ENTFÜHRT

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Spencer

Gott, ich fühlte mich wie ein labbriges Stück Schweizerkäse. Mein ganzer Körper bestand nur noch aus Einstichwunden, Prellungen und blauen Flecken. Ich wollte gar nicht wissen, was ich sehen würde, wenn ich in einen Spiegel blicken würde. Im Moment war ich jedoch einfach nur froh, das mir meine zwei Folterknechte eine Pause gönnten, denn ich wusste nicht wie lange ich das noch ausgehalten hätte, ohne meiner toten Granny Gesellschaft zu leisten.

Ich stöhnte vor Schmerz, als ich versuchte mich aufzurichten. "Scheiße.", zischte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Fast schon in Zeitlupe lehnte ich mich gegen die Wand. Eine Hand dabei auf meine Seite gepresst. Erst jetzt, in dieser kurzen Ruhe, fand ich die Zeit mich genauer umzusehen. Wie es mir schien, befand ich mich in einem Keller. Die Frage war nur: in welchem Keller? Und wie war ich hierher gekommen? Denn das letzte, woran ich mich erinnern konnte, war die dunkle Straße, mit den zwei toten Agent's und Elliott. Alles was danach kam, war wie verschwommen.

"Was meinst du Liam?", drang die Stimme, von einer meiner Folterer zu mir, "Haben wir uns vielleicht doch etwas zu sehr zurückgehalten?" Der Mann neben ihm kam auf mich zu, hob mein Kinn und drehte meinen Kopf von links nach rechts. "Er sieht auf jeden Fall so aus, als könnte er noch mehr vertragen, Henry." "Bei euren schlappen Schlägen? Da nehme ich doch gerne noch eine zweite Massage.", meinte ich herausfordernd. "Du bist zwar gut, Spencer.", sagte eine dritte Stimme plötzlich, "Aber gerade nicht in der Verfassung, dich mit den Zwillingen anzulegen." Elliott betrat den Raum, direkt hinter ihm ein dritter Mann. An seiner Schläfe klebte ein Pflaster und auch die Blut verschmierten Klamotten trug er nicht mehr. "Was soll das?", war das Einzige was ich heraus bekam. Irgendwie schien sein Anblick meine Sinne gerade mehr zu trüben, als meine momentanen Wunden. "Glaube mir: das hier war nicht mein Plan.", fing der Kleine an, "Eigentlich wollte ich deinen Chef, Edward nur soweit bekommen, mich ins Brixton verlegen zulassen, um während des Transports zu verschwinden. Ich habe dafür sogar sämtliche eurer R.S.G-Autobordcomputer gehackt, eine neue Route darin gespeichert und dann musste ich nur noch überführt werden. Dann kam der schmutzigste Teil meines Plans. Ich musste meine Garde loswerden." Von Erkenntnis überrollt schoss mein bis davor gesenkter Kopf nach oben, direkt in Elliott's Blick und ließ mich schmerzlich auf zischen: "Du warst das mit den Agent's?!" Stumm schweigend sah der sechzehn jährige Junge mich an.

"Erstaunlich, was unser Prinz alles so kann, nicht wahr?", mischte sich sein Schatten mit ein. Der schwarz haarige Mann wollte Elliott allem Anschein nach eine Hand auf die Schulter legen, aber dieser duckte sich unter der Bewegung hinweg.
"Bis dahin lief mein Plan dann auch soweit gut, bis dann Henry und Liam unerwartet aufgetaucht sind - und zu meinem Unmut, dann du auch noch. Spencer, ich wollte dich nie so tief mit darein ziehen, wie wo du jetzt bist.", fast schon traurig sah Elliott mich aus seinen braunen Augen heraus an, "Ich wollte lediglich Rache."

"AN UNSCHULDIGEN MENSCHEN?", schrie ich.

Erschrocken zuckte Elliott zusammen. Wütend zog ich mich an der Wand, an welcher ich hockte, hoch und stolperte einige Schritte nach vorn. Schnell und schützend schoben sich die drei Männer vor ihn. "Einen Schritt weiter und du bekommst mehr, als nur eine nett gemeinte Massage, Wachhund!" Belustigt schüttelte ich den Kopf. "Im Moment will ich nichts lieber als das."

