Hintergedanken, dass egal wer, er immer einen Platz haben wird in dieser Welt - ob nun im Licht oder im Schatten.
Mein Vater stand dabei ganz oben. Er war der Mann, der alles und jeden im Griff hatte. Sebastian war dabei seine rechte Hand. Auch wenn er der Älteste von ihnen allen war, so hat er Vincent steht's geachtet. Ebenfalls taten dies Henry und Liam, auch bekannt als die Zwillinge. Jeder hat die Vier behandelt, wie Heilige - ganz besonders Vincent. Und dann starb er. Das Zeichen des Underground starb, zusammen mit seiner Frau, am 9.9.2009 bei einem Flug ihres eigenen Privatjet's, der White Fly.
Ein Unfall, so wurde es betitelt. Aber es war keiner. Natürlich haben Sebastian und die Zwillinge alles dafür getan, um den oder die Mörder an ihrem König zu finden. Viele ließen dabei ihr Leben; die Meisten davon jedoch durch meine Hand.", Spencer's blaue Augen weiteten, "Ja, nur wenige Tage nach diesem Unglück, habe ich meinen zweiten Mord begangen - als neun jähriger. Und so ging es dann weiter. Immer weiter und weiter. Leiche um Leiche. Ich erschuf den Prinzen völlig neu. Tauchte in diese Rolle ein und zeigte jedem, das ich nicht nur ein Supergenie war, welches man für seine eigenen Zwecke ausnutzen, behandeln und misshandeln konnte, wie es einem gefiel. Dazu zählten auch die, jetzt nur noch, drei Könige. Ich bestellte sie alle zu mir. Sebastian, Henry und Liam. Alle sie, kamen sie zu mir, da man dies in einer Familie tat. Man war da, wenn einer Hilfe brauchte. Doch an diesem Abend hatte ich meinen Höhepunkt erreicht. Ich war lediglich nur noch ein Wrack aus Wahn- und Irrsinn. Und dann brachte ich sie um. Ließ sie alle in die Luft gehen!"

Gekünstelt lachte ich auf; vergrub meine Hände in meinen Haaren. "Das dachte ich jedenfalls..."

Die Erinnerungen und Bilder dieser Nacht strömten auf mich ein und ich versuchte sie zu unterdrücken. Es war wie im Zeitraffer. Die Szenen rasten an meinem inneren Auge vorbei, hinterließen Spuren, so wie ich damals, mit dem Blut der drei Könige an meinen Händen, die Wände zeichnete.

Plötzlich spürte ich zwei starke Hände, die sich um meine eigenen schlossen. "Hey, Kleiner.", ich hatte gar nicht bemerkt, das Spencer sich mir angenähert hatte und auch nicht, das ich angefangen hatte, mit meinen Fäusten auf meinen Kopf einzuschlagen, "Egal wie es weitergehen wird, egal was noch kommen und passieren wird, ich werde für dich da sein."

Dann nahm er mich in den Arm.

Und ich...
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Ladys and Gentlemans, Kapitel 22 von "Lizenz zum Genie" ist fertig! Wie es wohl weitergehen wird?

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