Ich erwachte ein zweites Mal. Dieses Mal jedoch nicht in irgendeinem Kellerraum, sondern in einem Bett. Verwirrt fuhr ich mir übers Gesicht, in meine Haare die mir Schweiß verklebt in der Stirn hingen.
"Du bist wach.", sagte eine Stimme vom Ende des Bettes und ließ mich in diese Richtung gucken. Dort saß Elliott, mit dem Rücken zu mir gedreht. Bei seinem Anblick krochen seine Sätze wieder in mein Gedächtnis und mit ihnen, eine unhaltbare Wut. Aus einem nicht haltbaren Impuls heraus stürzte ich nach vorne, meine Schmerzen unterdrückend, direkt auf den kleineren rauf. Unerwartet fuhr dieser zusammen. Ein spitzer Schrei verließ seine Lippen, als er von mir auf den Rücken gedrückt wurde. Ich über ihm. "Du elender Mörder.", knurrte ich tief, während meine Hände zu seinem dünnen Hals wanderten und diesen umschlangen. Der Ausdruck seiner Augen hielt mich jedoch davon ab zu zudrücken. "Na los, lass deiner Wut freien Lauf, Spencer - du wärst nicht der Erste, der sich an mir vergehen würde." Zitternd vor Anspannung rang ich mit mir, was ich nun tun sollte. Elliott war ein Mörder und hatte eine gleichwertige Strafe verdient und mein Job, als Wachhund der Königen, war es ihm diese zu geben. Auf der anderen Seite stand jedoch sein noch so junges Alter, was ihn noch zu einem Kind machte und dann waren da noch meine Gefühle ihm gegenüber. Mit einem Schnauben ließ ich von Elliott's Hals ab und schlug dafür neben seinem Kopf in die Matratze. "Ich kann nicht.", flüsterte ich zu mir selbst, doch natürlich hörte es Elliott und kommentierte dann genau so leise: "Noch dramatischer gehts nicht, oder Spenc?" Funkelnd hob ich meinen Kopf. "Du hältst besser die Klappe."

Still sahen wir uns an. Dabei musterte ich Elliot sehr genau. Seine kühlen, braunen Augen, seine blasse Haut, die hohen Wangen Knochen und zu guter letzt seine Lippen. "Wenn du überlegst, mich jetzt zu küssen, kannst du deinen Genitalien Lebewohl sagen.", bewegten sich diese. "Solltest du nicht dein freches Mundwerk halten, mh?", flüsterte ich immer noch und beugte mich dabei soweit nach unten, bis meine Nasenspitze den Stoff berührte, welcher seine Haut bedeckte. Entspannend atmete ich seinen Geruch ein und lehnte meine Stirn dann gegen Elliott's Schulter. "Warum fühlen wir uns nur immer zu den falschen Menschen hingezogen?"

"Das liegt daran, das wir Menschen zwar Angst vor dem Ungewissen haben, aber trotzdem das Gefühl des Adrenalins, welches unser Gehirn ausschüttet, lieben und dessen betäubende Wirkung spüren wollen. Das ist genau wie bei Suizid Gefährdeten. Sie tuen sich nicht grundsätzlich weh, weil sie nicht mehr leben wollen, sondern weil sie den Schmerz und die damit folgende Benebelung durchleben möchten, da dies für sie eine Art Anker in der Realität ist. Generell fühlt man sich ehr zu den falschen, bösen Dingen hingezogen, da diese natürlich auch den größeren Reiz in einem wecken. Und dieser will dann gestillt werden. Wie eine Droge. So ist es auch wenn man sich verliebt. Ist man es nämlich, ist der Körper in einem natürlichen Ausnahmezustand: In einem ganz bestimmten Bereich im Gehirn werden dann alle möglichen Botenstoffe ausgeschüttet, unter anderem Dopamin, wodurch sich das Serotonin herunterfährt, das Oxytocin und nicht zu vergessen das gute, alte Adrenalin. Durch diese ganzen Hormone werden die Sinne getrübt und die Menschen benehmen sich völlig verrückt. Zudem belegen mehrere Studien, dass sich Leute in aufregenden Situationen sogar ehr und schneller verlieben und das hier, scheint wohl deine Sinne ein bisschen zu beeinträchtigen, Spencer."

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